2022 erschien Christian Tafdrups SPEAK NO EVIL und das fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Letzteres hatte mal wieder die üblichen Gründe: man konnte den Film nicht in ein einzelnes Genre stecken, er ist ein Slowburner, er ist kein Feelgood-Streifen und als dänisch-niederländische Produktion ist er gleich in zwei Ländern verortet, die jeden Glamour Hollywoods vermissen lassen.
Zum Glück ist da Jason Blum, der dagegen was tun wollte und nur kurze Zeit später die amerikanische Version der gleichen Geschichte strickte.
SPEAK NO EVIL (2022) vs. SPEAK NO EVIL (2024): Worum geht es?
Beide Filme handeln von je zwei Familien, die sich im Italienurlaub kennenlernen, dort gerne Zeit miteinander verbringen und beschließen, sich auch danach noch einmal für ein Wochenende zu treffen. Dabei wächst aber nicht nur die Erkenntnis, dass man Menschen nach ein paar lockeren Tagen in der Sonne nicht wirklich kennt, sondern auch das ungute Gefühl, dass die Gastgeber gefährlich sind.
Es lohnt sich oft Filme im Originalton zu sehen, in diesem Fall aber besonders. Zumindest, wenn wir über den 2022er Film reden, der Dänen dänisch und Niederländer niederländisch sprechen lässt, wodurch schon eine natürlich (Sprach-)Barriere aufgebaut wird, die die kulturellen und persönlichen Unterschiede greifbarer macht.
Die deutsche Synchro bügelt darüber hinweg. Hier spricht jeder eine Sprache. Punkt. Das mag im Endergebnis nicht schlachtentscheidend sein, es ist aber mehr als ein kleines Detail und wenn man genauer hinschaut, fällt es auch auf, dass gewisse Dialoge keinen Sinn ergeben.
Das Remake macht es sich noch leichter. Beide Familien sind englischsprachig, der Kulturschock besteht nicht etwa darin in ein weit entferntes Land zu reisen, sondern dass Stadtmenschen ein paar Tage auf dem Land verbringen. Das ist zwar nicht so plump vorgetragen wie in vielen Backwood-Werken, stiehlt der Geschichte aber erneut ein größeres Detail.
Europäisches Slowburn vs. Amerikanisches Entertainment
Während hier also schon einiges begradigt wurde, ist an dieser Stelle ist zu erwähnen, dass James Watkins bei der Neuverfilmung Regie führte und der hat auch EDEN LAKE erschaffen, wo es ebenfalls ein englisches Paar aufs Land verschlug. EDEN LAKE war ein in jeder Hinsicht unangenehmer, roher Film und zum SPEAK NO EVIL von `22 hätte Watkins perfekt gepasst.
Die 24er-Variante will aber niemandem weh tun und scheint mehr als alles andere zu befürchten, den Zuschauer durch einen schleichenden Aufbau oder harsche Szenen zu vergraulen. Und gleichzeitig ist dem Blumhouse-Film wichtig, dass selbst der größte Dorftrottel kapiert, was hier gespielt wird.
Und so ist das ländlich wohnende Paar Paddy und Ciara von Anfang an laut, exzentrisch und extrovertiert, während Familie Dalton sich in Zurückhaltung übt. Paddy hebt die Tochter der Daltons erst mal auf seinen Roller und brettert mit der Kleinen ohne Helm über das Kopfsteinpflaster der Toskana und wo jede andere Familie ein Veto eingelegt hätte, überlassen die Daltons ihr Kind den (zu diesem Zeitpunkt) Fremden und machen gute Miene zum übergriffigen Spiel.
Vielleicht ziehen sich Gegensätze an, aber man will nach einigen frühen Szenen schon nicht mehr so recht glauben, dass die Daltons mit dieser Familie eine innige Freundschaft aufbauen möchte. Im Original fällt das Kennenlernen hingegen „normaler“ aus. OK, normal ist langweilig, aber auch glaubwürdig.
Das plakative Auftreten setzt sich in der Neuverfilmung aber fort und ohne eine Spur von Dezenz nervt der stumme Sohn von Paddy und Ciara seine Besucher immer wieder mit wenig verborgenen Hilfegesuchen. Aufschreiben wäre möglich gewesen, denn man spricht hier ja die gleiche Sprache, aber das haben die Blumhouse-Schergen dann wohl nicht berücksichtigt.
Simpler Kulturclash vs. unnötige Subplots
Grundsätzlich ähnelt der „alte“ SPEAK NO EVIL natürlich schon deutlich dem „neuen“, viele Szenen sind mehr oder weniger die gleichen, es ist aber bezeichnend für das mainstreamige US-Kino, dass man eine ohnehin harmlose Sexszene komplett strich, dafür aber am Ende fetzige Action einbaut, die (Spoiler) in einem Happy End mündet, das den Geist des Originals missbraucht.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: SPEAK NO EVIL 2024 ist kein übler Film. Schon gar nicht, wenn man das Original nicht kennt, aber diesen nahtlosen Übergang vom fast schon überschwänglichen Urlaubsfeeling, zum freundschaftlichen Wiedersehen, zu ersten (teils gar amüsanten) sozialen Konflikten, zum kalten Grausen, den das Original besitzt, schafft er nicht.
Die große McAvoy-Show vs. alle anderen
Dabei hat man für die Rollen von Paddy und Ciara James McAvoy (ES, SPLIT) und Aisling Franciosi (THE NIGHTINGALE) besetzt. Das Problem dabei ist, das McAvoy wohl nur tut, was seine Figur bzw. das Buch ihm diktiert, damit aber jeden der anderen Schauspieler zurückdrängt.
Irgendwer war dann auch noch der Ansicht, dass die Geschichte zusätzlichen Pepp braucht. Und so wurde fürs Remake bei den Daltons ein interner Konflikt eingeschoben, denn Louise hatte kürzlich eine Online-Affäre. Die tut nichts zur Sache, ist aber da.
Fazit zu SPEAK NO EVIL (2022) vs. SPEAK NO EVIL (2024)
Schaut man aktuell auf imdb, rotten tomatoes oder letterboxd nach, liegen beide Filme sowohl bei Kritikern als auch Fans nahezu gleichauf. Wie immer gilt, man muss sich nicht entscheiden, denn das Regal hat für beide Platz. Soll es aber nur einer werden, so ist das Original sicher der stimmigere, schlüssigere, ergreifendere Film, während das Remake die bessere Unterhaltung bietet und ohne Stein im Magen endet.
Übrigens: ein separates Review zum Original findet ihr hier.
Hier kannst du das Original sehen
Wie immer, sehr gute Review von euch! 👌🏻
Ich hab das Original 2022 gesehen und nach langem Zögern jetzt das US Remake.
McCoy spielt natürlich wie immer grandios, allerdings ist es für mich ein gänzlich anderer Film . Nicht nur das Ende unterscheidet sich, sondern die ganzen kleinen Hinweise, Stimmungen etc. Sind für mich beim Originsl wesentlich bedrückender und unangenehmer. Im Original fühlt man sich richtig unwohl, es wirkt so „echt“ und nimmt einem deshalb extrem mit.
Im Gegensatz zum Remake, da man hier merkt, dass man an auf Nummer sicher gehen wollte und niemanden verschrecken will.
Beides sicher Filme, die sehr gut zum Anschauen sind, jedoch blieben beim Original doch noch weitere Tage die Gedanken an dieser Geschichte hängen und regen zum Nachdenken an.
Danke für die netten Worte 🙂