Wenn ihr euch noch an den Höhepunkt der Found Footage – Welle erinnern könnt, seid ihr offiziell alt. THE BAY ist ebenfalls älter, entstand aber zu einem Zeitpunkt, als der Trend allmählich abflaute und zählt dennoch den sehenswerteren und ungewöhnlicheren Werken, weswegen er sich nach einem Jahrzehnt auf der Warteliste sein Review wirklich verdient hat.
Story:
Claridge, Maryland ist eine ruhige Kleinstadt an der Küste.
Die größte Aufregung des Jahres bietet das Krabbenfestival um den Nationalfeiertag am 4. Juli.
Doch genau an diesem Tag geschieht es, dass Menschen mit einem eigenartigen Ausschlag ins Krankenhaus eingeliefert werden, andere sich beim Krabbenwettessen reihenweise übergeben, Taucher im Wasser von etwas angegriffen werden und am Tag danach viele Einwohner von Claridge tot sind.
Es muss am Wasser liegen
THE BAY wird vorrangig aus den Augen der jungen Journalistin Donna erzählt, die am Tag des Geschehens in Claridge vor Ort war, streut aber jede Menge Material ein, das von den Behörden zwischenzeitlich konfisziert wurde. Privatvideos, Mitschnitte von Videotelefonie, Auto-Dashcams oder Überwachungskameras an öffentlichen Plätzen liefern das Bildmaterial.
Durch die Vielzahl der oft kleinen Videoschnipsel ist es anfangs nicht ganz einfach einer klaren Handlungslinie zu folgen. Andererseits tauchen rasch immer wieder bekannte Gesichter auf, wie das des Bürgermeisters, von Ärzten und Wissenschaftlern und eben Donna.
THE BAY ist Ökohorror für die Generation FF
Die zunehmend bedrohlicher erscheinenden Ereignisse ereignen sich überall in der Stadt, aber die Protagonisten sorgen dafür, dass man als Zuschauer den Überblick behält. Während die Geschehnisse für die Stadtbewohner Chaos ausstrahlen, behält man als Zuschauer einen Überblick, was auch daran liegt, dass die Story ziemlich straight vorgetragen wird.

Man könnte sogar sagen, dass die Geschichte wenig neues bietet und das präsentiert, was nahezu jeder Öko-Horror mitbringt: eine menschengemachte Katastrophe, bei der sich die Natur rächt.
Auch das Verhalten der Figuren ist bekannt. So wie der Bürgermeister von Amity Island am 4. Juli den Strand nicht sperren wollte, obwohl dort DER WEISSE HAI sein Unwesen trieb, will auch der Bürgermeister in Claridge am 4. Juli keine Vernunft annehmen.
Trotz dieser Elemente wirkt THE BAY aufgrund seines Mockumentary- / Found Footage- Stils frisch und schafft es Bekanntes neu aussehen zu lassen.
Ok, auch dieser Streifen krankt stellenweise an Kameraeinstellungen, die keinen Sinn ergeben oder fragwürdigen „ich geh mal schnell alleine weg“-Entscheidungen, das hält sich aber im Rahmen.
Es hilft auch, mit Barry Levinson einen echten Profi als Autor und Regisseur dabei zu haben, der in den 80ern und 90ern deutlich größere Produktionen leitete und mit RAIN MAN einen Oscar gewann.
Levinson war es auch, der sich eine Doku über die (reale) Chesapeake Bay ansah, an der das (fiktive) Claridge liegt. Durch Überfischung und Abwässer wurden dort einst riesige Fischbestände dezimiert.
Eigentlich sollte Levinson eine weitere Doku zum gleichen Thema drehen, entschied dann aber, dass ein Film wie THE BAY mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde.
Zwar bedeutet das, dass (Achtung Spoiler) die Parasiten, die über Fische und andere Meeresbewohner wieder zum Problem für die Menschen werden, in dieser Form nicht existieren, andererseits mutet THE BAY trotz Body-Horror und Gruselparts unangenehm real an und man muss kein Professor für Meeresbiologie sein, um nachzuvollziehen, dass es den Wasserbewohnern schadet, wenn wie im Film massenweise Steroide in die Bucht geleitet werden.
Daher kann man THE BAY unter dem immer-aktuellen Aspekt Umweltschutz sehen, man kann aber auch einfach den Horror genießen, der sich im Laufe des Tages ausbreitet. Man kann sogar die Machenschaften der Regierung anzweifeln, die hier für Verschwiegenheit sorgt.
So oder so fällt der Film weder durch nervige Figuren, noch durch maßloses Kameragewackel auf, die das Found Footage – Genre irgendwann strapazierten, sondern besitzt auch deswegen eine bedrohliche Stimmung, weil die „Monster“ im Film kein Godzilla-artiges Wesen ist, sondern parasitäre Meeresasseln….und die sind nicht erfunden.









