PELIKANBLUT ist ein Film, der auf den ersten Blick so gar nicht zu uns passen will.
Der Titel birgt keinen Thrill, der Kino-Untertitel („Aus Liebe zu meiner Tochter“) dafür Kitsch, das Cover enthält keinen Horror, die Inhaltsangabe ist vor allem Drama und die ersten Minuten ähneln eher einem Ponyhof, als Spannungskino für Erwachsene.
Man muss also genauer hinsehen und entdeckt dabei den Namen Katrin Gebbe. Dies ist die Regisseurin von TORE TANZT, einem Drama mit Horrorelementen. Gibt man PELIKANBLUT dann auch noch genügend Geduld, erkennt man, weswegen man ihn auf einer Website findet, die sich vor allem um Horror kümmert.
Inhalt von PELIKANBLUT
Wiebke leitet einen Pferdehof auf dem Polizeipferde ausgebildet werden. Außerdem ist sie Adoptivmutter der 9jährigen Nicolina, die nun eine ebenfalls adoptierte Schwester bekommen soll. Raya ist 5, als sie zu der kleinen Familie kommt und lebte bisher in einem bulgarischen Waisenhaus.
Zunächst fügt sie sich gut ein, doch dann zeigt sie immer drastischere Verhaltensauffälligkeiten. Sie verletzt andere Kinder und legt Feuer…langsam dämmert in Wiebke der Verdacht, dass Raya von einer Präsenz besetzt sein könnte.
Das Leben ist kein Ponyhof
Siehe da, es gibt sie, die Symbiose aus DER PFERDEFLÜSTERER, SYSTEMSPRENGER, BABADOOK und DER EXORZIST.
Die Marketingabteilung, die PELIKANBLUT betreut, dürfte bei solch einem Film die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, denn es ist ein Film ohne Publikum. Da es sich tatsächlich zu großen Teilen um ein Drama handelt, werden viele Horrorfans enttäuscht sein. Kommt dann doch Übernatürliches ins Spiel, werden Realisten die Augen rollen.
Natürlich sollte das niemanden abschrecken, der auf klare Genrezuordnungen pfeift. Auch wenn es kommerzieller Selbstmord ist, sollte man keinem Film ankreiden, dass er in keine Schublade passt. Der Übergang von einer sehr weltlichen Darstellung der Probleme um Raya, die als Kleinkind ein schreckliches Trauma erlitt, hin zu psychologisch-pathologischen Ergebnissen bis eben zur Erklärung (leichte Spoiler), dass durch einen Riss in ihrer Seele etwas Böses eindringen konnte, ist nachvollziehbar.
Gleichzeitig werden Parallelen zu einem Pferd eingebaut, das vermeintlich nicht zum Polizeipferd ausgebildet werden kann, aber ähnlich wie Raya Wiebkes ganze Aufmerksamkeit erfährt.
Wie nah Wiebke ihre Ziehtochter heranlässt, um deren verlorene Kindheit einzuholen, ist für Zuschauer und weitere Figuren im Film befremdlich.
PELIKANBLUT ist ein Film ohne Zielpublikum
Wer in BABADOOK schon zu wenig Horror fand, aber den kleinen Sohn als echte Nervbratze einstufte, wird PELIKANBLUT abgrundtief hassen. Die Kleine ist laut, vulgär und gewalttätig, allerdings ist Wiebke abgeklärter als die Mutter in BABADOOK dargestellt.
Trotzdem kann man erahnen, dass sie ungern mit jemanden unter einem Dach lebt, die ihr androht, sie nachts aufzuschneiden.
Trotz solcher kleineren Episoden ist der Horror/Grusel/Mystery-Anteil untergeordnet. Allerdings sorgt genau das Fehlen einer Effektebatterie dafür, dass Feinheiten unangenehmer wirken als der millionste Blumhouse-Jumpscare.
Handwerklich ist PELIKANBLUT „so lala“. Ich werde nie verstehen, warum man in ruhigen Landschaftsszenen die Kamera nicht auf ein Stativ stellen kann. Gewackle ohne Anlass wirkt immer unprofessionell.
Die Handlung schreitet voran, eine Entwicklung ist festzustellen, ab und an dreht sich die Story aber auch im Kreis und zeigt weitere Raya-Eskapaden, obwohl dem Beobachter dann schon längst klar ist, dass das Mädchen Probleme hat/macht.
Aber auch dank behäbigen, typisch deutschen Dialogen, kommt der Film mit über zwei Stunden auf eine Laufzeit, die hätte kürzer ausfallen sollen.
Andererseits ist PELIKANBLUT kein Werk, dass bequem und Mainstream sein will, sondern sich seine Freiheiten nimmt. Vielleicht ist es daher auch gewünscht, dass man zu keinem der Protagonisten eine enge Beziehung aufbaut, sondern als Beobachter eben genau das ist: ein Beobachter. Dadurch wirkt die Story aber noch entrückter und hält das -ja ohnehin nicht vorhandene- Zielpublikum auf Distanz.
Nichtsdestotrotz spielt Nina Hoss (WIR SIND DIE NACHT) ihren ungewöhnlichen Mutterpart ordentlich. Das gilt auch für die kleine Katerina Lipovska, die im Film Raya ist und schon deswegen ihren Arbeitsnachweis erbringt, weil sie als emotionsloses Psychokid nervt wie Hölle….also ihren Job macht.
Übrigens: Der eingangs angesprochene Kitsch ist im Film trotz einer nebenbei stattfindenden Romanze kaum vorhanden.
Fazit:
So ambivalent PELIKANBLUT ist, so zweipolig ist auch das Urteil.
PELIKANBLUT hat seine Augenblicke, eine knackigere Inszenierung hätte ihm aber gut gestanden.