Man könnte denken, dass mittlerweile sämtliche Geschichten Stephen Kings verfilmt sind. Immerhin erleben wir seit einiger Zeit bereits Zweit- und sogar Drittadaptionen.
Aber King ist natürlich seit mehr als 50 Jahren irrsinnig fleißig und so finden sich auch heute etliche Stories, die es weder ins Kino noch ins TV schafften.
Die Serie CHAPELWAITE ist zwar inzwischen eine Weile im Umlauf, brauchte seit der literarischen Erstveröffentlichung als BRIEFE AUS JERUSALEM (eine der Kurzgeschichten aus NACHTSCHICHT) aber mehr als 40 Jahre.
Dafür kann sich das Ergebnis sehen lassen.
Worum geht es in CHAPELWAITE?
1850. Nach dem Tod seiner Frau zieht der Kapitän Charles Boone mit seinen drei Kindern nach Chapelwaite, einem Anwesen in Maine, das seinem ebenfalls verstorbenen Cousin gehörte.
Obwohl die Familie wohlhabend ist, wird sie dort nicht eben mit offenen Armen empfangen. Die Kinder sehen anders aus als die Einheimischen, Charles handhabt die Dinge anders, aber vor allem hegen die Menschen der Umgebung einen Groll auf alle Boones.
Wie sich herausstellt nicht ganz ohne Grund.
Das „Jerusalem“, das im Titel der Vorlage auftaucht, ist Jerusalem’s Lot und der geneigte King-Fan weiß, das damit ein Städtchen gemeint ist, dass man auch als Salem’s Lot kennt.
Damit können auch Nicht-Leser erahnen, welche Bedrohung die Boones in der Serie erwartet.
CHAPELWAITE ist ein Prequel zu SALEM’S LOT
Die fällt damit aber überhaupt nicht ins Haus, sondern zieht ihre Spannung zunächst mal aus weitestgehend weltlichen Ereignissen. Auch wenn Stephen King beim Schreiben wohl nicht im Kopf hatte, dass man aus seiner Geschichte mal eine 10-teilige Serie (plus eine zweite Staffel) machen wird, fühlt sich das Tempo King-typisch an.
Es werden Figuren, Orte und Setting etabliert, es wird aber auch Atmosphäre aufgebaut.
CHAPELWAITE erschien im Jahr 2021 fast zeitgleich mit MIDNIGHT MASS und auch wenn letztere in der Gegenwart spielt, vermitteln sie ein ähnliches Feeling. Das liegt nicht nur am Vampir-Thema, sondern ist auch deswegen nicht ganz verwunderlich, da MIDNIGHT MASS – Schöpfer Mike Flanagan mit King-Material gut vertraut ist (DOCTOR SLEEPS ERWACHEN, DAS SPIEL).
Die Bestandteile von CHAPELWAITE sind klassisch. Ein altes Herrenhaus, Kerzenschein, eine eigenartige Krankheit, die in der Dorfgemeinschaft kursiert und andere erste Anzeichen drohenden Übels versetzen den Betrachter in eine Halloween-artige, herbstliche Gothic-Stimmung. Übrigens wird All Hallow’s Eve tatsächlich in einer Folge gefeiert.
Erzählung statt purer Geisterbahn
CHAPELWAITE ist dabei aber keine Ansammlung von Gruselsequenzen, sondern man hat den Eindruck, dass hier die Geschichte im Vordergrund steht. Die hätte auch in 9 statt 10 Folgen erzählt werden können, ähnliches lässt sich aber über die meisten King-Werke und die meisten Serien sagen.
Ob es mehrere Romanzen und etwas Rassismus gebraucht hätte, darf bezweifelt werden, gehört aus dem ein oder anderen Grund aber wohl dazu und ist lenkt glücklicherweise nicht viel vom Haupterzählstrang ab.
Der von Adrien Brody gespielte Charles Boone ist die Hauptfigur der Geschichte, aber er drängt sich nicht als Held in den Vordergrund. Er versucht das Richtige zu tun, er versucht seine Familie zu schützen, seine Mitarbeiter fair zu behandeln und auch das Böse zu besiegen. Aber seine Figur wirkt dabei menschlich, was für Brodys schauspielerische Leistung spricht.
Fazit:
Trotz der angekündigten zweiten Staffel, wirkt CHAPELWAITE wie eine komplett abgeschlossene Mini-Serie und wer Geschichten und Stimmung über Action und Feuerwerk stellt, kann damit ein verregnetes Herbstwochenende noch etwas grauer werden lassen.