ORPHAN genießt unter Thrill- und Horrorfans einen ausgezeichneten Ruf und obwohl die Story um ein Adoptivkind Esther weit hergeholt erscheint, steckt erstaunlich viel Wahrheit dahinter. Ansonsten macht ORPHAN vor allem richtig, dass er nicht viel falsch macht, das Böse direkt in den innersten Familienkreis transportiert und sowohl Schauspieler (Vera Farmiga, Peter Sarsgaard) als auch Locations professionell wirkten.
Obendrein erschuf der Film mit Esther eine Antagonistin mit Wiedererkennungswert.
Dass es einen zweiten Teil geben könnte, wurde allerdings immer unwahrscheinlicher. Nicht nur weiß man, wie ORPHAN endete, Esther-Darstellerin Isabelle Fuhrmann, die damals 12 war, ist inzwischen 25 Jahre alt.
Allerdings wäre Esther nicht Esther, wenn sie nicht jünger aussehen würde, als sie ist und statt Fuhrmann einfach gegen ein Kind auszutauschen, entschlossen sich die Macher von ORPHAN: FIRST KILL dazu, sie ihre Paraderolle noch einmal spielen zu lassen.
Was ist der Inhalt von ORPHAN: FIRST KILL?
In diesem Prequel zum ersten Film lernen wir die 31-jährige Leena Klammer kennen, die in einer estnischen Psychiatrie untergebracht ist. Die Besonderheit an Leena ist, dass sie das Äußere einer 9-jährigen besitzt, aber einen messerscharfen Verstand.
Mit diesem Verstand, Manipulation und Brutalität gelingt ihr bald die Flucht aus der Anstalt und nimmt die Identität eines vermissten Mädchens an. Dessen Familie hofft seit vier Jahren auf eine Heimkehr und ist froh ihre Esther in die Arme schließen zu können….
Zunächst ein Kompliment an die Verjüngungskur von Isabelle Fuhrmann. Während erste Fotos noch Zweifel ließen, ob es geschickt ist, sie nochmals als Kind zu zeigen, lässt sich nun sagen, dass die Operation gelungen ist.
Durch Kameraperspektiven oder auch einfach hohe Absätze der Mitschauspieler wurde Fuhrmann verjüngt und man muss schon zweimal hinschauen, um ihr echtes Alter zu schätzen.
Sicher, in Closeups ist zu erkennen, dass sie eben keine neun mehr ist, andererseits ist natürlich auch Leena/Esther nicht wirklich neun und so wirkt die Figur nicht trotz, sondern genau wegen dieses Widerspruchs optisch unheimlicher.
Auffällig wird es wohl nur, wenn man beide ORPHAN-Filme direkt nacheinander sieht.
ORPHAN: FIRST KILL beginnt in der Tradition des Originals, schlägt dann aber eigene Pfade ein
Dass es die böse Mädchen-Frau mit übertrieben passiven Anstalts-Wächtern zu tun hat, die sich von einer körperlich unterlegenen Gegnerin mehrfach den Schädel gegen die Wand hämmern lassen, ohne auch nur die Hand zu heben, ist da schon ein größeres Problem, über das man mühsam hinwegsehen muss oder Zweifel anmeldet.
Wenn ihr aber so drauf seid wie Esthers Familie, liegen euch Zweifel fern, die nehmen ihre (vermeintliche) Tochter nämlich zunächst auf, ohne viele Fragen zu stellen.
Man merkt es, der Film hat Probleme erzählerischer Natur und keines ist größer als der Twist, der sich etwa in der Mitte einstellt (Keine Angst, hier geht es spoilerfrei weiter). Glauben können das Gezeigte nur Leute, die Twists mehr mögen als Sinn, aber das was der Film letztlich aus diesen kleineren und großen Storyhängern macht, funktioniert dann doch.
Die Geister werden und dürfen sich hieran eindeutig scheiden, positiv anrechnen sollte man ORPHAN-FIRST KILL aber, dass er durch diese Wendung genug variiert, um kein plumper Abklatsch des ersten Films zu sein.
Gut gespielt, aber mit holpriger Story
Andere Elemente wurden hingegen sehr wohl übernommen, was auch nur konsequent ist. Esther mag noch immer Kleidchen, Zöpfe und wohlhabende Familien und dass der Film wieder im Winter spielt, kann man auch schlecht bemängeln.
Sprechen wir nochmals über den großen Twist (und hier begeben wir uns ins SPOILER-Gebiet):
Esthers Mutter und ihr Bruder wissen, dass Leena nicht Esther sein kann und nehmen diese dennoch auf. Die Erklärung dafür ist wie erwähnt hanebüchen.
Die Szenen, die sich in der Folge zwischen Familie und Ersatztochter zutragen, sind aber unterhaltsam geraten. Neben Fuhrmann fällt vor allem Julia Stiles als ihre Mutter auf. Stiles hat nicht nur seit ihrem Auftritt im DAS OMEN-Remake Ahnung von Kuckuckskindern, sondern entwickelt selbst dunkle Züge.
SPOILERENDE
Fazit:
Dass schlüssiges Storytelling nicht die Stärke von Regisseur William Brent Bell ist, bewies der schon mit seinen THE BOY-Filmen. Wer aber in die andere Richtung schaut, wie das Personal von estnischen Irrenanstalten es hier tut, wird trotzdem gut unterhalten.