Eine Besonderheit, die man im skandinavischen Genrekino immer wieder antrifft, ist eine indirekte Angst vor menschlicher Nähe. In Filmen wie BABYCALL, CORRIDOR, NEXT DOOR und nun auch THE KNOCKING werden als Hauptschauplätze anonyme Mehrfamilienhäuser genutzt.
Vielleicht hängt das mit der Freiheitsliebe der Nordeuropäer zusammen, mit norwegischen Fjorden, schwedischen Wäldern oder finnischen Seen haben diese Filme jedenfalls nichts gemeinsam und oft spielt Wahnsinn eine tragende Rolle.
Story:
Molly hat psychische Probleme. Nach einem Aufenthalt in einer Klinik zieht sie aber in ein neues Apartment. Dort fühlt sie sich einsam und die Ruhe scheint erdrückend, doch immer wieder hört sie ein leises Klopfen….und in ihr wächst ein noch viel bedrückenderer Verdacht.
KNOCKING…oder die Geschichte von nervenden Nachbarn
Viele wissen, wie es ist, wenn einen die Nachbarn in den Wahnsinn treiben, weil sie es für eine tolle Idee halten, eine Big Band im Wohnzimmer spielen zu lassen oder nachts um 4 ihren Lieblingsporno nachspielen. Doch dabei sind die Schuldigen meist schnell ausgemacht.
Was aber, wenn da nur dieses leise, gelegentliche Klopfen ist?
Und was, wenn das Muster klingt wie Morsecode?
Und was ist das für ein Fleck an der Decke?
Wir wissen als Zuschauer direkt, dass Molly nervlich angeschlagen ist und auch die offenbar nach längerer Zeit nicht ausgepackten Umzugskartons vermitteln nicht das Bild einer innerlich und äußerlich aufgeräumten Person. Gleichzeitig liegt eine Hitzewelle über der Stadt und wir wissen alle, wie man sich fühlt, wenn einen die Grade wach halten, man genervt ist und dann noch eine Kleinigkeit dazukommt.
Kein Wunder also, dass sich Molly zunächst freundlich bei den Nachbarn über ihr beschwert, obwohl sie nicht mit Sicherheit sagen kann, woher das Geräusch kommt. Aber vielleicht auch kein Wunder, dass sie zunehmend auf das Klopfen wartet.
Aber sollte man als psychisch labile Person seinem Verstand eigentlich trauen?
Ist das Klopfen nur im Kopf?
Da wir nun seit fast 300 Worten über Molly und das Klopfen reden, lässt sich erahnen, dass KNOCKING, der im Original übrigens den wohlklingenden Namen KNACKNINGAR trägt, kein Actionfeuerwerk abbrennt, sondern in seinen beengten Räumlichkeiten bleibt und dafür auch nur wenige Figuren etabliert, von denen die meisten doch nur mehr oder minder anonyme Nachbarn bleiben. Man mag auch argumentieren, dass der Inhalt trotz einer sparsamen Laufzeit von 78 Minuten besser in einen größeren Kurzfilm gepasst hätte.
Aber Regisseurin Frida Kempff, die mit KNOCKING ihr Spielfilmdebüt gibt, macht den Streifen zu einer ziemlich persönlichen Sache, die Zeit braucht und von Molly bzw. der 49jährigen Schauspielerin Cecilia Milocco getragen wird.
Als Beobachter sind wir immer direkt bei Molly, die niemand ist, die man auf den ersten Blick umarmen möchte. Sie wirkt eigenbrödlerisch und verschlossen.
Trotzdem nähern wir uns im Laufe des Films immer mehr an und lernen zu verstehen, wie sie tickt.
Kempff spielt den Ball aber auch an uns Zuschauer zurück, indem sie die Frage stellt, wie man selbst mit einem häufig wiederkehrenden, penetranten Geräusch aus unbestimmter Quelle umgehen würde, vor allem, wenn man vermutet, dass dahinter ein Verbrechen stecken könnte.
Daraus entsteht ein kleiner, ruhiger, aber ansprechender Psychothriller, der (SPOILER) sich den Luxus gönnt, die Auflösung nicht nur im allerletzten Moment zu lüften, sondern diese lediglich über eine scheinbar nebenbei laufende Funkkommunikation präsentiert.
Fazit:
Du suchst Krawall und Bombast? Nicht mit KNOCKING.
Aber wenn du einen fast kammerspielartigen Psychothriller suchst, gib ihm eine Chance!