Am 19. Februar 2020 tötet ein geistig gestörter Rechtsradikaler zehn Menschen und sich selbst in Hanau.
Die meisten Opfer sind Ausländer und Muslime.
Etwa ein Jahr später wird bekannt, dass Uwe Boll einen Film über die Tat drehen wird. Der Aufschrei ist groß, denn natürlich eilt Boll ein Ruf voraus und die Tat ist in den Köpfen der Bevölkerung, aber natürlich auch bei den Angehörigen der Opfer noch sehr frisch.
Ziemlich genau zwei Jahre nach den Taten erscheint HANAU und wir versuchen einen unbefangenen Blick darauf zu werfen.
Bolls Film beginnt mit einer Presseschau von Nachrichtensendungen verschiedener Länder, die die reale Tat beschreiben.
Direkt danach lernen wir Täter Tobias Rathjen kennen, einen bieder wirkenden Mann Mitte 40, der mit seiner Mutter zusammenlebt und -so ahnt man rasch- sich nicht nur verfolgt fühlt, sondern glaubt, dass sich eine mächtige Organisation in seine Gedanken hackt.
HANAU gibt vor allem Einblick in einen kranken Geist
Was folgt ist ein mehr als halbstündiger Monolog, der Rathjen in alltäglichen Situationen wie beim Rasieren oder im Auto, aber auch im vornehmen Anzug zeigt. Seine Aussagen reichen von Fremdenhass bis hin zu der (w)irren Annahme, dass seine „außergewöhnlichen Fähigkeiten“ dazu führten, dass Donald Trump als Milliardär Präsident der USA wurde.
Der spätere Mörder gibt seine geistigen Ergüsse mit einer akribischen Hingabe wieder, wenngleich der Inhalt erschreckend abstrus ist.
In der zweiten Filmhälfte sehen wir dann die Tat in teils deutlichen Bildern.
Es ist nachvollziehbar, dass niemand, der an jenem Tag einen geliebten Menschen verlor, die Morde gezeigt bekommen möchte, gleichwohl muss aber gesagt werden, dass HANAU trotz der Mitarbeit von Olaf Ittenbach kein effekthaschender Streifen wurde, sondern eine nüchterne Wiedergabe, die sich um Abstand und dokumentarische, nicht wertende Herangehensweise müht. Natürlich wird nicht jeder Dialog so stattgefunden haben, das ist aber nicht wichtig.
Bedeutsamer ist, dass Boll weder eine Heldenstory aufbaut, bei der jemand eine Kugel für den besten Freund abfängt, noch den Opfern eine rührselige Geschichte an die Hand gibt.
Man kann darüber streiten, ob es interessant gewesen wäre, den ein oder anderen Hintergrund der Getöteten zu kennen, aber Boll entmenschlicht sie nicht, weil er das auslässt, sondern hebt damit vielmehr die Willkür des Mörders hervor.
Umgekehrt mag man debattieren, ob Boll dem Täter zu viel Screentime einräumt, ihm Platz für seine Ideologien gibt.
Allerdings lädt der Wahnsinn, den dieser von sich gibt, nie im Geringsten zum Nicken, aber erheblich zum Augenrollen ein.
Das hilft das Denken des Mörders zu begreifen, Antworten finden wir jedoch kaum. Es wird allenfalls angedeutet, dass er bereits in Therapie war und seine Vergangenheit bleibt undurchleuchtet.
Ein kurzer Film, mit seltsamem Anhängsel
HANAU ist also nicht der befürchtete Affront gegenüber den Opfern, aber es ist auch kein besonders guter Film.
Hauptdarsteller und Co-Autor Steffen Mennekes hat es sicher nicht leicht, in die gestörte Psyche Rathjens einzutauchen, aber er tut sich auch schwer. Er klingt immer wieder, als würde er Passagen ablesen oder als müsse er sich konzentrieren, sich an die richtigen Worte zu erinnern, statt diese hasserfüllten Predigten zu fühlen und auch die wenigen weiteren Dialoge klingen oft hölzern.
Dazu kommt eine wacklige Kamera (die man nur teilweise wohlwollend als Analogie auf den wackligen Geisteszustand Rathjens deuten kann) und Anschlussfehler.
Schon nach ca. einer Stunde ist die gespielte Handlung HANAUs vorbei und nach einigen weiteren Archivszenen, die Naziaufmärsche oder den Sturm aufs Kapitol zeigen, nimmt uns Boll im Doku-Stil persönlich mit an die Originalschauplätze.
Das ist nicht gänzlich uninteressant, ändert aber das Narrativ des Films. Man merkt, dass Uwe Boll mit guten Absichten an diese Verfilmung heranging, allerdings auch seine Hemdsärmlichkeit.
Fazit:
HANAU spart sich die meiste Zeit Pathos und Kitsch, kann sich aber am Ende doch nicht verkneifen Stellung zu beziehen. Cineastisch ist dies kein Meisterwerk, aber HANAU ist auch nicht pietätloser als Filme über das Utøya-Massaker, 9/11 oder andere Attentate.
Dass der Trailer zum Film allerdings mit besorgten Erwartungen kokettiert, ist durchaus geschmacklos.