Wer hat sich nicht schon mal gewünscht, jemand anderes zu sein?
Sei es, um die Welt als jemand anderes zu erleben, zu erfahren wie die Umwelt auf diese Person reagiert oder um Dinge herauszufinden, die im eigenen Körper nicht funktionieren.
Das Konzept ist cineastisch so beliebt, dass Bodyswitch-Filme ein eigenes kleines Subgenre bieten, das von Komödie (BIG), über Action (FACE/OFF) bis Horror (FREAKY) viel umfasst.
SPIRITWALKER, der 2021 auf dem Fantasy Filmfest läuft, fällt ebenfalls in dieses Subgenre, weist aber eine Besonderheit auf.
Story:
Ian wacht an einer Unfallstelle auf. Er ist verletzt und kann sich an nichts erinnern. Doch rasch findet er heraus, dass er sich nicht im eigenen Körper befindet.
Als wäre das nicht genug Konfusion für einen Tag, wechselt er bald erneut den Körper und erlebt die Welt plötzlich durch die Augen eines weiteren Mannes.
Doch das bietet auch einige Vorteile, denn wie er nach einer Weile herausfindet, switcht er exakt alle 12 Stunden und die Wirte stehen in einer Verbindung.
Als wäre einmal switchen nicht genug
Die Prämisse ist einmal mehr vielversprechend. Selbst wenn er „nur“ das Gedächtnis verloren hätte, hätte sich daraus eine anständige Geschichte formen lassen (wenngleich sich natürlich von MEMENTO über OXYGEN bis DIE BOURNE IDENTITÄT auch hier vergleichbare Werke finden). Selbst wenn er „nur“ einmal geswitcht wäre, hätte man noch immer etwas zu erzählen gehabt.
Aber die Kombination aus beidem plus das wiederholte Wechseln verleihen SPIRITWALKER ein Alleinstellungsmerkmal.
Gleichzeitig lädt der Film zum Überlegen ein, wie man selbst wohl mit der Situation umgeht, die dadurch nicht leichter wird, dass sich alles im Gangstermilieu abspielt und Ian oft die Menschen verkörpert, die ihm ans Leder wollen. Es mutet also mehr als skurril an, wenn er plötzlich genau den Körper des Typen übernimmt, der soeben noch sein Gegner war.
Das klingt verwirrend, ist es aber grundsätzlich nicht. Es mag vorkommen, dass man sich hier und da in einem Gesicht vertut, die Story ist aber gut nachvollziehbar.
Was jedoch überrascht ist das Tempo, das ab der zweiten Filmhälfte aufgebaut wird.
Ist Ian zunächst noch im Rätselmodus und versucht sich der neuen Realität anzupassen, während er Verbündete sucht (und in einem unbekannten Obdachlosen findet), legt SPIRITWALKER zunächst unmerklich aber dann im großen Stile Action nach, bis sich unser Held durch eine ganze Horde Gegner schießt und kämpft.
SPIRITWALKER tritt ab der Filmmitte aufs Gaspedal
Das überrascht zugegebenermaßen, denn nicht nur innerhalb des Films ist der Stilbruch da, auch im Kontext einer Fantasy Filmfest – Platzierung verwundert SPIRITWALKER mit dem aufgenommenen Tempo, das ihn in dieser Hinsicht nahe an FACE/OFF oder DIE BOURNE IDENTITÄT bringt. Der permanente Körpertausch bleibt zwar bestehen und Ian lernt aus der Not eine Tugend zu machen und das Switchen für seine (oft lebensnotwendigen) Vorteile einzusetzen, gleichzeitig verwandelt sich SPIRITWALKER aber in einen vergleichsweisen routinierten Actionthriller.
Nun kann man ihm daraus kaum einen Strick drehen, zumal er immer noch sauber in Szene gesetzt ist, ein klein wenig bleibt aber die Vermutung, dass Regisseur/ Autor Jae-Keun Yoon gut daran getan hätte, das 12-stündige Wechseln persönlicher zu gestalten, statt es in viel Ballerei untertauchen zu lassen.
Sei’s drum, SPIRITWALKER ist in jedem Fall ein weiterer unterhaltsamer Film aus Südkorea, der neben einer spannenden Ausgangslage auch genug Feuer und etwas Humor einsetzt.
Der Film ist so frisch, dass er noch nicht mal einen Trailer hat