Rob Jabbaz ist der Regisseur von THE SADNESS. Jenem Film, der eine kleine Odyssee durch die Instanzen des Jugendschutzes hinter sich hat und den meisten Menschen, die ihn sich vor dem regulären Kinostart auf dem Fantasy Filmfest ansehen konnten, ein sadistisches Grinsen aufs Gesicht zauberte.
Ein solcher Film wirft natürlich Fragen auf und wir konnten uns den in Taiwan lebenden Kanadier Jabbaz greifen, um mit ihm über die Entstehung, die Einflüsse, THE SADNESS 2 und die Frage zu sprechen, ob wir es eigentlich mit einem Zombiefilm zu tun haben.
Dabei entpuppte sich Rob als redseliger, aber überlegter Filmkenner, mit dem es Spaß machte zu plaudern, so dass wir das Interview in Spielfilmlänge hier auf die wichtigsten Punkte reduzierten.
Aber beginnen wir am Anfang, nämlich der Frage, wie THE SADNESS entstand:
„Es gab da diesen Typen, einen Ex-Popstar in Taiwan, der sehr klug mit seinem Geld, das er mit der Musik verdiente, umging. Er investierte in verschiedene technologische Produkte, wie Cryptos, Cam Girl–Seiten und ähnliches. Und dann eröffnete er eine Entertainmentfirma. Er mag Filme und er wollte schon lange einen Film drehen. Es war ein persönlicher Traum von ihm und wir wurden irgendwann Freunde.
Als Covid kam, dachte er, es wäre der richtige Moment diesen Film zu drehen, denn Taiwan kam mit der Situation vergleichsweise gut klar.
Also fragte er, ob ich ein Drehbuch schreiben könne. Über Zombies und eine Pandemie.
Ich habe einen gewissen Background für Storytelling und Filme, aber bin eigentlich Animator.
Ich schrieb das Skript und wollte es einfach etwas interessanter als den üblichen Zombiefilm machen, also wählte ich Verrückte, statt hirnlose Zombies. Und ich dachte, dass die sexuelle Gewalt interessant sein könnte, da es eine besondere Bedrohung hinzufügt und eine Art Tabu ist.
Anfangs sollte ich keine Regie führen, aber die Regisseure, die sich das Drehbuch ansahen, empfanden die Dialoge der Infizierten als witzig. So als würden sie ZOMBIELAND drehen, wie eine Horrorkomödie. Und sie wollten zu viel Kohle.
Also fragten sie mich und ich sagte, dass ich das tun könne, aber nicht wolle, dass jemand am Ende auf die Idee kommt, alles noch mal umzuschneiden. Ich wollte den Final Cut. Ich wollte meine Energie und Passion da reinstecken.“
Auf die Frage, ob Rob sich im Vorfeld um Eltern, Jugendschützer und Zensurbehörden weltweit Sorgen machte, gibt er sich bescheiden und versucht gar nicht erst seinen Film als etwas besonderes zu verkaufen:
„Ich denke nicht, dass der Film so hardcore ist. Einiges von den wirklich schlimmen Dingen wird nur angedeutet und Blutspritzer, Herausreißen von Fleisch und so weiter, das sieht man auch in THE WALKING DEAD. In GAME OF THRONES waren eine Menge Vergewaltigungen und nichts in THE SADNESS ist schlimmer als das was in einer Mainstreamserie wie GAME OF THRONES gezeigt wurde. Als wir den Film drehten, dachte ich darüber aber nicht viel nach.“
Angesprochen auf seine Einflüsse für den Film und die Frage, ob der explodierende Kopf im Fernseher zufällig an David Cronenbergs SCANNERS. erinnert, legt Rob die Karten auf den Tisch:
„Ich glaube, wenn jemandes Kopf explodiert, ist es unmöglich, die Szene nicht mit SCANNERS zu vergleichen. Aber da wir schon über Cronenberg sprechen: von all den Machern der 70er und 80er, wie John Carpenter, John Landis, David Cronenberg, Wes Craven, Tobe Hooper, Typen die eine Menge bewegten, denke ich, dass Cronenberg auf einem anderen Level ist.
Leider war die Kopf-Explosion nicht so gut wie seine und nicht so messy. Wir versuchten den Kopf mit allem möglichen zu füllen, aber wir konnten kein Gewehr in Taiwan auftreiben. Die haben hier keine Schusswaffen, aber damals wurde der Effekt mit einer Flinte umgesetzt.
Wir nahmen also eine Art Sprengkörper, aber selbst die kleineren waren zu wuchtig und alles verdampfte im Kopf. Daher sieht die Explosion etwas trocken aus.“
Und was war mit dem Feuerlöscher? Eine bewusste Verneigung vor IRREVERSIBLE?
„Das ist eine Art Umkehr von IRREVERSIBLE, die ich cool fand. Da das eine Frau mit einem Mann macht, empfand ich das als Form von Gerechtigkeit. Einfach als kleines Augenzwinkern an die Leute da draußen, die wissen was gemeint ist.“
Von RABID über CROSSED zu THE SADNESS…
Auch mit seinen Einflüssen hinsichtlich der Infizierten geht Rob ehrlich um. Statt so zu tun, als habe er gerade das Rad neu erfunden, macht er keinen Hehl daraus, dass die grausamen CROSSED-Comics eine erhebliche Inspiration waren:
„Die waren ein großer Einfluss. Gehen wir noch mal zu Cronenberg und Filme wie RABID oder SHIVERS – PARASITEN-MÖRDER, wo Infizierte sexuelle Befriedigung dadurch erfahren, andere zu attackieren. Vielleicht ist das, woher Garth Ennis (Autor der Comics – Anm. des Verfassers) seine Idee herholte. Wer weiß?
Was ich sagen will, diese Ideen lagen schon länger auf dem Tisch.
Die Cover von CROSSED sagen viel über die Comics aus. Sie sind gore-lastig. Da ist ein Flugkapitän, der das Flugzeug in einen Kindergarten steuert, die Babysitterin tötet die Kinder, um die sie sich kümmern sollte, der Hund ist in der Mikrowelle…der Künstler lässt seiner Fantasie einfach freien Lauf. Und die größte Inspiration von CROSSED ist einfach der Geschmack, die verrückte Intensität davon.
Aber es gibt keinen CROSSED-Film, weil der Inhalt zu hardcore ist, aber es liegt auf dem Tisch. Es ist Teil des kulturellen Buffet-Tisches, also gehe ich rüber zu dem Tisch und nehme diese Prämisse, aber schreibe meine eigene Geschichte zu meinem eigenen Film.
Leute die behaupten, es wäre geklaut, haben noch nie etwas in ihrem Leben geschrieben. Eine Prämisse und eine Geschichte, sind völlig unterschiedliche Dinge. Es ist als würde man sagen, dass THE LOST BOYS ein DRACULA-Ripoff wäre.“
Ist THE SADNESS ein Zombiefilm?
Die Frage, die natürlich jeden Klugscheißer dieser Welt umtreibt und in diesem Gespräch unbedingt geklärt werden muss: Ist THE SADNESS ein Zombie-Film, wie Rob ihn sogar selbst nannte, oder will er sein Werk als etwas anderes verstanden wissen?
„Wir haben dieses großartige Zitat vom ‚Rue Morgue Magazine‘, die den Film den brutalsten und verdorbensten Zombiefilm aller Zeiten nannten. Und sie sagten ‚aller Zeiten‘. So wie: dieser eine!
Daher war das ein Superlativ-Zitat, dass Raven Banner (Vertrieb – Anm. des Verfassers) fragte, ob sie das nutzen können, da ich THE SADNESS nicht wirklich als Zombie-Film betrachte. Aber ich sagte: Fuck, nutzt es, es ist solch ein guter Slogan. Wenn ich eines seit dem Beginn der Reise mit THE SADNESS gelernt habe, ist es, dass man die Faulheit des Publikums nicht unterschätzen sollte. Und man sollte nie vergessen, wie faul der Käufer ist.
Und es macht Sinn Dinge in ein vorhandenes Genre oder Sub-Genre zu stecken. Also sagten wir: Ok, es ist ein Zombie-Film, denn es gibt diesen Ansteckungs-Aspekt und wir haben diese Szenen, in denen viele Leute durch die Straße rennen.
Ich denke, dass der Hauptfaktor, der einen Zombiefilm ausmacht, die Hirnlosigkeit der Infizierten ist. Sogar in 28 DAYS LATER sind sie technisch gesehen nicht aus dem Grabe auferstanden, aber sie sind geistlos und man fühlt nicht mit ihnen. Sie werden einfach von etwas angetrieben, das außerhalb ihrer Kontrolle liegt. Ein Stück weit ist das auch bei THE SADNESS so. Sie werden von etwas beeinflusst, das sie nicht kontrollieren können, aber sie genießen es und die Intelligenz ist auch noch da. Aufgrund des Denkens und der Kommunikation würde ich es daher keinen Zombiefilm nennen.
Aber wen juckt das? Es ist alles Fiktion, also was solls?“
Die Konstellation, dass ein Kanadier in Taiwan Filme dreht, ist wohl recht einzigartig. Stellt sich die Frage, ob es leichter gewesen wäre, THE SADNESS in der Heimat zu drehen oder sogar schwerer.
„Einerseits ist Taiwan günstiger als Nordamerika, aber nicht so billig, wie man denken könnte. Aber man kann solche Punkte wie Film- und Handwerkergewerkschaften umgehen.
Das reduziert die Kosten, aber es ist immer noch teuer.
Was wirklich Kohle gespart hat, war, dass ich alle digitalen Effekte selbst machen konnte. Ich hatte dafür keinen Assistenten, aber einen Freiberufler. Es gab also nur zwei Personen für die digitalen Effekte und man kann einige davon erkennen, aber das meiste waren Aufräumarbeiten.“
Zu jung für Ripley
Eine Sache, die nicht unerwähnt bleiben darf, ist die starke Frauenfigur, in Form von Kat, die von der jungen Schauspielerin Regina gespielt wird. Während viele Filme derzeit versuchen mehr Frauen, ethnische Vielfältigkeit und lange unbeachtete Randgruppen in eine Handlung einzubauen und sich das oft gezwungen anfühlt, wirkt Kat recht organisch platziert. Während sie keine Ripley aus ALIEN ist, tritt sie doch deutlich stärker auf als das übliche schreiende Final Girl.
Absicht oder Zufall?
„Um ehrlich zu sein, im ersten Entwurf des Drehbuchs war Kat eher wie Ripley angelegt. Etwas älter als Regina. Regina ist im Film erst 20.
Jeder sollte älter sein, denn ich neige dazu Leute in ein Alter zu schreiben, das ich selbst habe, also etwa 35. Aber mein Produzent, Jeff, bestand darauf, dass wir Berant Zhu anheuern, der den Jim spielt und etwa 21 Jahre alt ist. Nachdem wir ihn gecastet hatten, hätten wir natürlich immer noch jemanden für die weibliche Hauptrolle holen können, die älter ist, aber dann hätte man es erklären müssen.
Also mussten wir umplanen und jemanden finden, die jünger ist. Wir casteten eine Menge Frauen und ich wählte Regina aus, weil ich ihr ängstliches Gesicht mochte. Man will den Bildschirm berühren und sie einfach retten, weil man sich um sie sorgt. Da wusste ich, sie ist es. Und darum geht es in dem verdammten Film. Man soll nervös werden und mit der Figur fühlen, die verfolgt wird.
Also wählten wir sie aus und ich versuchte ihr Ripley-artige Dialoge zu geben, aber es machte aus ihrem Mund keinen Sinn. Also sagten wir, lass uns das etwas anders machen.
Wenn man diese Art des Filmemachens macht, ist Flexibilität wichtig und man muss für bessere Ideen offen sein. Man hat die Idee für einen Ort und dann kommt man an die Location und denkt: verdammt, da sollten zwei Stockwerke sein. Da ist aber nur eins.
Und das ist, was mit Regina geschah. Der Charakter der Kat wurde etwas weicher, wie eine verängstigte junge Frau, die aber über sich hinauswächst, wenn es darauf ankommt und das funktionierte.“
Nachdem Rob mit THE SADNESS bei Fans und Kritikern einen bleibenden Eindruck hinterließ, bleibt die Frage, was kommt als nächstes? THE SADNESS 2?
„Die Zukunft? Ich weiß nicht. Ich würde es lieben einen weiteren Film zu drehen. Gerade schreibe ich ein Drehbuch. Um ehrlich zu sein, der Grund warum wir das Interview gerade jetzt machen, ist weil man beim Schreiben ständig am Prokrastinieren ist.
Was ich schreibe ist wieder Horror, aber eher ein Creature-Ding. Es geht um Monster und Body Horror Elemente und viele Transformationen in Form von Mutationen. Verrückter Scheiß.
Ich glaube, dass die Maschine, die THE SADNESS antreibt, Menschen sind, die andere Menschen verletzen. Also wollte ich sehen, ob ich diese Maschine ausbauen und mit einer anderen ersetzen konnte, die ebenso angsteinflößend und intensiv ist, ohne auf diese ‚Krücken‘ zu vertrauen.
Gleichzeitig ist da dieses go, go go! Es ist fast wie ein Videospiel, wo man eine Karte hat und weiß wo jeder ist, was jeder braucht und jeder tun muss, aber auch, wo die Gefahr lauert.
Aber um es kurz zu machen: es ist ein Monsterfilm.
Und um auf THE SADNESS 2 einzugehen: ich denke nicht, dass ich das schreiben werde, außer man bietet mir viel…einen echten Berg an Geld.
Ich bin mir sicher nicht zu fein, einen Scheck zu nehmen, aber wie ich es sehe, habe ich ohne Tzu-Chiang Wang, der den Geschäftsmann spielt, keinen Film. Er ist mein Robert Englund.
Er ist der Haupt-Bösewicht durch den ganzen Film hinweg. Ich habe da alles auf diese Karte gesetzt.
Und obwohl er nicht wie Jason in den FREITAG, DER 13. – Filmen ist, wird der Film dadurch etwas zum Slasher. Man hat da diesen durchgeknallten Verrückten, der dieses Mädchen jagt und der Film funktioniert nicht ohne ihn.
Aber hey, wenn mir einer viel Geld dafür geben möchte, die amerikanische Version von THE SADNESS zu filmen, ruft mich an!“
Bildquelle: photo courtesy of Machi Xcelsior Studios