Der erste Blick aufs Cover von HUNTING SEASON lässt ahnen, man habe es womöglich mit einem weiteren Streifen zu tun, in dem reiche Geldsäcke Jagdgesellschaften organisieren, um aus reinem Spaß unschuldige zu erschießen. Allerdings reicht bereits ein Blick in die Inhaltsangabe um zu bemerken, dass der Film mehr Substanz enthält.
Die Teenager Nate und Skylar töten während eines Jagdausflugs versehentlich Bürgermeister Cavanaugh. Während dessen Familie eine Mordanklage anstrebt, glaubt der Vater der Brüder – ausgerechnet der Sheriff der Kleinstadt- an ihre Unschuld. Doch dann fliehen die beiden während eines Gefangenentransports und der mächtige Cavanaugh-Clan geht zur Selbstjustiz über und nimmt die Verfolgung auf.
Schon in den ersten Minuten des Films wird klar, dass HUNTING SEASON nicht auf dicke Hose machen will, die Cover und FSK18-Freigabe (der Film selbst ist „ab 16“, lediglich das Bonusmaterial sorgt für die höhere Einstufung) versprechen. Die Regisseure Abe Levy und Silver Tree gehen nicht nur mit einer gewissen Ruhe an die Sache heran, sondern legen damit einhergehend Wert auf glaubhafte Figuren und zeichnen ein Bild zweier unterschiedlicher Familien in einem durchschnittlichen Städtchen, die angestachelt durch die aktuellen Ereignisse, aber auch durch Geschehnisse der Vergangenheit, zu Feinden werden.
Die interessantesten Charaktere sind dabei jene, die durch ihre inneren Interessenkonflikte zwischen die Fronten geraten, wie eben der Sheriff (gut gespielt von Ted Levine, dem Buffalo Bill aus DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER) oder dessen Deputy, ein Cavanaugh, der aber ebenfalls um Einhaltung der Gesetze bemüht ist.
Eine ganze Reihe Menschen stirbt Im Verlauf von HUNTING SEASON und trotzdem wirkt die „ab 18“-Freigabe überzogen, denn die Gewalt wird teilweise nicht oder nur am Rande gezeigt, vor allem aber nicht sinnentleert zelebriert.
Daher ist der Film auch keinesfalls als Horrorfilm, sondern eher als Thrillerdrama zu bezeichnen. Gelegentlich mischen sich sogar einzelne humoristische Farbtupfer hinzu und eine stille Kritik an der Waffenlobby ist ebenfalls auszumachen.
Die Jagd auf Nate und Skylar durch ausgedehnte Wälder erinnert entfernt an den ersten RAMBO-Film, schon aufgrund der gleichen Handschellenproblematik mehr noch an FLUCHT IN KETTEN. Ein weiterer Filmklassiker wird ACHTUNG SPOILER mit dem BUTCH CASSIDY UND THE SUNDANCE KID – mäßigen Finale zitiert.
Die nachvollziehbare Eskalation der Konflikte könnte hingegen aus dem Universum von Jack Ketchum stammen.
Im Laufe des Films geht leider etwas Ernsthaftigkeit verloren und nicht nur werden die Häscher der beiden Brüder fast allesamt als dumme Hillbillys dargestellt, sondern es scheint auch so, als könnten die Gejagten jeder brenzligen Situation mit einem Sprint entkommen, wogegen weder eine Übermacht noch Gewehre etwas ausrichten können.
Trotzdem ist HUNTING SEASON ein sehenswerter Film, der zwar nicht das hält was sein Äußeres verspricht, aber genau deswegen Platz für andere Stärken hat.