Unsere Lobgesänge auf das spanische Kino wurden in den letzten Jahren leiser. Garanten wie Álex de la Iglesia (EL DIA DE LA BESTIA) oder Oriol Paulo (DER UNSICHTBARE GAST) können nicht überall sein und Netflix-Massenware verdünnte den guten Eindruck. THE COFFEE TABLE ist aber ein Film, der mal wieder mit erzählerischer Stärke punktet.
Bevor wir tiefer einsteigen, müssen wir aber über vier Dinge sprechen.
-Dies ist kein Horrorfilm, er könnte aber nicht nur für Kaffeetischbesitzer verstörend wirken.
-wenn wir hier über Suspense sprechen, ist damit nicht die heute oft verwendete Bedeutung von Grusel gemeint, sondern im Sinne von Alfred Hitchcock zu verstehen, dass wir als Zuschauer mehr wissen, als die Menschen im Film
-Anspannung ist nicht gleich Spannung
-über THE COFFEE TABLE weiß man im Vorfeld besser zu wenig als zu viel
Wer trotzdem ein paar Infos möchte, hier bekommt ihr sie.
Wovon handelt THE COFFEE TABLE?
Jesús und Maria sind frisch gebackene Eltern eines kleinen Sohnes namens Cayetano.
Obwohl für Maria damit der Traum schlechthin in Erfüllung geht, während sich Jesús noch in seiner Vaterrolle finden muss und den Kindsnamen nicht mag, lieben beide den Kleinen.
Für Missmut in der Beziehung sorgt aber ein kleiner Tisch, den sich Jesús im Möbelhaus aufschwatzen lässt.
Als Maria Cayetano und Jesús das erste Mal alleine lässt, geschieht etwas Schreckliches.
Da dies kein Blumhouse-Schinken ist, muss man auch nicht auf den verfluchten Tisch warten, die Wahrheit in THE COFFEE TABLE ist schrecklicher.
Obwohl sich der Vorfall bereits zu Beginn des Films zuträgt, warnen wir an dieser Stelle bereits vor Spoilern.
Cayetano stirbt durch die lose Glasscheibe des hässlichen und von Maria ungewollten Möbelstücks und während sein Vater weiß, dass er den Unfall nicht lange geheimhalten kann, bringt er es nicht übers Herz seiner Frau davon zu erzählen.
Die wenigsten dürften in einer vergleichbaren Situation gewesen sein, aber jeder der jemanden etwas beichten musste, kann erahnen, was in Jesús vorgeht. Nicht nur ist sein Sohn tot, nicht nur war er verantwortlich, es geschah durch den Tisch, den Maria strikt ablehnte.
Größte Tragik und Humor schließen sich in THE COFFEE TABLE nicht aus
Ironischerweise lacht sie den todunglücklichen Jesús sogar noch aus, als er ihr sagt, die Glasplatte sei gebrochen und er habe sich an der Hand verletzt. Dass ihr Sohn währenddessen vermeintlich schlafend im Nebenzimmer liegt und nicht wieder erwachen wird, kann sie nicht ahnen.
Als Zuschauer sind wir die Mitwisser des Vaters, der von Schauspieler David Pareja vorzüglich gespielt wird, sehen wie elend es ihm geht und durchleben seine Anspannung.
Dass sich an diesem Tag noch sein Bruder und dessen neue Freundin zum Besuch angekündigt haben und ein 13jähriges Nachbarmädchen in Jesús verliebt ist, macht alles noch schlimmer.
Wir haben weiter oben schon einmal Alfred Hitchcock erwähnt und der soll auch gesagt haben, dass man das Publikum so sehr leiden lassen muss, wie es eben möglich ist. Regisseur Caye Casas setzt hier nicht nur auf hitchcock’sche Suspense, sondern reibt auch noch Salz in die Wunden des Vaters und damit in die Augen der Beobachter.
Mach, dass es aufhört
Paradox klingt, dass THE COFFEE TABLE durchaus Humor besitzt.
Das zeigt er schon durch den schmierigen Möbelverkäufer, der beispielsweise das Fake-Gold des Tischleins anpreist, als wäre es etwas Positives.
Da der Film aber fast ausschließlich in der Wohnung der Familie spielt, erinnert er auch an Lustspiele meist vergangener Tage, bei denen charmante Lügen vor anderen vertuscht werden müssen und alles auf unterhaltsame Weise soweit eskaliert, bis man sich am Ende doch wieder in den Armen liegt.
Auch wenn wir wissen, dass ein Happy End nahezu ausgeschlossen ist, findet Casas Wege die Situation noch zu verschlimmern und erzeugt damit ein permanentes Gefühl der Anspannung, wie ich es selten im Film erlebe.
Und auch wenn man ihn nicht als Horrorfilm oder Thriller bezeichnen kann, sondern am ehesten dem Drama zuzuordnen ist, ist das was die Familie durchlebt der pure Horror, das was der Zuschauer davon abbekommt, der reine Thrill.
Fazit zu THE COFFEE TABLE
Nicht ganz die volle Punktzahl erreicht THE COFFEE TABLE, weil das Ende vergleichsweise überhastet wirkt, der Rest dieses Kammerspiels dürfte aber bei jedem mit etwas Empathie und/oder jungen Eltern intensive Gefühle auslösen.
Inhaltsverzeichnis