Südkorea erweckt zunehmends den Eindruck als Filmnation ein schlafender Riese zu sein.
Fans kennen natürlich diverse Streifen, aber spätestens seit PARASITE und SQUID GAME schicken viele deutsche Anbieter ihre Scouts aus, um teils Jahre alte Filme von dort endlich nach Europa zu holen.
Einer davon ist der SEA FOG, der bereits 2014 in seiner Heimat erschien.
Story:
Capt. Kang Chul-joo ist Fischer. Auf seine Mannschaft kann er sich verlassen, doch das kleine Schiff ist alt und niemand will ihm Geld für eine Aufarbeitung geben.
Also nimmt er das Angebot an, chinesische Flüchtlinge übers Meer ins Land zu schleusen.
Bei der Übergabe fällt eine junge Frau ins Wasser und Dong-sik, einer der Matrosen rettet sie. Doch damit setzt sich eine Kettenreaktion in Gange, die in eine Katastrophe führt….
SEA FOG beginnt als Drama und endet als harter Thriller
SEA FOG soll auf realen Ereignissen basieren und man ist gewillt das zu glauben. Das macht uns der Film einfach, indem er die Lebensumstände der Männer zunächst nachvollziehbar beschreibt und begreiflich macht, wieso die Seeleute zu Menschenschmugglern werden.
Die Fischer/Schmuggler sind einfache Männer, aber sie führen nichts Übles mit den Flüchtlingen im Schilde, sondern geben ihnen Essen und wollen sie rasch in Sicherheit bringen.
Erst im Laufe des Films wird der Ton dunkler und dann wird aus dem anfänglichen Drama auch ein lupenreiner Thriller.
Regisseur Sung-bo Shim ist mehr als Autor bekannt. Unter anderem schrieb er das Skript für MEMORIES OF MURDER. Bei SEA FOG teilte er sich Schreibarbeit Bong Joon Ho (PARASITE, SNOWPIERCER).
Die beiden Profis sorgen dann auch dafür, dass SEA FOG zwar anfänglich in gediegenem Tempo vorgetragen wird, aber nie unnötig lange wirkt.
Kenner des koreanischen Kinos ahnen, was das Filmposter zu verschleiern versucht: Der Film ist kein Hochglanz-Schinken, kein Heldenepos, sondern zeigt auf organische und nüchterne Weise, wie die Lage an Bord brutal eskaliert.
Da die Charaktere von Anfang an breit angelegt sind, nimmt man ihnen bis zum Ende ihre Entwicklungen ab, wobei die Rolle des Kapitäns hervorzuheben ist.
Südkorea, der schlafende Filmriese
Spoiler möglich:
Angangs wird Kang Chul-joo als Hauptfigur etabliert, der man durchaus Sympathien entgegenbringt, doch an Bord wird aus seinem konsequenten Handeln, bei dem ein aufmüpfiger Flüchtling schon mal testweise „Baden geschickt“ wird, ein herrisches Auftreten, das Cptn. Bligh von der Bounty in ein positiveres Lücht rückt. Zuletzt scheint der Wahnsinn von ihm Besitz zu ergreifen.
Es ist fraglich, ob der Film eine Botschaft vermitteln möchte, die über das Wiedergeben der Ereignisse, die als „Taechangho incident“ bekannt wurden, hinausgehen soll, aber zweifelsohne gibt er uns mehr Charakterisierung als man hätte erwarten können und zeigt, in welche Richtungen sich Personen aus der gleichen Situation heraus entwickeln können.
Fazit:
SEA FOG hat alles was ein unterbewerteter Film braucht. Seine Herkunft und die fehlende Genreeinteilung machen das möglich. Das sollte aber niemanden aufhalten, ihn zu sehen.