Gerade einmal 16 Jahre nach THE STRANGERS erscheint das Remake THE STRANGERS: CHAPTER 1. Das ist kein Rekord, bei den CABIN FEVER -Filmen lagen nur 14 Jahre dazwischen, aber was das mit dem Remake sollte, ist uns noch immer ein Rätsel.
Die meisten Neuverfilmungen, die so dicht beim Original liegen, haben den Hintergrund, dass man dem ausländischen Film eine US-Version verpassen will.
Der Titel THE STRANGERS: CHAPTER 1 deutet es hingegen schon an: dies ist erst der Anfang. Gleich drei neue Filme wurden in einem Rutsch geschossen. Der erste ist als straightes Remake gedacht, aber die nächsten beiden sollen die Geschichte fortführen.
Vielleicht wäre es also richtig mit einer Bewertung zu warten, bis die Trilogie komplett ist, aber wenn im Restaurant die Vorspeise versalzen ist, wartest du auch nicht bis zum Dessert, bevor du ein ernstes Wort mit dem Koch sprichst.
Wovon handelt THE STRANGERS: CHAPTER 1?
Maya und Ryan sind auf einem Roadtrip durch die USA, um ihre fünfjährige Beziehung zu feiern. Doch in einer Kleinstadt des ländlichen Oregon gibt ihr Auto den Geist auf. Obwohl die Bewohner des Städtchens seltsam zu sein scheinen, lässt man das junge Paar in einem gemütlichen Haus übernachten. Aber dann klopft es an der Tür und was zunächst eine Verwechslung zu sein scheint, wird schnell zu einem Alptraum. Maya und Ryan werden von drei maskierten Eindringlingen terrorisiert, die ein grausames Katz- und Maus-Spiel mit ihnen spielen wollen.
THE STRANGERS von 2008 war kein perfekter Film. Liv Tyler und Scott Speedman werden vermutlich nie einen Oscar gewinnen, wer ein ernsthaftes Warum erwartete, wurde enttäuscht und die zweite Filmhälfte war dank einiger Klischees und Bösewichten, die auch Schusswaffen nicht fürchten, schwächer als die erste.
Aber damit hier keine Missverständnisse entstehen: THE STRANGERS ist einer der besseren Home Invasion-Filme. Er ist anständig gespielt, das Paar hat eine Chemie, trotz des ungewöhnlichen Aufhängers, dass er ihr gerade einen Heiratsantrag machte, den sie ablehnte. Man spürt die angespannte Stimmung zwischen den beiden, obwohl sie auf den ersten Blick wenig zu den Ereignissen dieser Nacht beiträgt.
Das Bild weist scharfe Kontraste auf und man hat den Eindruck, dass die dunklen Ecken des Hauses WIRKLICH dunkel sind. Zudem entstand er in einer Zeit, in der man keine Gefangenen machte und auch wenn es deutlich härtere Filme gibt, wird nicht herumgealbert.
Viele Wege führen nach nirgendwo
[schwerer Seufzer]
Und dann ist da THE STRANGERS: CHAPTER 1, dessen Problem es ist, dass er seinem Vorbild nichts hinzufügen kann. Er behält allerdings markante Elemente und platziert sie teils anders. Die Mormonen, die im Original auf ihren Fahrrädern am Tatort auftauchen, erhalten erneut einen Kurzauftritt. Der Plattenspieler ist da, natürlich die gute alte Frage, ob denn Tamara da sei und die Masken der Eindringlinge sehen kaum anders aus als 2008.
Auch schleichen die Bösewichte im Haus herum, bevor sie sich offenbaren. Aber wo man sich 2008 in einer der schattigen Ecke aufhielt, sehen wir 2024 (kleiner Spoiler) einen der Eindringlinge in einem Spiegel in einem Schaukelstuhl sitzen, während Maya direkt davor Klavier spielt.
Erstens, hast du dich je geräuschlos in einen alten Holzschaukelstuhl gesetzt?
Zweitens, auch wenn uns Horrorfilme etwas anderes erzählen wollen, nimmt jeder mit gesunder Sehkraft Bewegungen am Rand des Sichtfelds wahr.
Ja, die Szene ist schon creepy und man muss nicht jede Kleinigkeit auf die Goldwaage werfen, aber der Film steckt voller Quatsch.
Dringend zu erwähnen sind beim Stichwort Quatsch auch die Dorfbewohner. Wenn unser Paar das örtliche Diner betritt, drehen sich alle Köpfe nach ihnen um. Kaum zu glauben, dass man das 2024 noch bringt, ohne sich zu schämen. Warum nicht gleich mit kratzender Schallplatte und plötzlicher Stille?
Der nächste Schock folgt, als sich Maya als Vegetarierin zu erkennen gibt (das wird später sogar noch ein zweites Mal aufgegriffen) und als sich die beiden als unverheiratet outen, sind die Kleinstädter wohl schon bereit den Scheiterhaufen aufzustellen.
Im Horrorfilm ist es natürlich nicht neu, dass Großstädter auf Landeier oder fortschrittliche Menschen auf konservative Werte prallen, aber das letzte Mal hat man das in dieser Plumpheit in TEXAS CHAINSAW MASSACRE (2022) versucht.
Die Vergleichbarkeit schmeichelt THE STRANGERS: CHAPTER 1 nicht
Und hier ist es obendrein inkonsequent, denn entgegen dem, was uns der Film denken lassen will, bläst er mehrfach eine nicht vorhandene Bedrohung auf und lässt gleich darauf die Luft raus, da sich die Einheimischen als recht hilfsbereite Menschen entpuppen.
Warum das in diesem Review überhaupt erwähnenswert ist? Die Frage ist eher, warum all das im Film stattfindet, aber nirgendwo hinführt. Nennt mich einen Spoiler-Trottel, aber ich verrate euch jetzt, dass nichts, was diese ach-so-finster-dreinschauenden Kleinstädter tun, von Bedeutung ist.
Regie bei THE STRANGERS: CHAPTER 1 und auch den beiden folgenden Kapiteln führte Renny Harlin. Der Routinier ist seit den 80ern im Business, drehte von NIGHTMARE 4 über STIRB LANGSAM 2 oder CLIFFHANGER bis zu DEEP BLUE SEA viel Action, Horror oder Horroraction, wirkte aber gerade in den letzten 20 Jahren oft wie ein Söldner, der zwar weiß wie es geht, aber nicht viel Leidenschaft einbringt. Und während ein paar seiner alten Filme einen gewissen Kultstatus genießen, bringen sie trotz teils großem Budget oft einen B-Charme mit.
THE STRANGERS: CHAPTER 1 ist ein Mischmasch aus allem, nämlich ein uninspirierter Streifen, der etliche Stereotype abarbeitet.
Dafür ist allerdings nicht Harlin alleine verantwortlich, sondern auch seine beiden Autoren, deren Lebenslauf alles nur kein Horror beinhaltet und die ganz augenscheinlich zwei „hired guns“ sind, die vom Genre keine Ahnung haben.
THE STRANGERS: CHAPTER 1 ist auch für sich kein guter Film, dass er sich aber nun mal extrem vergleichbar macht, tut ihm keinen Gefallen. Es gibt keinen Aspekt, in dem er dem Original überlegen wäre. Stattdessen werden dessen Qualitäten vernachlässigt, unwichtige Details daraus anderweitig verramscht, Schwächen (wie die Superheldenfähigkeit der Widersacher, scheinbar überall auftauchen zu können) beibehalten und immer dann, wenn er etwas anders machen will, wirkt das peinlich.
Fazit zu THE STRANGERS: CHAPTER 1
Ich schrieb oben, dass THE STRANGERS kein perfekter Film sei. Nachdem „Genuss“ von THE STRANGERS: CHAPTER 1 zeigt sich aber, wie gut er doch ist und was man alles falsch machen kann.
Hier kannst du THE STRANGERS: CHAPTER 1 ansehen
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