CHAINED ist ein Film von Jennifer Chambers Lynch. Wer mit dem Namen noch nicht vertraut ist, Jennifer ist die Tochter von Großmeister David Lynch (MULHOLLAND DRIVE, LOST HIGHWAY) und während ihr Film wenig von den alptraumhaften Psychotrips hat, die ihr Vater oft fabriziert, heißt das noch lange nicht, dass CHAINED einfache Kost wäre.
Sarah ist mit ihrem Sohn auf dem Nachhauseweg. Statt den unsicheren Bus zu nehmen, gönnen sich die beiden ein Taxi und landen prompt in den Fängen eines Serienmörders, der die Frau tötet und den neunjährigen fortan als Sklave bei sich hält. Abgeschottet von der Außenwelt und sogar Tageslicht muss der Heranwachsende bei seinen grausigen Taten unterstützen und ist Jahre später ein verängstigter Teenager, der nur „Rabbit“ genannt wird und stets angekettet ist.
Doch es kommt der Tag, an dem der junge Mann sich entscheiden muss, ob er dem Beispiel des perversen Killers folgen und selbst zum Mörder wird oder sich ihm widersetzt.
CHAINED gibt nicht vor auf Tatsachen zu beruhen, die Geschichte könnte aber über weite Strecken real sein und erinnert an wahre Fälle wie der von Natascha Kampusch oder zuletzt in Cleveland, wo Menschen über Jahre gefangen gehalten werden.
Dementsprechend unangenehm wirkt die Gewalt, die mal nur Offscreen vonstattengeht, mal in aller Deutlichkeit gezeigt wird.
Allerdings ist Brutalität nur ein notwendiges Übel, dem die Regisseurin zwar nicht aus dem Weg geht, viel interessanter ist jedoch das Spiel zwischen Täter und Opfer.
Bob quält Rabbit selten körperlich und trotzdem können wir erahnen, wie er sich fühlt, wenn er nur Reste essen darf, nie die Sonne sieht und die Leichen des Mannes entsorgen muss, der seine Mutter tötete.
Da wirkt es fast schon verhöhnend, dass das Haus des Taxifahrers inmitten einer grünen Landschaft steht, die Freiheit verspricht.
Deutlicher erleben wir aber noch das Seelenleben Bobs, dessen Dämonen der Vergangenheit noch sehr lebendig sind und in Rückblenden eingefangen werden.
Diese eigenwillige Kombination bedingt, dass sich zwischen den beiden eine ungewöhnliche Beziehung entwickelt, die mal an Lehrer-Schüler, mal an Meister-Sklave, mal an Vater-Sohn erinnert. Trotzdem mag es absurd wirken, dass der Lehrer dem Schüler die menschliche Anatomie an Leichenteilen näher bringt und mehr und mehr den väterlichen Wunsch entwickelt, der „Sohn“ möge in seine Fußstapfen treten.
So einfach die Geschichte ist, so komplex ist die Darstellung dieser beiden Menschen, die von Evan Bird bzw. später Eamon Farren (Rabbit) und dem immer noch sträflich unterbewerteten Vincent D’Onofrio (Bob) gespielt werden.
Seine Spannung zieht CHAINED dann auch weniger aus einzelnen Szenen, als vielmehr seiner Gesamtheit. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass sich die breite Masse von diesem dialoglastigen Film nicht angesprochen fühlen könnte. Hier erinnert Jennifer Lynch dann doch an ihren Vater, weswegen es umso mehr verwundert, dass der Film zum Finale hin gleich zwei Twists parat hat, von denen zumindest einer den Ton des Film ändert und leider gleichzeitig Teile der Logik unterspült.
Da das so wirkt, als wollten hier ein paar geldgierige Produzenten der Regisseurin ins Handwerk pfuschen, gibt es leichte Abzüge in der B-Note, das ändert aber nur wenig daran, dass CHAINED ein starker Psychothriller mit ausgezeichneten Darstellern ist.