Special: Die Lügen der Filmfestivals

die lügen der filmfestivals

Seid ihr beeindruckt, wenn ein Filmposter 15 Lorbeerkränze auf dem Cover hat und damit wirbt auf welchen Festivals er bereits ausgezeichnet wurde?
VORSICHT!

Wir haben das Thema bereits in unserem „Die Lügen der Cover“-Special kurz angerissen, aber es ist weit kniffliger und doch erschreckend einfach.
Am Ende gibt es dabei einige Gewinner… und einen Verlierer, nämlich dich als zahlenden Filmfan.

Dass Erfolg zu einem gewissen Grad käuflich ist, ist kein Geheimnis. Mit einem größeren Budget kann ich mir für meinen Film bekanntere Schauspieler, mehr Drehtage, einen besseren Regisseur und größere Effekte leisten. Ich kann aber auch so weit gehen auf jedes Budget zu verzichten und meinen Film an alle erdenklichen Filmfestivals schicken, in der Hoffnung, dass man mich dort prämiert.
Nun werdet ihr euch fragen, warum man das tun sollte? Warum sollte ein Festival einem Kackfilm einen Preis verleihen?
Weil es ein lukratives Geschäft sein kann.

Wenn zwei sich belügen, ärgert sich der Dritte

Über die Festivalszene muss man zunächst wissen, dass weltweit wahnsinnig viele Events aktiv sind. Ihr habt es vielleicht mitbekommen, wir selbst haben seit letztem Jahr ein kleines Online-Festival und gehen sowohl selbst auf die Suche nach interessanten Filmemachern, haben aber auch eine Seite auf Filmfreeway.com eingerichtet.
Auf Filmfreeway sind im Moment über 10.000 Festivals gelistet. Im Grunde eine schöne Sache, denn die einen haben einen Film, den sie gerne zeigen wollen, die anderen einen Ort, wo er gezeigt werden kann. Man findet dort kleine Events, die im ersten Jahr am Start sind, aber auch das renommierte Sundance, das Toronto International Film Festival oder das Fantasy Filmfest.
Wer sich bewerben will, zahlt meist eine Gebühr. Die liegt zwischen ein paar Dollar (das Thrill & Kill – Festival nimmt dreiste 5 bis 6 $) bis zu dreistelligen Beträgen.
Man kann sich ausmalen, dass man als Festival davon nicht reich wird, wenn man das einmal im Jahr macht, Filmfreeway auch noch einen Teil für sich beansprucht und vielen geht es auch nicht darum.filmfreeway logo hires white - Thrillandkill (Horrorfilme und Thriller)

Aber einige dieser Veranstaltungen finden monatlich statt und haben bis zu 50 Rubriken. Wenn sich nur ein Film pro Rubrik bewirbt (was eine vorsichtige Schätzung ist), sind das bei (weitere vorsichtige Schätzung) 10 $ pro Film 500 $ im Monat. In Deutschland allemal ein netter Nebenverdienst, nimmt man aber mal als Vergleich Indien, wo es eine ganze Reihe dieser Festivals gibt, ein stattliches Einkommen. Das Pro-Kopf-Einkommen in Indien liegt bei ca. 6.400 $ (zum Vergleich: in Deutschland bei ca. 55.000 $). Da ist ein solches Festival schon mal rentabel.

Nur mal als Beispiel, die Kategorien beim Tagore Festival (es sind 44, bei den Oscars gibt es 23):
Best Director, Best Young Filmmaker (under 18), Best Debut Filmmaker, Best Cinematography, Best Editing, Best Sound Designing, Best Actor, Best Actress, Best Supporting Actor, Best Supporting Actress, Best Narrative Feature, Best Documentary Film, Best Experimental Film, Best Short Film, Best Student Film, Best VR/AR and 360º Film, Best Drone Film, Best Web and New Media Film, Best Mobile Film, Best Horror/Science Fiction Feature Film, Best Women’s Film, Best Film on Women, Best LGBT Film, Best Animated Film, Best Family/Children Film, Best Educational Film, Best Film on Disability Issue, Best Film on Religion, Best Film on Nature/Environment/Wildlife, Best Travel Film, Best Silent Film, Best One Minute Film, Best Postmodern Film, Best Free Speech Film, Best Television/Pilot Program or Series, Best Commercial/Advertisement,
Best Music Video, Best Film Score/Soundtrack, Best Trailer/Teaser, Best Film/Video Poster, Best Photography, Best Treatment/ Synopsis, Best Short Script, Best Feature Script

Zumal theoretisch keiner was dafür tun muss, nicht einmal die Filme sichten.
Wie wir das meinen?
Sagen wir mal so: wer in Westeuropa fährt denn persönlich nach Indien, Bangladesch oder Kirgistan, um zu prüfen, ob sein Film dort gezeigt wird oder hinterm Haus in der Tonne liegt?

die lügen der festivals

„Deinen Film haben wir erhalten…er hat uns sehr gut gefallen.“

Werfen wir nur einen Blick auf den Zeitrahmen des Athvikvaruni International Film Festival, das mit stolzen 42 Kategorien aufwartet, fällt auf, dass die letzte Deadline nur einen Tag vor der Mitteilung an die Teilnehmer ist. Es bleibt also nur ein Tag Zeit die zuletzt eingetroffenen Filme zu sichten, zu entscheiden wer Gewinner ist und die Teilnehmer zu benachrichtigen. Ganz schön anspruchsvoll für ein Festival, dass es erst seit diesem Jahr gibt…zumal die Filme schon einen weiteren Tag später gezeigt werden müssen.
Ist da was faul? Beantwortet euch die Frage selbst.

lies of filmfestivals deadline - Thrillandkill (Horrorfilme und Thriller)

Nein, nicht jedes uns unbekannte Event wird von Betrügern betrieben, aber es ist teilweise durchaus erstaunlich, welche Werke ausgezeichnet werden, während wir unter unseren Bewerbern starke Beiträge aussortieren mussten.
Aber sei es drum, offenbar gibt es Filme, die zwar auf KEINEM EINEN bekannten Festival Fuß fassen, aber am Ende der Welt (das ist nicht geographisch gemeint) 200 Preise abräumen.

Wenn Sieger zahlen müssen

Wie erwähnt, bis hierhin gibt es immerhin zwei Gewinner. Das Festival, das sich über Geld und der Filmemacher, der sich über eine Auszeichnung freut.
Aber auch dieses Gleichgewicht gerät ins Wanken, denn viele Festivals verleihen nicht nur hübsche Urkunden (wie wir übrigens auch), sondern auch schicke Pokale.
„Das ist aber nett“, möchte man rufen und die Hardware in die Höhe reißen wie nach einer gewonnenen Fußball-WM….nur dass der Pokal hier kostet!
Man stelle sich vor Franz Beckenbauer hätte 1974 zuerst zur Bank laufen müssen, bevor er den FIFA-WM-Pokal küssen durfte. Genau das ist aber in der Festivalbranche oft der Fall. Man zahlt also nicht nur, um überhaupt dabei sein zu können, man darf auch erneut zahlen, wenn man gewonnen hat.

die luegen der filmfestivals - Thrillandkill (Horrorfilme und Thriller)

„Du hast gewonnen, das macht dann 100$.“

Bei den anfallenden Kosten bewegt man sich dann nicht etwa im Selbstkostenbereich (Standardpokale sind schon für weniger als 20€ zu haben), sondern bei zusätzlichen Kosten, die deutlich überzogen wirken und im dreistelligen Bereich liegen können. Natürlich muss niemand diese edlen Prämien erwerben, aber wer kann es einem Filmemacher verdenken, dass der sich gerne die Auszeichnung „Official Selection“ des Alibag Short Film Festival in die Vitrine heben will?

Das hinterlässt einen faden Beigeschmack, als würdest du Sex im Bordell auf Vorkasse buchen, die Prostituierte den vereinbarten Termin aber platzen lässt und dir gegen 50€ Aufpreis trotzdem versichert, dass sie den besten Sex ihres Lebens hatte.

die luegen der filmfestivals 2 - Thrillandkill (Horrorfilme und Thriller)

Für 370$ sollte die Trophäe des MOC Festivals besser aus purem Gold sein

Und weils immer noch dreister geht und sich immer ein Dummer findet:
Zwischen 30 und 40$ wird euer Film auch noch reviewt. Wo dieses Review veröffentlicht wird, steht nicht dabei, vielleicht auch gar nicht, aber sicher ist es das Geld wert.
Übrigens: falls ihr mal einen Film fertig habt, bei uns sind Reviews kostenlos und unvoreingenommen, nicht nur beim Festival.

the lies of film festivals

Sollte man daher alle Filmfestivals meiden? Himmel nein, weder als Fan, noch als Filmschaffender, denn es gibt dort viel zu entdecken und die meisten machen einen tollen Job, in dem viel ehrliche Arbeit steckt. Auch Filmfreeway ist als Plattform empfehlenswert und professionell.
Aber man sollte anerkennen, dass jeder Trottel und jeder Halsabschneider ein Festival eröffnen kann und vorsichtig sein, auf welches man sich einlässt. Ganz sicher sollte man nicht jeden Film kaufen, nur weil er den typischen Lorbeerkranz irgendeines Pseudo-Events auf dem Cover trägt.

 

 

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