Um es vorweg zu nehmen: Dieses Remake brauchst du nicht!
Da wir uns heute aber nicht schon wieder über die Unnötigkeit mancher Remakes auslassen wollen, war der Ansatz bei der Sichtung von MARTYRS 2015, dem Film eine Chance zu geben und als eigenständiges Werk zu betrachten.
Das ist allerdings gar nicht so einfach, denn der Film verlässt sich phasenweise darauf, dass der Zuschauer den Original-MARTYRS von 2008 kennt und glaubt sich manche Erklärung sparen zu können.
Was ist die Story von MARTYRS (2015):
Lucy entkommt als junges Mädchen aus einer Fabrikhalle. Sie hat dort schreckliches erlebt und wird jahrelang von Wahnvorstellungen geplagt.
10 Jahre später dringt die zur Frau gereiften Lucy in das Haus ihrer vermeintlichen Peiniger ein und tötet die Familie. Als sie danach Freundin Anna zur Hilfe ruft, zögert die keine Sekunde. Doch damit beginnt der Schrecken erst…
Die Goetz-Brüder, die hier die Regie übernahmen, lieferten mit SCENIC ROUTE ein starkes Debüt ab und während die erste Hälfte des US-Remakes recht nah am französischen Original bleibt, wertet eine ansehnliche Kameraarbeit den Film erstmal auf, doch rasch nimmt die Neuverfilmung einen anderen Kurs.
Dieser MARTYRS beginnt anständig, entgleist dann aber völlig
Anders als Pascal Laugiers Film, der in drei klare Akte unterteilt war und man sich als Beobachter jeweils fragte, was denn nun noch kommen soll, vermischt die 2015er Variante seine Bestandteile.
Achtung Spoiler: statt Anna zu einem gewissen Zeitpunkt in den Fokus zu rücken, was im Original schon deswegen notwendig war, weil sie als einzige übrig bleibt, treten hier drei Damen gleichzeitig an.
Wo Laugier auf starke Frauenfiguren setzte, was sich teilweise in Details äußerte, wie dass die Mutter der Familie das Wasserrohr im Garten reparierte, dürfen in der US-Version Frauen vor allem schreien. Und so ist Anna, die hier von Bailey Noble (TRUE BLOOD) gespielt wird, nicht nur fehlbesetzt, sondern wirkt auch wesentlich hilfloser als Morjana Alaoui im Original.
Diese Interpretation ist vielleicht nicht notwendig, aber doch vertretbar. Das gleiche gilt für die extreme Gewalt, die Laugiers Film auch Genrekennern den Schweiß auf die Stirn trieb. Dass es das Remake bis auf wenige Szenen zum Ende hin gediegener angehen lässt, wäre keine Schande, wirkt aber fast so als hätten sich die Filmemacher selbst zensiert. Die Szenen des unheimlichen Narbenwesens, das Lucy nachstellt, sind enthalten, wirken aber wenig intensiv und stellen damit klar, dass Laugiers Brutalität nicht nur Mittel zum Zweck sondern Teil des Ganzen war.
The ultimate horror movie sieht anders aus….ganz anders
Stattdessen wird hier verschlimmbessert. So einfach die Schläge waren, die Anna 2008 in ihrem Verlies einstecken musste, so sehr schlugen sie auch dem Betrachter auf den Magen. Inzwischen versucht man kreativ zu foltern, gibt dem Opfer Fluchtmöglichkeiten und will die Story durch Füller erweitern, um dann doch wieder zum bekannten Finale zurückzusteuern. Das tut man zwar auch, doch der harte, fesselnde, mitreißende Weg dahin ist verloren gegangen, weswegen man im Remake weit weniger mit den Protagonisten fiebert und erstaunt sein darf, dass das Drehbuch von Mark L. Smith stammt, der zuletzt das hochwertige Drehbuch THE REVENANT-DER RÜCKKEHRER schrieb.
Technisch mag das alles sauber sein, aber egal ob man den Film für sich oder im direkten Vergleich zum Vorbild sieht, es bleibt dabei: Niemand braucht dieses Werk!
…und von „The Ultimate Horror Movie“ zu sprechen, wie es das Cover tut, ist schlicht traurig.