Deutsche Horrorfilmemacher haben es nicht immer leicht.
Das Budget ist meist knapp, die hiesige Filmbranche belächelt Horrorfilmer (denn Kohle verdient man mit Schweiger und Co.) und Kritiker gibt es auch noch.
Auch Marcel Walz kam nicht bei jedem unserer Reviews gut weg, was man aber betonen muss, ist der Umgang mit einer negativen Beurteilung oder anderen widrigen Umständen. Während einige seiner Kollegen irgendwann die Flinte ins Korn werfen oder die bösen Kritiker kritisieren, schien Walz stets ein offenes Ohr zu haben und versuchte trotzdem sein Ding voranzutreiben. Inzwischen lebt er in Los Angeles und dreht dort seine Filme.
Wir haben uns in den virtuellen Flieger gesetzt und Marcel zu eben diesem Umzug, dem langen Weg und seinen neuen Filmen befragt.
Thrill & Kill: Wann erscheinen deine neuen Filme in Deutschland?
Marcel Walz: ROOTWOOD wird im Oktober 2020 pünktlich zu Halloween auf DVD, BD und VOD available sein. In den USA ist er jetzt im April erhältlich und in England kann man ihn sich bereits seit November 2019 via VOD ausleihen und kaufen (weitere Länder folgen). Was BLIND betrifft sind wir gerade in Verhandlungen was release und das Label betrifft in Deutschland! Ich kann es allerdings kaum abwarten es endlich zu verkünden wann es soweit ist, denn es wird eine wirklich tolle VÖ mit massig Bonusmaterial!
Thrill & Kill: Wir hatten ja schon die Gelegenheit, die beiden zu reviewen, aber vielleicht noch mal in deinen Worten: worum wird es bei den Filmen gehen und was unterscheidet sie voneinander?
Marcel Walz: ROOTWOOD handelt von drei Podcastern, die im Auftrag eines Filmstudios in die Wälder geschickt werden um der Legende des Wooden Devil auf den Grund zugehen. Der Film entstand unter den Arbeitstitel “RAW”! Bei einigen macht es vielleicht jetzt klick und aus gutem Grund lol, denn ROOTWOOD ist das US-Remake meiner Found Footage Filmreihe aus Deutschland. Wir haben allerdings alle 3 Filme zusammengefasst und auch das Element “found footage” auf das Minimum limitiert. Wir waren einfach der Meinung, dass es in der heutigen Zeit nicht mehr funktioniert und der Zuschauer sich and der Wackelcam längst satt gesehen hat.
Mit BLIND sind wir ganz andere Wege gegangen!
Auch wenn es sich für den ein oder anderen in der Beschreibung gleich wie ein klassischer “Home Invasion” anhört, so wird man nach Sichten des Filmes merken, dass es doch etwas neues ist.
BLIND handelt von einer Schauspielerin, die durch eine vermurkste Augen OP erblindet ist. In ihren Haus in den Hollywood Hills wo sie sich in Sicherheit wiegt, lauert allerdings eine sehr bedrohliche Gefahr in den eigenen vier Wänden, PRETTY BOY! Der Film ist viel mehr ein Drama mit Horrorelementen als ein Horrorfilm mit Dramaelementen und hat sowohl, als auch den Autor (Joe Knetter) aus unserer Komfortzone gelockt.
Thrill & Kill: Tatsächlich dachte ich mir auch, dass BLIND ein ungewöhnlicher Film für dich ist.
Die Ausgangssituation erinnert ja etwas an WARTE, BIS ES DUNKEL IST mit Audrey Hepburn.
Wie muss man sich es vorstellen, wenn du deine „Komfortzone“ verlässt?
Marcel Walz: Es war ja bislang so das man meinen Namen mit dem etwas härteren Genre Torture Porn in Verbindung gebracht wurde. Hier und da führte ich aber schon in Vergangenheit Regie bei Filmen, die nicht in Blut getränkt waren wie RAW 1-3, FUNNYFACE und eben ROOTWOOD.
Doch nicht nur das BLIND kein reiner Slasher ist, es ist noch nicht mal ein reiner Horrorfilm! BLIND ist vielmehr ein Drama mit Horrorelementen und hier sind wir schon bei dem Verlassen der Komfortzone, denn ein Drama stand bis dato NIE auf meiner Liste! Doch keine Bange, BLIND ist dennoch reichlich gespickt mit spannenden Szenen und hier und da schleicht sich auch eine blutige Szene ein.
Thrill & Kill: Wie kam es dann zu BLIND?
Wie du sagst, erwartet man eher etwas anderes von dir. Wurdest du mit Waffengewalt oder viel Geld gezwungen? Oder hat dir das Drehbuch einfach zugesagt?
Marcel Walz: Weder das eine noch das andere!
Die Geschichte wie BLIND entstanden ist, ist wirklich etwas besonderes. Wenn es auch komisch klingt und irgendwie witzig, aber alles hat begonnen mit einen Traum! In diesen Traum habe ich gesehen, wie wir einen Film in meinen Haus drehen, die Crew wuselt überall herum und ich stellte dem Drehbuchautor eine Frage: “Bist du dir sicher, dass eine blinde das nicht bemerken würde, wenn jemand in ihren Haus lebt!”
Dann bin ich aufgewacht und hab den Titel “BLIND” ins Handy getippt. Am nächsten Tag bin ich mit meinen Hund spazieren gegangen, wo mir nichts anderes durch den Kopf ging wie der Ablauf des Filmes und ob es nicht sowas schon gibt?!
In diesen Augenblick habe ich eine Nachricht von Sarah bekommen (Sarah French, Hauptrolle in BLIND) und sie meinte “lass uns treffen heute Abend, Film schauen und Pizza”
Gesagt, getan! Ihr Freund und Drehbuchautor Joe Knetter war auch anwesend und beiden habe ich von diesen Traum erzählt und sofort meinte er “sowas gibt es noch nicht”.
Stunden vergingen, wo wir die Geschichte entwickelt haben und mein erster Anruf ging sofort an den Produzenten Rüdiger W. Kümmerle (welcher bereits ROOTWOOD finanziert hatte), dieser war so begeistert, dass er sofort zusagte! Doch uns war klar es würde nicht reichen und ich wusste unser Freund Ivan Hruska wollte etwas produzieren. Da er direkt vor Ort war, kam er noch in der selben Nacht vorbei und wir erzählten ihn alles!
Das Geld war da, die Location, Cast und Crew war schnell aufgestellt. Der erste “table read” stand schon nach einer Woche an und von diesen Punkt an waren es nur 5 Wochen zur letzten Klappe.
Was hier passiert ist war für uns alle irgendwie magisch und hatte so auch keiner zuvor erlebt, weswegen der ganze Film etwas besonders für uns alle ist.
Was ich damit sagen will, um auf deine Frage zurück zu kommen… es war tatsächlich meine Entscheidung mit dem ganzen Blut (oder nicht Blut) die bunte Beleuchtung und der etwas andere Style des Filmes. Thomas Rist, unser Kameramann ist ein Magier seines Faches und er hat meine Vorstellungen mehr als nur wunderschön eingefangen.
Thrill & Kill: Sprechen wir noch über ROOTWOOD, der (wenn ich das richtig sehe) vor BLIND gedreht wurde. Du sagtest ja schon, dass man ihn als Remake sehen sollte. War das Neuverfilmen quasi das „den Zeh ins kalte Wasser stecken“, um den Übergang von Deutschland in die USA zu erleichtern oder ist das schon früher passiert? Immerhin hast du SEED 2 ja auch schon in den USA und mit teils deutschem, teils amerikanischem Cast gedreht.
Marcel Walz: Genau! ROOTWOOD wurde exakt ein Jahr zuvor gedreht. Es war tatsächlich mehr den “Zeh ins kalte Wasser stecken” da zu SEED 2 Zeiten alles noch aus Deutschland geplant wurde und viele Sachen im Hintergrund über Deutschland liefen. Dies war eben bei ROOTWOOD nicht der Fall, hier wurde alles mit einer Crew aus LA und auch kompletten Cast aus den USA realisiert.
Thrill & Kill: Dadurch, dass man die Storys von ROOTWOOD und RAW vergleichen kann, drängt sich natürlich die Frage auf, was die beiden unterscheidet.
Die stilistischen Aspekte, dass ihr bei ROOTWOOD den Found Footage Anteil heruntergefahren habt, hast du ja schon erwähnt, ansonsten liegen 5 Jahre zwischen dem ersten RAW-Film und ROOTWOOD.
Wie lassen sich sonst noch die Filme, aber auch Entstehungsgeschichte dazu unterscheiden?
Marcel Walz: Wir haben die Grundelemente der Story übernommen aber dennoch so verändert und auch verbessert das es selbst für Fans der Reihe neue Erkenntnisse und twist geben wird. Aber Zuviel will ich jetzt auch nicht dazu sagen, nicht das der ein oder andere sofort alles durchschaut und vielleicht das Ende erahnen kann ?
Thrill & Kill: OK, anders gefragt: wie unterschied sich die Vorgeschichte?
Ist das Drehen in Deutschland leichter, weil man dich in der Szene kennt oder in den USA, weil die Branche einfach größer ist und man in LA gewissermaßen am Puls des Filmemachens sitzt?
Waren Themen wie Casting, Anheuern einer Crew, vielleicht auch Formalitäten etc. hierzulande leichter oder in den USA?
Oder noch mal provokanter gefragt: ist Deutschland in Sachen Filmen das Dritte Welt Land, das manche sehen wollen oder lief die Entstehung zu RAW ähnlich wie zu ROOTWOOD?
Marcel Walz: Das ist eine gute und ebenso schwierige Frage. In Deutschland wurde es über die Jahre einfacher in der Kategorie, in der ich gespielt habe und das Wissen was man sich so angeeignet hatte. Ich hatte glücklicherweise einen guten Start hier in den USA durch viele gute Kontakte und Freunde.
Dennoch war es hier ein komplett neuer Start für mich und alles musste von Anfang an aufgebaut werden (was vielleicht in manchen Punkten gar nicht so schlecht war)
Mein BLOOD FEAST-Remake war ein guter Start hier den USA um mir einen Namen im Genre zu machen und ROOTWOOD ein netter Anfang um zu sehen wie alles hier so in Sachen Produktion abläuft.
Thrill & Kill: Wie kam es überhaupt zum Umzug?
Ich denke, für viele Filmemacher ist Hollywood nach wie Vor der Ort der Träume und sicher ist es kein Schritt, den man leichtfertig tut.
Wie du schon sagst, hast du dich ja langsam an amerikanische Produktionen herangetastet, aber war für dich immer klar, dass du nach Hollywood willst?
Und wie schwierig war die Umsetzung?
Marcel Walz: Also es war definitiv immer ein Ziel das ich hatte und auch nie aus den Augen verloren habe. Natürlich ist es kein einfacher Schritt ins Ausland auszuwandern und ohne einen Partner an deiner Seite fast unmöglich! Es war ein langer Und kostspieliger weg, doch wenn man einen Traum verfolgt kann man nicht mittendrin stehen bleiben!
Das Sprungbrett war das Remake von BLOOD FEAST, was mich in den USA in der Horror Szene bekannt gemacht hatte. Dennoch war es ein steiler und sehr steiniger Weg, doch den musste ich schon damals in Deutschland gehen, nur diesmal in einem fremden Land! Aber ich liebe herausgefunden!
Thrill & Kill: Das klingt, als wärst du angekommen und hättest nicht vor, so schnell zurückzukommen.
Hast du denn schon Pläne für die Zukunft?
Es ist ja nicht unüblich, dass Horrorregisseure irgendwann „ruhiger“ werden, aber hast du vor dem Genre treu zu bleiben oder ist BLIND ein erster Hinweis, dass du künftig auch andere Themen bedienen willst.
Gibt es sogar schon konkrete Ansätze für weitere Filme?
Marcel Walz: Ich denke auch das ich, was mein Leben betrifft wirklich angekommen bin. Doch man weiß ja nie was in 3 oder 30 Jahren ist, wir leben in einer Zeit wo sich alles so schnell dreht und ändert das man einfach nicht sagen kann was in 5 Monaten sein wird.
Was meine filmische Laufbahn betrifft, denke ich nicht, dass ich mich recht viel verändern werde?! Ich werde dem Horror und dem Splatter treu bleiben, vielleicht hier und da nicht mehr ganz so ausufernd wie in LA PETITE MORT 1&2 aber dennoch werden wir auch in Zukunft zur Blutspritze greifen. BLIND zeigte nur, dass ich vielleicht mehr bin als “nur der, der gern mal ein genital abschneidet!” Auch qualitativ habe ich mich verändert und habe das Ende der Leiter, was diesen Punkt angeht auch noch nicht erreicht.
Wir arbeiten derzeit an zwei Eigenproduktionen und einer Auftragsproduktion. Einer dieser Filme ist eine direkte Fortsetzungen zu einen meiner letzten Filme und die beiden andere sind was völlig eigenständiges. Doch die Corona-Krise hat gerade alles im Griff und viele Produktionen hier in Hollywood wurden auf Eis gelegt, so auch erst mal unsere! Doch verschoben ist nicht aufgehoben LOL
Thrill & Kill: Danke für das Interview.