Interview: Benjamin Munz (BLOOD RED SKY)

benjamin munz 2021

Seit Kurzem läuft auf Netflix der Vampirfilm BLOOD RED SKY.
Einer der Verantwortlichen ist Benjamin Munz, den wir schon seit seiner Arbeit an der Zombie-Webserie VIVA BERLIN! im Auge haben.

Das letzte Interview entstand allerdings im Vorfeld von STUNG und stammt aus 2013. Seitdem hat sich die (mediale) Welt  natürlich erheblich weitergedreht.

Zum Start von BLOOD RED SKY haben wir uns Benjamin daher erneut geschnappt, über Vampire über den Wolken, Streamingdienste, seine Arbeit als Produzent, Horror in Deutschland und Filmdrehs in Coronazeiten gesprochen.

T&K: Benjamin, ich habe festgestellt, dass seit unserem letzten Gespräch bereits satte 8 Jahre vergangen sind. Damals waren Netflix und andere Streaminganbieter weder im Interview Thema noch anderweitig sonderlich präsent, das hat sich für viele Konsumenten inzwischen gewandelt, für dich offenbar auch!?

Benjamin Munz: Ja, es stimmt. In der Zwischenzeit habe ich 5 Abos von Streaming-Anbietern und konsumiere Filme und Serien fast ausschließlich über sie. Die traditionellen TV-Sender geraten immer weiter ins Hintertreffen. Videotheken gibt es schon fast keine mehr. Erst vor ein paar Tagen gab es eine Pressemeldung, dass zum ersten Mal die Nutzung von Streaming die der traditionellen Nutzungsarten überholt hat. Eine Entwicklung, die mit der Mediendigitalisierung Mitte der 2000er begann und nun ein neues Level erreicht hat. Man spricht ja sogar bereits vom Streaming War, in dem die Streaming-Plattformen um die Vorherrschaft auf diesem Markt kämpfen.blood red sky interview

T&K: Dein neuester Film BLOOD RED SKY startete am 23. Juli ebenfalls im Stream auf Netflix.
Der Trailer verrät ja schon einiges und manch einer wird sich der Überraschung beraubt fühlen. War das nötig, um dem Publikum mit dem Twist nicht vor den Kopf zu stoßen?

Benjamin Munz: Hahaha. Da kann ich nur sehr müde lachen. Der Twist ist ja sogar auf dem Poster des Films zu sehen. Es handelt sich hierbei ja gar nicht um einen Twist. Denn dieser ist ja bereits Teil des Pitches. Ein Flugzeug wird entführt, doch womit die Entführer nicht gerechnet haben, ist: Sie haben die letzte Vampirin an Bord. Wir wussten von Anfang an, dass jeder der den Film schauen wird, wissen wird, dass es um Vampire geht. Der Trailer verrät tatsächlich eigentlich sogar nur sehr wenig. Alle denken es sei einfach nur STIRB LANGSAM, und es geht nur um den Kampf zwischen der Vampirin und den Entführern, aber es geht in dem Film um so viel mehr. Auch ist der Film sehr viel mehr Drama als man denkt. Peter (Thorwarth) hat hier keinen Horrorfilm gemacht, sondern einen echten Genre-Mix inszeniert, der irgendwo zwischen Thriller, Drama und Actionfilm fällt. In den USA bezeichnet man solche Filme als Modern Drama. So ist zum Beispiel HOUSE OF CARDS oder auch BREAKING BAD diesem neuen Genre zuzuordnen. Serien, die alles haben: Spannung, Drama, Action, Humor… einfach gute Unterhaltung und die Genregrenzen verschwimmen. Als Zuschauer erwarte ich, dass ein Film oder eine Serie mich überraschen. Bei BLOOD RED SKY war ja grade das die Aufgabe. Wenn der Film mit „Sie ist ein Vampir“ vorbei wäre und nicht mehr spannend wäre, dann hätten wir unseren Job nicht gemacht. Doch es passiert noch sooo sooo viel mehr. Und, naja, ich glaube, wer BLOOD RED SKY gesehen hat, weiß, was ich meine ?

T&K: Ungeachtet dessen, was der Trailer zeigt, auf was würdest du uns in eigenen Worten einstimmen?

Benjamin Munz: Schnallt Euch an ?!

T&K: Ich war von zwei Dingen überrascht. Zum einen waren die Figuren relativ klischeefrei.
Klar, man hat Leute wie den typisch deutschen Rentner, der glaubt, dass das Gepäckfach im Flugzeug ihm gehört, aber das kennt man aber gerade aus Filmen, die in abgegrenzten Situationen spielen deutlich aufdringlicher.
Zum anderen war ich erstaunt, wie wenig Spaß die Story versteht.
Man hat wenige funny Kills, die dem Horror den Schrecken rauben, es geht blutig zu und niemand scheint sicher.
Logischerweise gibt es ein Drehbuch, aber bespricht man vorm/beim Drehen noch mal explizit, dass man keine Komödie mit vollumfänglichem Happy End will oder wie viele Klischees in den Film passen?

Benjamin Munz: Das Konzept von BLOOD RED SKY war es von Anfang an mit den Klischees und den Erwartungen der Zuschauer zu spielen. Jede Sekunde soll der Zuschauer von einer neuen Wendung, auch grade in den Figuren, überrascht werden. Er soll gar nicht mehr wissen, was da als nächstes kommt. Der Film fängt relativ „klischeemäßig“ an. Eine Air Base irgendwo im nirgendwo. Harte Kerle, Islamistische Terroristen, ein überlebender kleiner Jungs. Das sind alle Tropen, die man aus den Actionfilmen der 80er Jahren kennt. Doch Peter hat es schon mit der ersten Drehbuchfassung geschafft, mit diesen gelernten Mustern zu spielen.Blood_Red_Sky rezension

T&K: BLOOD RED SKY wurde ja offenbar während der Corona-Zeit produziert, welche zusätzlichen Probleme sind daraus beim Filmemachen entstanden?

Benjamin Munz: Wir hatten die ersten Drehtage in der Slowakei, mitten im Tatra-Gebirge, hinter uns gebracht, und waren grade in Prag angekommen, als wir plötzlich und über Nacht Tschechien verlassen mussten. Die Grenzen wurden über Nacht geschlossen und wir mussten, teils mehrere Kilometer zu Fuß, mit unserem Gepäck über die Grenzen gehen. Danach waren wir 3 Monate im Lockdown. Wir saßen wirklich alle wie auf Kohlen und konnten es nicht erwarten nach Prag zurückzukehren, um endlich in unserem Flugzeug zu drehen. Es war Wahnsinn. Jede Woche hofften wir auf das Go und Lockerungen, die uns die Dreharbeiten wieder ermöglichen sollten. Als wir dann im Juni wieder mit den Dreharbeiten weitermachen konnten, mussten diese unter strengsten Hygieneauflagen stattfinden. Wir wurden in Gruppen aufgeteilt, die untereinander keinen Kontakt haben durften. Was bei einer Filmproduktion, wo jedes Rad ins andere greifen muss, natürlich sehr schwer ist. Wir durften unsere Wohnungen in Prag nicht verlassen, und wurden vor der Haustür abgeholt und ins Studio gefahren. Essen wurde uns aus dem Supermarkt vor die Tür geliefert. Es war wirklich irre.

Allerdings hatte die ganze Sache auch ein Gutes für uns. Es gab uns die Zeit den Film und den Dreh in dem engen Flugzeugmotiv exakt zu planen. Wirklich bis ins Detail. Es gab gezeichnete Pläne, wann welche Pistole wo im Flugzeug ist und wann welche Figur sie in die Hand bekommt.

T&K: Du bist als Produzent aktiv, eine Tätigkeit, die einerseits natürlich immens wichtig ist, andererseits immer etwas vergessen geht, weil man die Schauspieler natürlich sieht und auch eine Vorstellung hat, was ein Autor, Maskenbildner oder natürlich Regisseur tut.
Wie würdest du selbst deinen Beruf in knappen Worten beschreiben?

Benjamin Munz: Ich mache bei einer Filmproduktion den gleichen Job wie der Manager eines Fußballvereins wie Uli Hoeneß (nein, ich hinterziehe keine Steuern). Als Produzent ist man der Einzige, der von der ersten Sekunde bis zur letzten Sekunde an einem Projekt arbeitet. Oft noch bevor Drehbuchautor und Regie dazukommen. Man ist das Bindeglied zwischen dem kaufmännischen Unternehmen, welches eine 15-Mio.- Euro-Filmproduktion darstellt, und der kreativen Abteilung, die versucht die Vision des Films umzusetzen.

Am einfachsten zu vergleichen ist das ein bisschen mit einem Projektleiter Job oder einem Abteilungsleiter.


T&K: Und konkret, was waren deine Aufgaben bei BLOOD RED SKY, wo meines Wissens sechs Leute als Produzenten gelistet sind?

Benjamin Munz: Ja, da ist immer Christian Becker. Er hat alle Filme von Peter produziert, ist der Chef der Rat Pack Filmproduktion, eine der erfolgreichsten Filmproduktionsfirmen Deutschlands. Auf ihn gehen Hits zurück wie DIE WELLE, WICKIE, JIM KNOPF, FACK JU GÖHTE, VORSTADTKROKODILE und viele viele mehr. Er ist seit über 10 Jahren mein Chef, enger Freund und Mentor. Christian produziert gleichzeitig viele große Projekte und kann nicht immer überall sein. Daher hat er für seine Projekte Producer. Diese führen für ihn diese Projekte vor Ort durch. Und bei BLOOD RED SKY war ich der Producer. Ich bin quasi 6 Monate neben Peter gehockt und habe zusammen mit dem Team den Film gemacht. Es war eine unglaubliche Zeit. Da ich bei POLAR, der Film, den ich zuvor in Toronto mit der Constantin Film gemacht hatte, bereits viel Second-Unit-Erfahrung gesammelt hatte, habe ich dann auch bei BLOOD RED SKY die 2nd Unit Regie übernommen. D.h. dass Peter mit den Darstellern die wichtigen Szenen dreht, und ich teils mit Komparsen, Doubles und Stuntleuten die Szenen gedreht habe.

T&K: Horror und Deutschland, das ist ja immer noch was, woran sich die Geister scheiden. Die einen schätzen die kleinen Amateurstreifen, die anderen sagen, dass Deutschland überhaupt nur seichte Komödien kann. Du hast dich seit Beginn deiner Karriere auf Horror und düstere Themen gestürzt, zu denen ich jetzt auch mal Werke wie POLAR zähle. Braucht man dafür extra starke Ellbogen?

Benjamin Munz: Ich renne seit VIVA BERLIN (Deutschlands erster Zombie-Webserie) in Deutschland gegen verschlossene Türen. Ich bin in einem Comic- und Gameshop (Fantasy Stronghold in Ludwigsburg) großgeworden und habe hier viele Jahre hinter dem Tresen gestanden. Ich lese nur Fantasy, gehe jede Woche zum Brettspielabend und sammle in meiner wenigen Freizeit Pokemon-Karten. Ich interessiere mich einfach nur für Genre. Ich wollte nie andere Filme und Serien machen. Ich muss sagen, andere Sachen interessieren mich auch einfach nicht wirklich. Das ist in Deutschland, wo eigentlich nur Komödien fürs Kino und Krimis fürs Fernsehen gemacht wurden, sehr schwierig. Erst jetzt durch Netflix kommt da langsam Bewegung in die Bude. Und ja, warum sollte es nicht auch SciFi- und Fantasy-Filme aus Deutschland geben… Warum ist STAR WARS amerikanisch? Und nicht deutsch?

T&K: Auch hier wieder konkret, gab es besondere Schwierigkeiten einen Film wie BLOOD RED SKY von der Idee bis zur Veröffentlichung?

Benjamin Munz: Peter hat 16 Jahre lang versucht diesen Film zu machen. Ich war die letzten 10 Jahre dabei. Immer wieder waren wir kurz davor. Aber dann ist jedes Mal die Finanzierung zusammengebrochen. Warum sollte man auch einem deutschen Regisseur, der bisher nur mit Komödien aufgefallen ist, einen solchen Film anvertrauen. Es war sehr schwierig. Auch sehr schade, weil wir in Deutschland genug Talent haben, vor und hinter der Kamera, um solche Projekte zu stemmen. Doch der Mut fehlt hier einfach. Erst jetzt werden die alten Muster und Strukturen durch die Streamer, allen voran Netflix, aufgebrochen und Kreative erhalten die Möglichkeit, aus ihren bisherigen Schubladen auszubrechen und endlich sich auch einmal in anderen Fahrwassern auszuprobieren. Es ist eine spannende Zeit und ich freue mich sehr auf die Zukunft, und wer weiß vielleicht sogar bald einen ersten Mainstream Fantasy-Film aus Deutschland.

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