Classic-Review: BRAM STOKER’S DRACULA (1992)

bram_stokers_dracula 1992 kritik
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Redaktion: 9.5

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9/10 (2)

Darsteller: Gary Oldman, Anthony Hopkins, Keanu Reeves, Winona Ryder
Regie: Francis Ford Coppola
Drehbuch: James V. Hart
Länge: 123 min
Land: ,
Genre:
Veröffentlichung: 11. Februar 1993 (Kino)
Verleih/ Vertrieb: Sony
FSK: ab 16

Bram Stoker’s Roman DRACULA entstand Ende des 19. Jahrhunderts und damit nur kurz bevor das neu geborene Medium Film enorm an Wachstum zulegte. Fast scheint es, als hätten es sich Filmschaffende für die nächsten Hundert Jahre zur Aufgabe gemacht, eben jenen Roman möglichst oft und gelungen zu adaptieren.
Die Ergebnisse sind oft sehenswert, teils legendär, manchmal unterbewertet und nicht selten spiegeln sie den Zeitgeist wieder. Doch inhaltlich umrissen NOSFERATU, DRACULA (1931 und 1958) und andere die Geschichte nur an der Oberfläche, ließen aber zahlreiche Details, Handlungsstränge und Figuren weg.

Erst 1992 erschien mit BRAM STOKER’S DRACULA die wohl vollständigste Romanumsetzung…und gönnte sich dafür andere Freiheiten.

Bram-Stokers-Dracula review

Worum geht es in BRAM STOKER’S DRACULA?
Jonathan Harker soll von London nach Transsylvanien reisen, um den Grafen Dracula bei einem Immobilienkauf in England zu unterstützen. Doch was der junge Mann auf dem düsteren Schloss des Aristokraten vorfindet, ist nicht von dieser Welt. Bald sieht er sich als Gefangener des untoten Grafen, der seinerseits nach London reist. Dort sucht er Harkers Verlobte Mina, in der er seine vor Ewigkeiten verstorbene Liebe wiedererkennt…

BRAM STOKER’S DRACULA bleibt nicht nur vergleichsweise nah am Buch, Regisseur Francis Ford Coppola schafft es sogar noch einen Prolog einzubauen, der zum einen den Bogen zur historischen Figur Vlad Tepes schlägt, zum anderen wohl erstmals dafür sorgte, dass Graf Dracula nicht einfach als böse dargestellt wird, sondern einen Hintergrund und damit ein Motiv besitzt.

Seit der Verfasser dieser Zeilen das Buch Stokers im jungen Alter in die Finger bekam, war er von der Reise Harkers in die märchenhaft-alptraumhaften Karpaten fasziniert. Zwar ist dieses Element in den meisten filmischen Umsetzungen enthalten, doch fehlt oft die eindringliche Atmosphäre dieses verwunschenen Ortes, der -so scheint es- hinter dem Ende der Welt liegt und rationaler Naturgesetzen trotzt.
Die zweite Faszination galt dem Morbiden. Nun, sicherlich verfügt jede Gruselgeschichte über morbide Anteile, aber im Roman ist der Tod so allgegenwärtig, wie es Jahrzehnte später erst Stephen King mit FRIEDHOF DER KUSCHELTIERE wiederholen konnte.

Eine Adaption mit Sinn und Sinnlichkeit

Doch es sind diese Anteile, die Coppola in seinem Film zurückschraubt und ein Stück weit zugunsten einer tragisch-romantisch-erotischen Ausrichtung opfert.
Egal, ob man Harkers intim-verstörendes Zusammentreffen mit drei Vampirschönheiten (darunter Monica Bellucci) nimmt; die Tatsache, dass Mina und ihre frivole Freundin Lucy im Kama Sutra blättern oder Prof. Van Helsing über Zivilisation und Syphilisation referiert, Coppolas Film besitzt Sex, den Stoker nur metaphorisch andeutete und seinen frühen Lesern wohl die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte.

bram stokers dracula monica belucci - Thrillandkill (Horrorfilme und Thriller)

Bemerkenswert an diesem Film ist auch, dass Vampire hier nicht vom Sonnenlicht getötet werden, was dem Buch entspricht, aber schon F.W. Murnau in NOSFERATU und in der Folge nahezu jeder Vampirfilm anders handhabte. Außerdem besitzt der Vampir zwar kein Spiegelbild, abweichend von der Vorgabe aber einen Schatten, der sogar ein auffallendes Eigenleben besitzt.

Dass Coppola einerseits neue Wege einschlägt, andererseits aber nicht nur dem Erbe des Romans, sondern auch früherer Verfilmungen Tribut zollt, hat Methode. So sehen wir noch einmal die aus NOSFERATU bekannte Szene, in der der Vampir senkrecht aus dem Sarg auffährt und es fällt der durch Bela Lugosi bekanntgewordene Satz „Ich trinke niemals….Wein“.
Doch auch in der Inszenierung greift Coppola gerne auf betont altmodische Elemente zurück. Zwar gibt der Regisseur im Audiokommentar zu, dass es schlicht eine Frage eines mittlerweile zusammengeschrumpften Budgets war, trotzdem wirkt die Scherenschnitt-Schlachtenszene zu Beginn des Films wie ein Überbleibsel früherer Epochen.

„Wir sind zu Besessenen Gottes geworden“

bram stoker's dracula scherenschnitt

Moderne ist natürlich ohnehin nur aus Sicht des späten 19. Jahrhunderts gefragt, wie die Szene, in der sich der Graf und seine wiedergefundene Liebe in einem Cinematographen verlustieren.
An dieser Stelle ging mit dem Regisseur wohl doch etwas die Liebe zum Kino durch, denn bei allem Verständnis für Jahrhunderte überdauernde Liebe und frühe Lichtspielhäuser, hätte jener romantische Mittelteil sicher ein paar Minuten straffer ausfallen dürfen, ohne dass dem Film etwas fehlen würde.

BRAM STOKER’S DRACULA gehört zu den wenigen Gruselfilmen, mit Anthony Hopkins und Gary Oldman gleich zwei Schauspieler in ihren Reihen haben, die in ihren Karrieren einen Oscar gewannen (Winona Ryder und Tom Waits waren zudem nominiert). Das bedeutet aber nicht, dass der Film ganz ohne Kritik bliebe. Vor allem Keanu Reeves unechter englischer Akzent im Originalton wird immer wieder bemängelt.
Schauspieloscars konnte BRAM STOKER’S DRACULA seinerzeit nicht gewinnen, nahm die begehrte Trophäe aber trotzdem drei Mal mit nach Hause (u.a. für Makeup).

Bram Stoker's Dracula rezension

Einflüße von BRAM STOKER’S DRACULA

Erwähnenswert und sicher einer Auszeichnung würdig ist aber auch die schwere, dunkle Filmmusik, die das Werk auf finstere Weise untermalt und noch heute gerne in allen möglichen TV-Beiträgen wieder auftaucht, die sich ansatzweise mit Gruselthemen befassen.

Dass der Film popkulturell in den 90ern Zeichen hinterließ, zeigte sich nicht nur in der Parodie DRACULA, TOT ABER GLÜCKLICH, die Mel Brooks mit Leslie Nielsen umsetzte, sondern auch im frühen Rammstein-Video zu „Du riechst so gut“, das sich einer ähnlichen Kameraarbeit wie BRAM STOKER’S DRACULA bediente.

Fazit:
Natürlich ist BRAM STOKER’S DRACULA kein harter Horror und manch einer hätte den Vampir gerne boshafter erlebt. Coppolas Adaption ist aber eine in sich stimmige Variation des Romans, die fast alle relevanten Themen und Figuren aufgreift und sogar ausbaut und bestehende Verfilmungen auf respektvolle Weise einbindet. Der Film selbst ist ein Rausch der Sinne und mit viel Liebe zum Detail ausgeschmückt.
Kurz, diese ist die DRACULA-Verfilmung bei der die Fäden zusammenlaufen und es spricht für sich, dass es in den letzten 30 Jahren keinen (nennenswerten) Versuch mehr gab, Stokers Kultroman auf die Leinwand zu bringen.

 

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