Das Böse nimmt bekanntlich viele Formen an, von Amok laufenden Tieren, über das Böse im Menschen (seien es ländliche Hillbillys, urbane Yuppies oder Bewohner amerikanischer Suburbs), bis zu den mythologisch aufgeladenen Monstern und Flüchen aller Welt.
Ohne Zweifel lässt sich behaupten, dass zumindest in der sogenannten westlichen Welt die Idee der Hölle wohl zu den ältesten Vorstellungen und Erklärungsversuchen für das Böse gehört. Nicht nur liefert es den Grundstoff (und Wohnort qua Geburt zahlreicher mythischer Figuren), sondern zugleich noch die Erklärung für sämtliches Böse in der Welt, inklusive innerhalb des Menschen. Nicht zu vergessen sei zudem die pädagogisch wertvolle Funktion, der Gesellschaft vor Augen zu führen, warum es klüger sein könnte, sich an gewisse Regeln zu halten, um dem ewigen Feuern zu entgehen.
Mit dieser ungefähr zweitausend Jahre währenden Geschichte, wie auch ausgestattet mit einer immensen Funktions- und Bedeutungsfülle, wäre es ein Wunder, wenn dieser Ort nicht auch auf die eine oder andere Weise Eingang in die Welt der Horrorfilme gefunden hätte.
Da der Begriff der Hölle aufgrund seiner häufig symbolischen Nutzung eine kaum eingrenzbare Bandbreite von Formen annimmt („Die Hölle, das sind die anderen“, um mit Camus nur ein Beispiel anzuführen), soll sich hier auf Filme beschränken, in denen die Hölle möglichst konkret vorkommt, nicht nur als reines Symbol. Wie viele unterschiedliche Formen sie trotzdem annehmen kann, wird die folgende, definitiv nicht vollständige Liste zeigen.
Lange wird nicht klar, was sich hinter den unheimlichen Vorfällen in den Katakomben unter Paris genau verbirgt, in die es eine kleine Gruppe junger Abenteurer verschlägt. Erst gegen Ende des Films stoßen sie an die Pforte zur Hölle, mit der bekannten, von Dante Alighieri geprägten Inschrift: „Ihr, die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren“. Das mit dem Durchschreiten dieses Eingangs die ohnehin schon beklemmende Reise sich nicht zum Besseren ändert, ist vorhersehbar. Nachdem sie mit ihren eigenen Sünden konfrontiert werden, gelingt den Protagonisten mit der klassischen Beichte der Rückweg aus der Unterwelt – zumindest einigen von ihnen.
Das Bild der Hölle ist in diesem Film nahe an der christlichen Idee der Hölle, als eines quasi physisch vorhandenen Ortes, an den man zur Strafe für seine Sünden kommt. Nur das der Film einem zumindest die Möglichkeit der Erlösung lässt, welcher im „Original“ wohl kaum vorhergesehen ist.
SILENT HILL
Ebenfalls als physischer Ort gegeben ist die Geisterstadt Silent Hill. Nur das man in diesem Fall die Hölle nicht durch ein Tor durchschreitet, sondern sie sich gleich dem dort allgegenwärtigen Nebel über einen legt. Ohne im Film direkt so bezeichnet zu werden gibt es dennoch zahlreiche Anspielungen, dass das Konzept der Hölle hier zur Anwendung kommt: dieses Mal in Form einer Kollektivstrafe für den grausamen Mord an einem kleinen Mädchen durch einen satanistischen Kult. Die betroffene Gemeinde wird seitdem durch eine kreativ zusammengewürfelte Menge an entstellten Monstern heimgesucht, die Jagd auf alles machen, was menschlich ist. Das die Hölle in diesem Film einer parallelen Dimension entspricht, zeigt sich während mehrerer Szenen, in welchen Charaktere in der „realen“ und der „höllischen“ Dimension sich gleichzeitig am selben Ort befinden, ohne sich zu sehen. Das diese zweite Dimension dem Jenseits entsprechen könnte, ist dabei nur eine Interpretationsmöglichkeit.
EVENT HORIZON
Auch im Weltraum lauert die Hölle. Nachdem das verloren geglaubte Schiff Event Horizon Jahre nach seinem Verschwinden von einer Bergungsmannschaft erkundet wird, stellt sich heraus, dass die ehemalige Besatzung sich in einem kollektiven Blutrausch gegenseitig umgebracht hat. Durch Audioaufzeichnungen und andere Indizien wird der Bergungsmannschaft bald klar, dass das Schiff durch die Schaffung eines Wurmlochs ein anderes Universum betreten hatte, welches dem Konzept der Hölle zu entsprechend scheint. Auf diese Weise verändert, stellt die Event Horizon nun selbst eine Form der Hölle dar, in welcher alptraumhafte Visionen, basierend auf früheren Sünden und Schuld der Crew, diese nun heimsuchen und in Tod und Wahnsinn treiben. Auf diese Weise werden die Protagonisten zugleich Opfer ihrer eigenen Schuld, wie auch Täter gegenüber dem Rest ihrer Crew. Die Hölle ist hier nicht nur Bestrafung für vergangene Schuld, sondern auch Triebfeder für neue.
HELLRAISER
Ein Klassiker des Horrorfilms und der -literatur. Auch hier wird, trotz des Titels, nicht direkt erklärt, dass es sich bei dem Dimension der Zenobiten tatsächlich um die Hölle handelt, doch scheinen die Handlungsmuster eindeutig. Im Stile des klassischen faustischen Paktes zwischen dem Teufel und dem Mensch, versprechen die Zenobiten unvergleichliche sinnliche Erfahrungen, welche verlockend klingen, aber letzten Endes eine qualvolle, ewige Verdammnis nach sich ziehen. In diesem Film ist die Hölle die Strafe für das selbstgewählte Streben nach exzessivem, irdischem Glück. Interessant ist dabei an Franks Höllenstrafe, dass sie sich, im Gegensatz zu den davorigen Beispielen, auf rein physische Natur beschränkt (auch wenn man sich nur zu gut vorstellen kann, dass diese psychische Folgen nach sich ziehen).
Ebenfalls einen faustischen Pakt eingehend, greift der leitende Arzt eines Provinzkrankenhauses zu den Mächten einer lovecraft’schen Hölle, um den Tod seiner geliebten Tochter rückgängig zu machen. Dem Pakt werden zahlreiche Versuchspersonen geopfert, die als entstellte Figuren im Keller des Krankenhauses, als einen Vorposten der Hölle, dienen. Doch nicht nur der Antagonist des Films, sondern auch sein Protagonist hat Schuld auf sich geladen, durch die Erleichterung über den Tod seines Kindes bei der Geburt. In der letzten Szene des Films zeigt sich diese Form der Hölle erneut als eine fremde Welt, eine düstere Einöde mit dem heidnischen Symbol einer schwebenden Pyramide gigantischen Ausmaßes als ihres Zentrums.
DEVIL
Eine Hölle auf kleinstem Raum und der Teufel persönlich anwesend, nur weiß niemand, welcher es ist. Wie bereits zitiert sind in diesem Fall tatsächlich die anderen die Hölle und jeder birgt eine Schuld, welche die Strafe nach sich zieht. Diese Angst vor dem Bösen im Anderen ist kein neues Schema, doch gerade die Enge des Aufzugs, in welchem die Protagonisten festsitzen, verhindert jede Möglichkeit der Flucht, des Verstecks oder sich irgendwie den anderen, der Hölle, zu entziehen. Die Konfrontation mit den anderen und schlussendlich mit sich selbst ist somit unausweichlich. Wie im Fall der KATAKOMBEN ist auch hier der einzige Ausweg die Beichte der eigenen Schuld.
JACOB’S LADDER
Zugegeben, der Film ermöglicht eine ganze Reihe möglicher Interpretationen. Unabhängig von der ganzen Thematik des Chemiewaffenexperiments lässt sich jedoch annehmen, dass Jacob nach seinem Tod in Vietnam – der zumindest am Ende des Films belegt wird – in der Vorhölle, beziehungsweise im Fegefeuer geendet ist. Das dies keine allzu angenehme Erfahrung ist, wird nicht nur durch Paranoia, sondern auch durch immer wieder auftauchende Dämonen und Gewaltdarstellungen offensichtlich. Zwar ist das Fegefeuer in erster Linie keine Strafe, sondern ein Ort, in dem die Seele sich befindet, bevor sie entweder in den Himmel, oder die Hölle einzieht. Erst nachdem er seinen eigenen Tod akzeptiert kann er diese verlassen. Das Jacobs Vorhölle sich nahe an der Hölle befindet wird nicht nur durch besagte Dämonen, sondern auch durch allerlei subtile und weniger subtile Hinweise deutlich. Womit sich die Frage stellt, ob dies ausschließlich mit seiner fehlenden Akzeptanz des eigenen Todes zusammenhängt. Oder führt auch hier die zuvor aufgeladene Schuld in diese unangenehme Form der Vorhölle? Jacobs genaues Verhalten in der Nacht des Amoklaufs in Vietnam wird zwar nicht dargestellt, doch kann davon ausgegangen werden, dass er dort ebenso gewütet hat, wie jedes andere Opfer dieses Experiments. Dies führt jedoch zu einer tiefer gehenden Frage: inwieweit ist es Jacobs Schuld, wenn seine Taten durch ein Experiment ausgelöst wurden, von dem er nichts wusste? Erwartet die Hölle auch diejenigen, die ohne eigene Intention schuldig wurden? Ist man dann überhaupt schuldig?
THE DEVIL AND HOMER SIMPSON
Nach diesen schwierigen Fragen des Lebens sein nun abschließend noch auf eine erhellende Folge der SIMPSONS (Staffel 5, Folge 5) verwiesen. Um seinen Hunger zu stillen verpfändet Homer Simpson im Austausch für einen Donut, seine Seele, die nach Verzehr dessen in die Hölle fährt. Scheint er zunächst einen seiner raren klugen Momente zu haben, indem er den Donut nicht zu Ende verspeist und damit die Vertragsbedingung nicht vollendet, erliegt er wenig später doch der Versuchung („Hm, der verbotene Donut“). Bevor sein Gerichtsverfahren mit dem Teufel beginnt verbringt er einen Tag in der Hölle, wo ihm unter anderem als Strafe einen Folter durch das erzwungene Verspeisen unzähliger Donuts, womit die Todsünde der Völlerei ironisiert gegen ihn verwendet wird. Das bekannte Schema von Schuld und entsprechender Bestrafung wird erneut angewandt. Interessant wird es am Schluss der Episode, als sich herausstellt, dass er im Rahmen seiner Ehe bereits seine Seele an Marge verpfändet hat, die daher die rechtmäßige Eigentümerin ist. Zwar wird als Folge teuflischer Rachsucht sein Kopf durch einen Donut ersetzt. Doch zumindest entgeht er den ewigen Qualen der Hölle, womit demonstriert wird, dass selbst der Teufel an einen erstmal geschlossenen Vertrag gebunden ist und dieser kann, wie jeder andere, seine Lücken haben. Wenn das mal keine beruhigende Nachricht ist.
Fazit: So umfangreich Vorstellungen der Hölle in unserer Kultur sind, so umfangreich erscheinen auch die Darstellungen in modernen Horrorfilmen. Dabei sind die ebenfalls zahlreichen Verfilmungen der Figur des Teufels nicht einmal mitgerechnet. Ob vorwiegend psychische oder physische Qualen, ob als individuelle oder Kollektivstrafe, ob tatsächlicher Ort, weitere Dimension oder eine Hölle in unserem Inneren, für jeden ist etwas dabei. Als gemeinsamen Nenner lässt sich jedoch erkennen, dass die wenigsten Filmprotagonisten unverschuldet in die Fänge der Hölle geraten. Sie ist immer die Quittung für zuvor aufgeladene Schuld.