Gestern Abend erlebten wir etwas, dass es sonst nur zu Fußball-WM-Endspielen und totalen Sonnenfinsternissen gibt: Einen Moment, dem man sich nicht entziehen konnte, einen Augenblick des Innehaltens, eine Sekunde der Andacht.
Dem Großteil der Bevölkerung dürfte die Besonderheit des TV-Abends nicht einmal aufgefallen sein, es sei denn, man ist ein Horrorfan. Dieser kleinen Bevölkerungsschicht ist allerdings nicht entgangen, dass Geschichte geschrieben wurde.
Nach über 40 Jahren Lebensdauer wurde Tobe Hoopers Kultfilm TEXAS CHAIN SAW MASSACRE – BLUTGERICHT IN TEXAS erstmals im deutschen Fernsehen gezeigt.
Jede Horrorseite, die etwas von sich hält, wies im Vorfeld auf die Ausstrahlung hin, in jeder entsprechenden Facebookgruppe wurde darüber gesprochen und es gab sogar ein Facebook-Event, an dem man teilnehmen konnte. Es war klar, dies ist nicht einfach nur ein weiterer Horrorfilm, der zum x-ten Mal versteckt im Nachtprogramm läuft.
Dass über die Qualität des Films großes Einvernehmen besteht, ist ungewöhnlich genug. Die Filme, denen dieses Privileg zukommt, kann man an zwei Händen abzählen und die meisten davon entstanden innerhalb von 10 Jahren.
TANZ DER TEUFEL, DER EXORZIST, HALLOWEEN, ALIEN und einige wenige weitere sind die Streifen, zu denen es keine zweite Meinung gibt. Zumindest nicht wenn man als Film- und Horrorfan ernst genommen werden will und auch TEXAS CHAIN SAW MASSACRE zählt in diese exklusive Gruppe.
Etwas überraschender war dann doch, wie groß sich das Interesse hinsichtlich der Ausstrahlung darstellte. Zwar gab es kritische Stimmen, meist hinsichtlich möglicher Zensurschnitte, aber überraschend viele Menschen bekundeten auch nach Mitternacht und mitten in der Arbeitswoche die Augen offenhalten zu wollen, darunter nicht wenige, die den Streifen als DVD/Blu Ray ohnehin im Schrank stehen haben und die meisten Dialoge mitsprechen können.
Doch wie die neugierigen Fragen in sozialen Medien zeigten, zog der Rummel auch Leute an, die mit BLUTGERICHT IN TEXAS oder TEXAS CHAIN SAW MASSACRE oder TEXAS CHAINSAW MASSACRE bisher noch keine Berührungspunkte hatten oder nur Marcus Nispels Remake von 2003 kannten.
Eine wunderbare Gelegenheit also, das Original kennenzulernen.
Die Ausstrahlung selbst war letztlich für die meisten wohl weniger spektakulär als die Parade im Vorfeld. Zwar war der Film ungeschnitten, was für ein Werk, das erst vor wenigen Jahren vom Index runtergeholt wurde, nicht selbstverständlich ist, aber die logischen Werbeunterbrechungen bewiesen dann doch einmal mehr, warum man besser die DVD im Schrank stehen hat.
Und trotzdem war es nett anzusehen, dass die Horrorgemeinde, die sich ja nun wirklich nicht immer einig ist, für anderthalb Stunden (+Werbeunterbrechung) zusammenrückte, um einen der Großen des Genres zu würdigen. Bitte mehr davon.