DER RABE / THE RAVEN von Edgar Allan Poe

The_Raven Der_Rabe

Es ist eines der großen amerikanischen Gedichte, das wohl berühmteste Horror-Gedicht aller Zeiten und mehr als 160 Jahre alt.
Edgar Allan Poes DER RABE oder eben im Original THE RAVEN ist der Stoff, der Lyriker und Schulklassen beschäftigt, nahtlos von zeitgenössiger Kunst direkt (DEAD ZONE) oder indirekt (THE CROW) zitiert wird und selbst bei den Simpsons Erwähnung fand.

Die Chancen stehen also gut, dass man DER RABE schon einmal begegnet ist (wer seine Erinnerung auffrischen möchte, findet am Ende des Artikels Links zum Gedicht).
Doch worum geht es eigentlich?
Kurz: um Tod….Tod, Liebe, Verlust und Trauer, doch die Geschichte erklärt sich nicht komplett von selbst, das Englisch ist alt und die Übersetzungen zeigen allesamt kleinere Verluste.
Wer sich aber die Mühe macht, sich mit den 18 Strophen auseinanderzusetzen, wird feststellen, dass der Grusel womöglich keinen großen Schrecken mehr verbreitet, die emotionale Finsternis aber unbeschreiblich ist.

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Once upon a midnight dreary…

Das Gedicht beginnt mit einem Erzähler, der im Dezember zu mitternächtlicher Stunde Bücher wälzt.
Die im Englischen einleitenden Worte „Once upon a…“, erinnern an das Äquivalent zu „Es war einmal…“, doch der märchenhafte Eindruck verfliegt schnell.
Mitternacht sagt uns nicht nur, dass es spät sein muss, es ist natürlich auch Geisterstunde und zusätzlich wird angedeutet, dass er keine alltägliche Lektüre liest, sondern im Gegenteil: „lang vergessne Lehr“
Man kann nur erahnen, um was es sich dabei handeln könnte und während es nicht entscheidend ist, ließe sich sogar unterstellen, dass er mit diesem Wissen der (besonderen) Bücher auch etwas beschwört.
Es ist aber auch die Rede von Trost, den er aus den Büchern borgen will. Somit ist nicht ganz klar, ob er nach Antworten oder nur Zerstreuung sucht.

Warum? Das wird in Vers zwei das erste Mal angedeutet. Der Erzähler hat seine geliebte Lenor verloren und trauert um sie. Auch scheint es keine normale Trennung, die immer einen Hauch Hoffnung auf Wiedersehen lässt. Dass die Geliebte verstarb, stellt der Satz „ob Lenor‘, die ich verloren, bei den Engeln selig wär‘ – bei den Engeln – hier nicht mehr“ klar.
Dieser morbiden Stimmung ausgesetzt, ist es kein Wunder, dass er ob des Pochens an der Tür erschrickt.
Er wechselt nun einige Male zwischen rationalen Gedanken, dass es sich offenbar um einen gewöhnlichen Besucher handeln muss und Gedanken, die sowohl voll übernatürlicher Angst, als auch einer gewissen Hoffnung sind, dass es sich bei dem Pochen um die Rückkehr von Lenor handeln könnte.The_Raven_Poe

Tief ins Dunkel späht‘ ich lange, zweifelnd, wieder seltsam bange…

Interessant ist hierbei der Moment, als er Lenors Namen flüstert, aber ein Echo hört. Wer ist es, der ihm dort in der Dunkelheit antwortet?
Der nächtliche Besucher ist zumindest ein unerwartetes Geschöpf und ein Rabe fliegt in den Raum.
Der Erzähler ist verwundert, lacht aber zunächst über den Raben, bis er ihn nach seinem Namen fragt und er „Nevermore /Nimmermehr“ antwortet.
Dies ist aber nicht nur ein Name, der Düsternis verspricht, sondern auch die einzige Antwort, die er auf JEDE Frage gibt.
Obwohl der Erzähler weiß, was die Antwort sein wird, fragt er ihn immer wieder, womit die Frage gewissermaßen zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung wird.
Allerdings verhält er sich so, als wäre er jedes Mal von der Antwort erstaunt, er wird wütend, denn seine Fragen, die stets hoffnungsvoll sind, werden jäh enttäuscht.

Was er möchte ist klar, eines Tages wieder mit Lenor zusammensein. Entweder im Dieseits oder zumindest im Jenseits, doch der Rabe macht diese Hoffnung, die nicht zuletzt auch viele Religionen antreibt, zunichte.
Er fragt, ob er sie in Eden / Aidenn wiedersehen wird, aber selbst das wird ihm -wenn man dem Raben glauben kann – verwehrt.

Aber kann man ihm glauben? Poe lässt uns im Unklaren, ob der Rabe wissentlich oder doch nur zufällig antwortet. In gewisser Weise sagt das aber auch etwas darüber aus, wie verzweifelt der Erzähler, der sein Schicksal in die Hände eines Raben legt, sein muss.
The_Raven once upon

Morgen wird er mich verlassen, wie mein Glück – ohn‘ Wiederkehr

Wer ist der Erzähler eigentlich?
Dass es sich um einen trauernden, verzweifelten Mann mit instabiler Psyche und vielen Fragen handelt ist deutlich. Darüber hinaus scheint er gebildet und wohlhabend zu sein. Er liest. Nicht gerade das was ein Bauer im 19. Jahrhundert tun würde und besitzt eine Pallasbüste, für die über der Türe Platz ist. Sicher kein Zeichen für ausgesprochene Armut.
Der Mann scheint religiös, was wiederum für die Zeit normal ist.
Neben dem schon erwähnten Eden, werden auch Gott und Teufel genannt, außerdem Gilead, ein wenig bekannter biblischer Ort. Den (heilenden) Balsam, den er dort finden will, wird ihm aber natürlich abermals verweigert.

Auf der anderen Seite steht der Rabe, der nachts bei ihm eindringt. Eine ungewöhnliche Zeit für Raben. Natürlich kam diesen Vögeln schon allerlei Bedeutung zu, auch gibt es bereits eine biblische Geschichte. Noah ließ Raben ausfliegen, um zu sehen, ob die Flut vorbei wäre, aber sie brachten schlechte Botschaften.
Auch der Erzähler assoziiert den nächtlichen Besucher mit etwas Schlechtem. Er spricht von „plutonian shore“ oder „Plutos nächt’ger Sphär“. Pluto war der Gott der Unterwelt.
Der Rabe fliegt zielsicher zur Pallasbüste. Er fliegt nicht umher, sondern landet dort und bleibt bis zum Ende des Gedichts.
On the morrow he will leave me, as my Hopes have flown before.” Then the bird said “Nevermore.”der rabe

Pallas war die griechische Göttin der Weisheit. Nun sitzt auf der Weisheit ein Geschöpf der Dunkelheit, was nicht nur ein Sinnbild ist. Fast unmittelbar verfällt der Erzähler dem Irrsinn. Er träumt von Engeln und verzweifelt zunehmend.
Interessanterweise erwähnt er in Vers 11, dass der Rabe das Wort Nimmermehr von einem unglücksseligen Meister aufschnappte, der kurz darauf im Desaster endete…also genau das, was ihm selbst widerfahren wird.
Als er erkennt, dass der Rabe ihm nicht helfen kann, will er ihn loswerden, aber auch das misslingt. Entweder weil der Rabe ihn schlichtweg nicht versteht, ihm nicht gehorcht oder weil das was der Rabe symbolisiert, nicht einfach wieder geht.

Was das ist, ist nicht eindeutig.
In der Illustration von Dore liegt der Erzähler am Ende am Boden und die Vermutung, dass er selbst tot ist, ist naheliegend. Allerdings wird sein Tod im Gedicht weder direkt, noch indirekt angesprochen.
Vielmehr liegt der Schatten, der zunächst die Pallasbüste (Weisheit) bedeckte nun auch über dem Erzähler. Seine Seele kann sich daraus nicht erheben, was zumindest dem widerspricht, was man sich beim Tod vorstellt.
Er scheint eher in einer Zwischenwelt gefangen. Nicht mehr im Dieseits, aber entfernt vom Jenseits, von dem er hoffte, die verlorene Lenor wiederzutreffen.
Der Erzähler, dessen einziger Trost und Hoffnung, mit dem Tod der geliebten Lenor abzuschließen, darauf fußte, dass er sie einst im Paradies wiedersehen werde, wurde durch den Raben vernichtet. Ihm bleibt nichts anderes, als dem Wahnsinn zu verfallen.

Quoth the Raven “Nevermore.

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Hier findet ihr das Gedicht auf Deutsch (es existieren verschiedene Übersetzungen)
Hier auf Englisch

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