Ursprünglich war diese Kategorie dafür gedacht ein Original und sein Remake zu vergleichen, heute knöpfen wir uns aber THE DESCENT und sein Sequel vor. Das mag nicht ganz fair klingen, denn die wenigsten Fortsetzungen sind besser als das Original. Ideen nutzen sich ab und oft schrumpft auch das Budget.
Das Budget war diesmal in für die Fortsetzung aber sogar größer und das Problem sehen wir weniger in den recycelten Ideen, sondern an anderer Stelle.
Ohne Spoiler wirds übrigens nicht gehen, seid also gewarnt.
Wovon handeln die THE DESCENT – Filme?
Ein Jahr nachdem Sarah ihren Mann und ihre Tochter bei einem Autounfall verlor, begibt sich die noch immer traumatisierte Frau mit ihren Freundinnen auf einen Höhlentrip in die Appalachen. Zwar war klar, dass dies kein Wellnessurlaub werden würde, doch als der Eingang hinter den sechs Frauen zusammenbricht und sich herausstellt, dass sie sich in einem unerforschten Höhlensystem befinden, wo mit Hilfe nicht zu rechnen ist, ist die Not groß…zumal sie nicht alleine in der Dunkelheit sind.
Teil 2 knüpft direkt an das Ende seines Vorgängers an und führt Sarah nur kurze Zeit (und einen Krankenhausaufenthalt) später erneut in die Finsternis. Diesmal allerdings mit professionellen und bewaffneten Rettern.
Das klingt nach der ALIEN– / ALIENS-Formel, der sich aber auch die ersten beiden REC-Filme bedienten. So kommen in den jeweiligen Fortsetzungen mehr Waffen zum Einsatz, irgendwann eskaliert die Situation aber natürlich trotzdem.
An dieser Herangehensweise ist nichts auszusetzen, trotzdem konnte man Ripley eher abnehmen, warum sie auf LV 426 zurückkehrte, als man dem Rettungsteam abnimmt, warum es die physisch, aber vor allem psychisch angeschlagene, amnestische Sarah noch mal vom Krankenbett in die Dunkelheit zerrt. Schließlich kann man sich leicht ausmalen, wie hinderlich eine plötzlich in Panik ausbrechende Person in einem schmalen, einsturzgefährdeten Stollen sein mag.
Und damit sind wir beim ersten großen Kritikpunkt:
Teil 1 brauchte keinen Firlefanz, die simple Story diktierte die Marschrichtung.
Für Teil 2 beschäftigte man gleich drei Drehbuchautoren, die sich offenbar gegenseitig behinderten.
Wie konstruiert das Ganze ist, wird noch deutlicher, wenn man sich das Ende der Fortsetzung betrachtet, das uns wissen lässt, dass die Wesen im Stollen offenbar einen menschlichen Helfer haben (warum sollten sie?). Das klingt nicht nur verkehrt, es ist auch noch der gleiche Typ, der Sarah am Anfang des Films rettet (warum sollte er, wenn er sie doch nur verfüttern will?)…
Schön, wir sprechen über Horrorfilme, da muss und kann nicht immer alles völlig sinnig sein. Was aber beide haben, sind menschenfressende Monster und keiner der Filme geizt mit blutigen Details. Allerdings war Teil 1 so dunkel wie man es von einer Höhle abseits des Pauschaltourismus erwarten würde, während die gleiche Höhle bei gleicher Beleuchtung in Teil 2 so wunderbar hell erscheint, dass man sich als Beobachter beinahe fragt, warum unsere Helden überhaupt noch die Stirnlampen nutzen.
Oberflächlichkeit geht auch unter der Erde
Der Grund für diese Festbeleuchtung ist aber klar. Man will mehr Gore zeigen. Versteht mich nicht falsch, damit ist selten was verkehrt, außer es sind Geisterbahn-mäßige Effekte, die sich so anstrengen einen Härterekord zu brechen, dass es auch vor dem Bildschirm anstrengt. Da lässt man Nagetiere aus Mündern kriechen, Monster mit gottverdammten Haarklammern (!!!) töten und sich hundert andere funny Gimmicks einfallen, statt wie in Teil 1 das ein oder andere Detail doch der Fantasie des Zuschauers zu überlassen.
Sprechen wir über Details.
Teil 1 greift immer wieder den Tod Sarahs Tochter und ihres Mannes auf und baut das Thema in Form von Träumen und Illusionen in die Handlung ein, aber auch die Affäre zwischen Juno und Sarah Mann spielen eine Rolle. Das kann man als unwichtigen Subplot abtun, man kann dem aber auch mehr beimessen und den kompletten beklemmenden Trip ins Dunkel als Analogie für den Trauerakt verstehen. Hier sei nur die Schlusssequenz genannt, in der Sarah sich ans Tageslicht zurückkämpft, scheinbar gerettet, aber dann feststellen muss, dass sie die Höhle (die Trauer) noch immer festhält.
Auf der Torte, die ihre Tochter immer vor sich hat, sind stets 5 Kerzen zu sehen (Sarahs 5 Freundinnen), nur in der letzten Einstellung erkennt man 6 Kerzen. Zufall? Kaum.
Das Besondere an THE DESCENT ist aber, dass er diesen doppelten Boden anbietet, anders als z.B. HIGH TENSION, dessen Finaltwist oft kritisiert wird, funktioniert THE DESCENT aber auch dann, wenn man ihn ignoriert.
Auffällig an THE DESCENT ist der komplett weibliche Cast (abgesehen von den Crawlern spielt nur im Prolog augenscheinlich ein Mann mit). Das alleine macht noch keinen großartigen Film, ist aber allemal originell in einem Genre, dass allzu oft bewährten Formeln folgt und Frauen immer noch gerne als Beiwerk darstellt.
Mit Originalität oder nachdenklichen Momenten gibt sich Teil 2 natürlich nicht ab, zeigt die Kackgrube der Monster und beweist auch damit nur, dass er mehr eine Karikatur seines Vorgängers denn ernstzunehmendes Kino ist.
Ein guter Cutter macht noch keinen guten Regisseur
Die Regisseure
Es ist nicht so, als hätte man für THE DESCENT 2 einen Berufsanfänger angeheuert. Jon Harris ist ein talentierter Cutter, der in dieser Funktion auch an Teil 1 beteiligt war, außerdem für den rechten Schnitt in EDEN LAKE sorgte und für seine Arbeit in 127 HOURS sogar den Oscar erhielt. Nur: als Regisseur ist er eben doch Berufsanfänger und bis heute ist THE DESCENT 2 der einzige Film, den Harris als Regisseur betreute.
Neil Marshall, der Regisseur (und Autor) von THE DESCENT, hatte zuvor bereits mit DOG SOLDIERS einen Achtungserfolg erzielt und legte mit DOOMSDAY und CENTURION zwei starke Filme nach, wandte sich dann aber dem TV (u.a. GAME OF THRONES) zu.
Fazit zu THE DESCENT 1 und 2
Sieht man THE DESCENT 2 für sich, ist er sicherlich erträglich und wirkt wie ein uninspirierter aber unterhaltsamer 0815-Streifen. Im Kontext der Reihe reicht er aber nicht annähernd an seinen Vorgänger heran, sondern zieht die gesamte Handlung (auch die von Teil 1) ins Lächerliche und läßt Koninuität vermissen.
Teil 1 wäre hingegen alleine durch seine kalte, beklemmende, klaustrophobische Stimmung eine Perle. Hinzu kommt aber die richtige Mischung aus psychologischem Horror und nie plump wirkendem Gore-Anteil. Wem das nicht genug ist, findet sogar noch eine Meta-Ebene und spätestens damit stellt THE DESCENT klar, dass er intelligent ist und THE DESCENT 2 nicht.
THE DESCENT: 10.0
THE DESCENT 2: 4.0