Horrorfilme sind Männersache!
Nein, wir sind nicht in den 50er Jahren hängen geblieben, aber wir benennen einen Fakt.
Horrorfilme von Frauen sind selten, die meisten werden von männlichen Regisseuren gedreht.
Der Horrorfilm ist dabei nicht einmal eine Ausnahme, denn auch in anderen Genres sind wenige Frauen auf Regiestühlen zu finden. Bei den 100 erfolgreichsten Filmen des Jahres 2019, führten weniger als 11% Frauen Regie.
Es gibt (glücklicherweise) aber Ausnahmen und wer genauer hinsieht, entdeckt in mancher weiblichen Handschrift auch feine Unterschiede.
Wir haben hier über 20 Regisseurinnen bzw. Horrorfilme zusammengestellt, bei denen Frauen Regie führten und die es lohnt zu sehen…
und ein paar Werke, die belegen, dass Frauen auch nicht immer zaubern können.
Einmal Horror und nie wieder?
Kathryn Bigelow (NEAR DARK)
Kathryn Bigelow ist eine von nur zwei Frauen überhaupt, die je einen Oscar gewannen. Den erhielt sie zwar für THE HURT LOCKER und sie ist heute auch keine typische Horrorregisseurin, das macht NEAR DARK, den sie bereits 1987 drehte, aber nicht weniger attraktiv.
Darin schließt sich der Sohn eines Ranchers einer Gruppe von Vampiren an, nachdem er von einer attraktiven jungen Blutsaugerin gebissen wurde.
Mary Harron (AMERICAN PSYCHO)
Mary Harron ist vor allem für ihre Arbeit an Serien bekannt. Nur selten verirrt sich ein Spielfilm in ihren Lebenslauf.
Dafür hat man ihr mit AMERICAN PSYCHO nicht nur die Betreuung für eine ganze Reihe (heutiger) Oscar-Gewinner übertragen, sondern auch einen der großen modernen Skandalromane.
Harrons Film ist zwar weniger brutal als Bret Easton Ellis Buch, aber dennoch eine gewalttätige Satire mit einem köstlichen Christian Bale.
Antonia Bird (RAVENOUS)
Antonia Bird drehte vor RAVENOUS meist Serien und kehrte danach auch dorthin zurück.
Kommerziell war RAVENOUS kein Erfolg, was am abgründigen Kannibalismus-Thema oder der nicht vorhandenen eindeutigen Genrezuordnung liegen mag, aber der zu Wildwest-Zeiten angesiedelte Film mit Guy Pearce, David Arquette und Robert Carlyle ist auch heute noch eine Sichtung wert.
Xan Cassavetes (KISS OF THE DAMNED)
Xan ist die Tochter von John Cassavetes (ROSEMARIES BABY) und Gena Rowlands (DER VERBOTENE SCHLÜSSEL). Film liegt ihr also in den Genen, doch während sie bereits 1970 das erste Mal vor der Kamera stand, taucht ihr Name nur sporadisch in Credits auf.
KISS OF THE DAMNED, ein Vampirdrama, ist ihr erster und bisher einziger Langfilm. Der ist zwar ruhig erzählt und trägt eine Stimmung des europäischen Kinos vergangener Jahrzehnte, macht aber Lust auf mehr.
Claire Denis (TROUBLE EVERY DAY)
Weder Claire Denis noch TROUBLE EVERY DAY zählen zu den bekanntesten Namen dieser Liste.
Das mag daran liegen, dass sich beide schlecht packen lassen. Die Französin Denis drehte verschiedene Genres und längst nicht alle ihrer Filme fanden den Weg nach Deutschland.
TROUBLE EVERY DAY hingegen ist ein typischer Fall von passt-nicht-in-eine-Schublade. Einerseits Vampir-Drama, andererseits wird er teilweise der New French Extremity zugeordnet.
Nun, sehenswert ist er allemal, aber auch nicht ganz einfach zu bekommen.
Madellaine Paxson (BLOOD PUNCH)
Paxson drehte genau einen Film und das ist eben BLOOD PUNCH, eine blutig-unterhaltsame Zeitschleifengeschichte im Stile von …UND TÄGLICH GRÜSST DAS MURMELTIER.
Davor und danach war und ist sie als Autorin fürs Fernsehen aktiv.
Coralie Fargeat (REVENGE)
Macht es nicht Sinn, dass Rape & Revenge von Frauen umgesetzt wird? Coralie Fargeat hat genau das getan. Logik ist zwar nicht die Stärke des Films, dafür erfahren wir, dass der menschliche Körper aus viel viel Blut besteht.
Marjane Satrapi (THE VOICES)
Satrapi hat wie Kollegin Ana Lily Amirpour persische Wurzeln. Ihr erster Film war das hochgelobte Animations-Drama PERSEPOLIS, mit THE VOICES liefert sie aber eine lupenreine Horrorkomödie, bei der die Hauptfigur Stimmen hört, die ihn zu furchtbaren Taten auffordern. Der ist aber bereits acht Jahre alt und seitdem hat Satrapi nicht angedeutet mehr Horror machen zu wollen.
Nia DaCosta (CANDYMAN)
Der neueste CANDYMAN beschäftigt sich nicht nur mit aktuellen Themen wie Gentrifizierung und Rassismus, sondern räumt auch einer Frau Platz auf dem Regiestuhl frei.
Ob die vergleichsweise junge DaCosta (Geburtsjahr 1989) dem Genre treu bleibt muss sich zeigen, aber CANDYMAN war ein insgesamt anständiger Horrorfilm.
Caroline DuPotet und Éric du Potet (HOME INVASION)
Zusammen mit ihrem Bruder Éric drehte Caroline DuPotet nur einen Langfilm und der ging in der abebbenden New French Extremity-Welle (und wohl auch wegen seines austauschbaren Namens) weitestgehend unter.
Es darf angezweifelt werden, dass die du Potets noch mal einen bedeutsamen Horrorfilm drehen, HOME INVASION (auch als IN THEIR SLEEP bekannt), können wir euch aber ans Herz legen.
Wiederholungstäterinnen
Jen und Sylvia Soska (AMERICAN MARY, RABID)
Auch wenn AMERICAN MARY bisher das Highlight ihrer Karriere war und der bereits ein paar Jahre auf dem Buck hat, bleiben die „Twisted Twins“ dem Genre treu und arbeiten natürlich stets zusammen. Die weibliche Handschrift konnte man AMERICAN MARY, der eben kein allzu plumper Rape & Revenge- Schinken wurde, dabei durchaus anmerken.
Jennifer Kent (BABADOOK, THE NIGHTINGALE)
Jennifer Kents emotionaler Horror BABADOOK ist alles andere als ein Standardfilm und das ist aus unserer Sicht eine gute Sache (ja, das Kind MUSS nerven…wie soll der Film sonst funktionieren?).
THE NIGHTINGALE ist hingegen eher Geschichtsunterricht, dabei aber so verstörend hart, dass man sich schon darauf freut, was als nächstes kommt.
Mary Lambert (FRIEDHOF DER KUSCHELTIERE)
Lambert blickt auf eine insgesamt lange und erfolgreiche Karriere zurück, die mit Musikvideos für Stars von Madonna bis Mötley Crue begann, ihr größter Erfolg war aber FRIEDHOF DER KUSCHELTIERE, über den man sicher nichts mehr sagen muss.
Danach drehte sie noch dessen Fortsetzung, DÜSTERE LEGENDEN 3 und MEGA PYTHON VS. GATOROID, aber dafür darf man kein Lob von Kritikern erwarten.
Jennifer Lynch (BOXING HELENA, CHAINED)
Sie trägt das Label „die Tochter von David Lynch“ mit sich herum, aber hat sich längst aus dem Schatten des wahnwitzigen Vaters befreit und mit BOXING HELENA, UNTER KONTROLLE oder CHAINED einige sehenswerte Genrewerke gedreht.
Leider war CHAINED auch ihr letzter Langfilm und heute ist sie für TV Serien aktiv.
Ana Lily Amirpour (A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT)
Ein sperriger Titel, in Schwarzweiss, mit iranischen Schauspielern in persischer Sprache gedreht…und trotzdem erfreut sich Amirpours Spielfilmdebüt A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT (das auf ihrem eigenen Kurzfilm basiert) großer Beliebtheit.
Der folgende THE BAD BATCH konnte da nicht ganz mithalten und zuletzt arbeitete Amirpour eher fürs TV, wenn auch an Genre-Stoff wie CASTLE ROCK oder TWILIGHT ZONE.
Karyn Kusama (JENNIFER’S BODY, THE INVITATION)
Man würde auf den ersten Blick nicht gerade die gleiche Frau hinter JENNIFER’S BODY und THE INVITATION erwarten. Aber Kusama ist eine vielseitige Regisseurin, die innerhalb und außerhalb des Genres unterwegs ist und beispielsweise auch noch in XX (eine Horror-Anthologie, bei der nur Frauen Regie führten) und
Veronika Franz (und Severin Fiala) (ICH SEH ICH SEH, THE LODGE)
Noch seltener als weibliche Regisseure ist die männlich-weibliche Kombination auf dem Regiethron.
Die Österreicher Veronika Franz und Severin Fiala machen das aber erfolgreich und konnten mit ICH SEH, ICH SEH international viel Lob abholen, bevor THE LODGE dann auch mit internationalem Cast umgesetzt wurde.
Julia Ducournau (RAW, TITANE)
Ihre Filme sind Kunst, sie sind Dramen, sie sind Horror, sie handeln vom Erwachsenwerden junger Frauen und es sind persönliche Einblicke in schräge Welten. Man kann nicht behaupten, dass Julia Ducournau Einheitsbrei liefert und Mainstream sieht anders aus. Aber eben darum sind ihre Filme für offene Geister von Interesse.
Leigh Janiak (FEAR STREET, HONEYMOON)
Leigh Janiak ist noch keine 10 Jahre alt Regisseurin aktiv, aber stellte ihr gesamtes bisheriges Tun in den Dienst des Genres.
Los ging es mit dem kleinen kammerspielartigen HONEYMOON, bevor Ausflüge zu Serien wie SCREAM und OUTCAST sie zu den drei FEAR STREET-Filmen brachten.
Mit ihr wird wohl auch weiterhin zu rechnen sein.
Marina de Van (IN MY SKIN, DARK TOUCH)
Wer mitzählt, wird feststellen, dass unsere Aufstellung eine hohe Dichte an Französinnen hat und dazu zählt auch Marina de Van, die in ihrem Langfilmdebüt neben der Regie und dem Drehbuch auch gleich die Hauptrolle übernahm. Der Film ist gleichermaßen sensibel wie drastisch geraten.
Mit DARK TOUCH kehrte sie nach über 10 Jahren nochmals zum Horror zurück, bedient aber auch andere Genres.
Hélène Cattet (und Bruno Forzani) (AMER, DER TOD WEINT ROTE TRÄNEN)
Cattet und Forzani sind ein weiteres geschlechtergemischtes Regie-Duo, das natürlich für seine giallo-artigen Filme bekannt ist, die die Ästhetik des Subgenres mehr feiern, als es die Originale taten.
Allerdings gab das belgische Ehepaar 2017 sein letztes cineastisches Lebenszeichen von sich.
Ausrutscher?
Danielle Harris (UNTER FREUNDEN)
Angela Bettis (ROMAN)
Pollyanna McIntosh (DARLIN‘)
Machen wir es kurz, die drei Damen sind natürlich vor allem als Schauspielerinnen bekannt. Bettis spielte zum Beispiel in MAY und THE WOMAN, McIntosh kennt man ebenfalls aus THE WOMAN, THE WALKING DEAD oder LET US PREY und Danielle Harris war schon als Kind in der HALLOWEEN-Reihe zu sehen, bevor sie Rob Zombie für seine Remakes erneut engagierte.
Dass die drei Genre-Erfahrung mitbringen, ist daher unbestritten, allerdings kommt keiner der drei Filme über Mittelmaß hinaus.
Wie man es nicht machen sollte
Sophia Takal (BLACK CHRISTMAS)
Ja, Männer sind Schweine. Ja, auch im Horrorfilm kann man feministische Ansätze unterbringen.
Wer aber so plump wie Frau Takal und ihre Gehilfinnen darauf herumreitet und auch darüber hinaus ein derart hohles Filmchen produziert, darf sich nicht wundern, dass Zuschauer (m/w/d) dieses dumm finden.
Catherine Hardwicke (TWILIGHT)
Muss man dazu mehr sagen?
Übrigens: Während man denken könnte, dass man zumindest auf der Leinwand ungefähr gleich viele Männer und Frauen sieht, ist auch das ein Trugschluss. So waren 2019 66% aller Figuren, die entweder sprachen und/oder einen Namen trugen, in den 100 erfolgreichsten Filmen aller Genres männlich (Quelle: womenandhollywood).
Nun mag man gegenhalten, dass der Slasherfilm sogar den Begriff des Final Girls prägte, aber auch diese Hauptfiguren sind insgesamt selten und noch seltener stark. Nur mit der Häufigkeit einer totalen Sonnenfinsternis findet sich sogar ein Horrorfilm mit einer starken Frauenfigur.
Aber diesem Thema widmen wir uns das nächste Mal.