Review: TITANE (2021)

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BEWERTUNGEN:
Redaktion: 7.0

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7.3/10 (3)

Darsteller: Agathe Rousselle, Vincent Lindon, Garance Marillier
Regie: Julia Ducournau
Drehbuch: Julia Ducournau, Jacques Akchoti, Simonetta Greggio
Länge: 104 min
Land: ,
Genre: , ,
Veröffentlichung: 13. Januar 2022 (VOD); 27. Januar 2020 (DVD. BD, Steelbook)
Verleih/ Vertrieb: Koch Media
FSK: ab 16

Wenn RAW-Schöpferin Julia Ducournau einen Film dreht, der ihr die Goldene Palme der Filmfestspiele von Cannes einbringt, sind kontroverse Meinungen vorprogrammiert.
Und TITANE bietet einiges, worüber es sich zu zoffen lohnt….

Story:
Im Kindesalter erlitt Alexia bei einem Autounfall eine Kopfverletzung, nach dem ihr eine Titanplatte im Kopf implantiert werden musste.
Als junge Erwachsene arbeitet sie als Gogo-Tänzerin in einem Club für Autofans. Das männliche Publikum ist oft aufdringlich und als ein Verehrer zu weit geht, tötet Alexia ihn. Doch dies bleibt nicht ihr letzter Mord und als sie vor der Polizei fliehen muss, gibt sie sich als den seit langer Zeit vermissten Sohn eines Feuerwehrkommandanten aus.

(Bevor wir fortfahren: TITANE ist ein Film, der immer wieder überrascht, weswegen man besser nicht zu viel weiß.)

TITANE ist der Stoff, aus dem Kontroversen sind

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Was bis hierhin nach dem Stoff eines relativ normalen Horrorfilms klingt, gerät spätestens dann aus den Fugen, wenn Alexia, nachdem sie den ersten Mann tötet, Sex in einem Auto hat….und zwar ganz offensichtlich MIT dem Auto. Damit nicht genug, ist sie daraufhin unerwarteterweise schwanger. Das allein wäre schon ein Problem, wenn man sich als junger Mann ausgeben will, doch dies ist keine gewöhnliche Schwangerschaft und als sie selbst versucht mit einer Haarnadel, die mehrfach prominent in Szene gesetzt wird, einen Schwangerschaftsabbruch zu erzwingen, gleicht ihr Blut plötzlich Öl und  Abwischen der Nadel dem Messen des Ölstands beim PKW.

Obwohl hier Autos immer wieder eine Rolle spielen, werden Fans von FAST & THE FURIOUS und Bastler von aufgemotzten Kleinwagen an dieser ARTE-Produktion keine Freude haben, aber auch versnobbte Feuilleton-Leser könnten in Erklärungsnot kommen, wenn sie TITANE ergründen wollen.

Verwirrung dürfte auch bei der Frage auftreten, ob man den hier einen Horror-, einen Kunstfilm oder ein Drama sieht. Die Antwort kann nur Ja lauten oder anders ausgedrückt: wenn du jemanden brauchst, der dir Filme in ein Genre steckt, lass die Finger von TITANE!

Was TITANE zudem eindeutig fehlt, ist eine Identifikationsfigur. Aus Alexia schlau zu werden, scheint ihr selbst nicht zu gelingen und das was wir über sie erfahren, ist selten sympathisch.
Der einzige andere Charakter, den uns der Film näherbringt, ist Feuerwehrkommandant Vincent, der sich einmal selbst als Gott bezeichnet, mit dem Altern hadert und offenbar trotz der permanenten Gegenwart seines rein männlichen Teams so einsam ist, dass er Alexia, die sich bald Damien nennt, auch dann annimmt, als ihm klar wird, dass sie weder sein Sohn noch ein Mann ist. titane kritik

Wie RAW darf man auch TITANE als Coming-of-Age-Film sehen, während ersterer aber mehr die Adoleszenz der Hauptfigur abdeckte, widmet sich TITANE auch Themen wie dem Mutterwerden.
Gemeinsam haben die Werke, dass die weiblichen Protagonistinnen auf der Suche nach ihrer Identität sind, die sie am denkbar entferntesten Punkt des Spektrums finden.
So wurde in RAW aus einer Veganerin eine Kannibalin und hier zeigt Alexia, die wir zunächst als feuchten Männertraum kennenlernen, nicht nur sexuelles Interesse für Frauen und Autos, sondern wechselt – wenn auch aus der Not geboren – ihr Geschlecht und findet an einem Ort Erlösung, der auf den ersten Blick nach toxischer Männlichkeit schreit.

Zeitgenössisch aber ohne Antworten

titane 2022
Dabei überrascht der Film aber auch immer wieder und bricht mit Konventionen. Wenn Vincent mit seinem (vermeintlichen) Sohn tanzt, wirkt das in jener Männerwelt, wo man zwar halbnackte Partys feiert und die gestählten Körper zur Schau stellt, sich andererseits aber homophober Abgrenzungen bedient, um die eigene Heterosexualität zu betonen, befremdlich.
Zu Alexia/Damien passt, dass Schauspielerin Agathe Rousselle als nichtbinär gilt und auch darüber hinaus ein paar Einträge ihres Lebenslaufs ihrer Rolle entsprechen.
In die andauernde Geschlechterdiskussion unserer Zeit fügt sich ein solcher Film daher allemal ein, auch wenn er wenige Antworten liefert und auch mit Moral spart.

Wer sich wundert, weswegen sich dieses Review seit einigen Absätzen um Geschlechterrollen, Sexualität (übrigens ist der Film so wenig prüde, wie man das von einem französischen Streifen erwartet) und Identität dreht: das spiegelt in etwa den Verlauf von TITANE wider, der mit einigen derben Gewaltszenen ins Haus fällt, dann aber komplett auf Figuren baut.
Und dennoch ist der Begriff Bodyhorror in Bezug auf Alexias ungewöhnliche Schwangerschaft allemal angemessen.
Einige Parallelen zu David Cronenbergs CRASH sind zudem gegeben und vielleicht fühlt man sich auch entfernt an TETSUO: THE IRON MAN erinnert.

Fazit:
TITANE ist kein Film, den man für die pure und leichte Unterhaltung schaut, sondern schräges Arthousekino an dem sich natürlich die Geister scheiden können.

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