Man hat oft den Eindruck, dass Horrorfilme und Mainstream-Kino weitestgehend unabhängig voneinander existieren. Wir sitzen in unserer dunklen Ecke, gruseln uns in Geisterhäusern oder verstecken uns vor Maskenmännern, während woanders wilde Action, große Gefühle oder kindgerechter Humor passiert.
Beim Thema Folter vermischen sich hingegen Realität, fiktiver Horror und Mainstream. Guantanamo, HOSTEL, 24, Abu Ghraib, SAW, ZERO DARK THIRTY, UNTRACEABLE oder GESETZ DER RACHE entspringen diesem Spannungsfeld, passierten oder entstanden zeitlich relativ nah beieinander.
Mit Realität hat GESETZ DER RACHE zwar nichts (also so gar nichts) am Hut und man kann hier auch nicht von einem Horrorfilm sprechen, er erweist sich aber trotz Besetzung mit Hollywoods A-Riege als Thriller mit ordentlicher Härte.
Wovon handelt GESETZ DER RACHE?
Die Familie von Clyde Shelton wird bei einem Einbruch brutal ermordet. Clyde muss die Tat mitansehen und hofft auf eine gerechte Strafe, doch während einer der Männer zum Tode verurteilt wird, kommt der zweite mit einer dreijährigen Haftstrafe davon.
Der verzweifelte Clyde ist mit diesem Strafmaß nicht einverstanden und rächt sich an allen, die nach seiner Ansicht Schuld tragen.
Moral? Welche Moral?
Gerard Butler, der hier den Racheengel mimt, wirkt wie der friedliche Nachbar von nebenan, nimmt sich hier aber die Zeit über 10 Jahre einen perfiden Vergeltungsplan auszulegen.
Sein Gegenpart ist Jamie Foxx, der den Staatsanwalt spielt, der sich auf einen Deal mit den Tätern einließ, aber -soviel sei verraten- weitestgehend von Clydes brutalem Rachefeldzug verschont bleibt.
Kein Zweifel, hier kriegt jeder sein Fett weg, aber selbst reaktionäres Publikum könnte anzweifeln, dass jeder seiner Schritte gerechtfertigt ist, da doch eine ganze Reihe unschuldiger hineingezogen werden.
Hieraus ergibt sich für den Betrachter ein moralisches Dilemma, denn obwohl das Verbrechen im Vergleich zu ähnlichen Filmen relativ kurz kommt, gönnen wir dem Familienvater seine Rache und den Bösewichtern auch alle Schmerzen, die sie ertragen müssen.
Auch in einer Szene, in der Clyde eine Richterin vorführt und damit Schwächen des Justizsystems aufzeigt, ist man garantiert auf seiner Seite. Ab einem gewissen Punkt wirkt der Mann aber nur noch selbstgefällig, rechthaberisch und unreflektiert.
Grundsätzlich ein smarter Schritt des Films, der damit die Selbstjustiz wieder in Frage stellt, allerdings ist GESETZ DER RACHE an anderer Stelle auffallend plump.
Nicht nur kommt die brutale Tat quasi ohne Motiv daher, auch Oberbösewicht Darby wird so ultrasiffig dargestellt, wie man sich als Mainstream-Schauer einen bösen Typen vorstellt.
Als Clyde ihn in seine Gewalt bringt, geschieht dies schrecklich umständlich und in genau diese Szene zeigt der Film, dass er der Logik gerne mal in die Eier tritt, wenn er dafür etwas Action zeigen kann.
Spoiler: Da wird Darby durch einen Anruf vor der anrückenden Polizei gewarnt, kann in letzter Sekunde und samt wilder Schießerei über die Dächer flüchten und sich in einen geparkten Polizeiwagen retten, wo Clyde (der auch der anonyme Anrufe ist) verkleidet auf den Verbrecher wartet.
Meine Güte, Clyde hätte einfach Darby einfach mit vorgehaltener Knarre auf der Straße einsammeln können. Warum dieses Tamtam? Weil es spektakulär ist und natürlich zeigen soll, was Clyde für ein ausgebuffter Typ ist.
Das wird dann auch in der Folge durchexerziert.
GESETZ DER RACHE versteht die Schwächen des Drehbuchs zu kaschieren
Ein anderes Problem des Films sind seine Figuren, die allesamt wenig Sympathien wecken. Clyde bekommt nur am Anfang unser Mitleid und auch zu Staatsanwalt Nick Rice baut man ein eher ambivalentes Verhältnis auf. Zwar folgt der Film meist seiner Figur, aber da er quasi nichts befürchten muss, fiebert man nicht mit ihm, während es doch seine Schuld war, dass das Strafmaß unter dem Möglichen blieb.
Alle anderen sind ohnehin unfreundlich und/oder Statisten.
Kann man über diese erzählerischen Schwächen und Dummheiten hinwegsehen, ist GESETZ DER RACHE aber dennoch ein unterhaltsamer und im Director`s Cut auch reichlich brutaler Thriller geworden.
Folter im engeren Sinne findet zwar relativ selten statt, aber dafür einige tödliche Fallen, die von Sauerstoffentzug bis zu Raketen reichen. Und so bügeln Tempo und Abwechslungsreichtum die Falten im Drehbuch weg.