Es ist Freitag der 13., als in Greenlawn, Indiana die Hölle auf Erden losbricht. Zunächst beobachtet Louis Shears, wie Männer einen Jungen mit einem Baseballschläger tödlich verletzen, wird dann von dem sterbenden Kind angegriffen und die herbeigerufenen Cops reagieren alles andere als angemessen. Schnell häufen sich die Vorfälle, die immer brutaler werden und rasch in einem Chaos münden, das sich über das ganze Land auszubreiten scheint.
Man kann wahrlich nicht sagen, dass Autor Tim Curran vorsichtig zu Werke geht oder auch nur Zeit verschwendet, bevor er zum großen Aderlass bittet. Ab Seite 1 geht er in die Vollen, verzichtet auf langes Vorstellen, tiefe Charaktere und anderen Schnickschnack.
In Windeseile bricht die Zivilisation wie wir sie kennen zusammen und der Großteil der Menschen beschreitet eine Regression, die ihn auf einfache Bedürfnisse beschränkt und dazu gehört vor allem anderen Leid zuzufügen. Der Zerfall der Menschlichkeit führt zur Rudelbildung, die auf alle anderen Jagd machen und dabei brutal schlachten, vergewaltigen und nicht einmal vor Kannibalismus zurückschrecken.
Man könnte die Thematik mit etwas Schwung in die Schublade der Zombieapokalypse schieben, liegt damit aber nicht ganz richtig, da die Regressiven sich scheinbar ohne Grund oder Infektion zurückentwickeln und keine völlig gehirnlosen wankenden Untoten sind, sondern eher eine Art Frühmensch, dem Raubtier nahe und einer vergleichbaren Intelligenz ausgestattet.
Sie markieren ihr Revier mit Urin, laufen nackt herum und sammeln als Jagdtrophäe Ohren und Skalps.
Jack Ketchum-Leser werden sich stellenweise an den wilden Stamm aus BEUTEZEIT / BEUTEGIER erinnert fühlen, doch wo Ketchum hin und wieder vom Gas ging, bremst Curran nur im Notfall, etwa dann, wenn Louis‘ Nachbar, ein Anthropologe, versucht die Situation zu erklären.
Was der Mann sagt klingt vernünftig, versinkt leider aber etwas in der Gewalt, die wirklich in jedem Kapitel stattfindet und es gibt kaum eine Brutalität, die Curran auslässt. Nach 2/3 des rund 400 Seiten starken Buches ist man derart übersättigt an einander ähnlichen Verbrechen, dass man sich nach etwas Abwechslung sehnt, die aber nie kommt. Man kann nicht einmal sagen, dass dies selbstgefällig wäre, trotzdem fühlt man sich an das Zitat Stalins erinnert: „Der Tod eines einzelnen Mannes ist eine Tragödie, aber der Tod von Millionen nur eine Statistik.“
Wir lernen eine Unmenge Leute kennen, die teilweise noch in der gleichen Szene ermordet werden und dadurch letztlich austauschbar sind. Sicher, ein eingeschlagener Schädel oder ein aufgeschlitzter Bauch beeindrucken, Mitgefühl mit den Figuren lässt sich so aber nicht aufbauen.
Tim Curran hat einen angenehmen Schreibstil, ein großer Literat ging an ihm aber nicht verloren und aufgrund der immer gleichen Gräueltaten bleiben Wiederholungen in der Wortwahl nicht aus und manche Kapitel könnten gar ein Duplikat eines anderen sein.
Die Entwicklung von seltsamen Verhalten, über einzelne Gewalttaten bis hin zum totalen, alles einnehmenden Chaos wird gut beschrieben, man muss sich aber unter anderem fragen, ob eine Welt, die das pure Überleben das Stärkeren vorgibt, das Dasein von körperlich unterlegenen Frauen nicht auf den Zustand vor Alice Schwarzer zurücksetzen würde, statt sie als Anführerin zu sehen.
Frei nach einem weiteren Zitat: Erst wenn der letzte Mann ausgeweidet, die letzte Frau vergewaltigt und das letzte Kind geröstet ist, werdet ihr erkennen, dass 400 Seiten Gore ohne gute Story recht öde sein können.
Schade, denn gute Ansätze lassen sich vor allem in der ersten Hälfte erkennen.
4,5 von 10 Sternen