Vermutlich hatte jeder schon einmal einen hässlichen Morgen danach.
Der Kopf dröhnt als hätte darin jemand ein Schlagzeug aufgebaut, im Mund der Geschmack von Wurstwasser aus dem Vorjahr, jede Bewegung erzeugt Schwindel und die Erinnerung an das was du da letzte Nacht gesoffen hast, führt zum sofortigen Erbrechen.
Addiere dazu den süß-warmen Geruch eines frischen Hundehaufens, der unter deinem Schuh klebt und du bist in der Welt von DER GOLDENE HANDSCHUH angelangt, einem Film, der so versoffen schmutzig ist, dass man sich danach in Wasserstoffperoxid baden möchte.
Dies ist die Welt von Fritz Honka, einem Säufer und Mörder, der in den 70er Jahren mehrere Frauen in seiner heruntergekommenen Wohnung in Hamburg tötete.
„Der goldene Handschuh“ ist seine Stammkneipe, wobei der Name deutlich edler klingt, als die schäbige, verrauchte Kaschemme ist.
Dort betrinkt sich Honka mit billigem Fusel und versucht Frauen für unverbindlichen Sex aufzureißen. Die wenigen jungen und hübschen, die sich hierher verirren, lassen ihn abblitzen und die, die er kriegen kann, sind Wracks wie er selbst.
Alkohol, Wut und Impotenz (fraglich ist, was davon was bedingt), führen immer wieder zu brutalen Ausbrüchen. Diese werden von Regisseur Fatih Akin (GEGEN DIE WAND) schonungslos eingefangen, ohne aber daraus eine übertriebene Gore-Platte zu machen.
Manchmal sind es „nur“ Fausthiebe, die Honka austeilt, andere Male muss er aber auch Leichenteile entsorgen und das Apartment mit Duftbäumen aufwerten.
DER GOLDENE HANDSCHUH ist ein Film, den man riechen kann
Es ist dennoch weniger die Gewalt als solches, die DER GOLDENE HANDSCHUH so eindringlich macht, als vielmehr der Gesamteindruck eines Milieus. Hier gibt es keine Gewinner, die im Film portraitierten Menschen sind Säufer, Obdachlose, Gelegenheitsprostituierte und jeder der Darsteller bringt eine Menge Mut zur Hässlichkeit mit.
Das gilt natürlich vor allem für Honka-Darsteller Jonas Dassler, ein in natura gutaussehender Kerl, der zum Drehzeitpunkt gerade 22 war, aber wie ein unattraktiver Enddreißiger aussieht. Dassler steht damit Charlize Therons Wandlung in MONSTER wenig nach und auch seine Figur ist bei allem Abscheu, den der Zuschauer empfindet, tragisch.
Das zeigt sich vor allem als Fritz Honka mit dem Trinken aufhören will, sogar eine Arbeit findet und plötzlich wie ein normaler Typ wirkt, aber langfristig in alte Gewohnheiten zurückfällt.
Er ist dabei keiner der superklugen Serienkiller, sondern in seiner Vorgehensweise so naiv und stumpf, dass es überrascht, dass er nicht früher gefasst wurde.
Dass sich unter all diese Tristesse jede Menge Humor mischt, der jedoch nie lächerlich wirkt, ist alles andere als selbstverständlich.
Wenn zum Beispiel der auf Sex hoffende Mörder drei ältere und sturzbetrunkene Frauen mit zu sich nehmen will, eine von ihnen aber einfach auf der Straße kollabiert und die anderen die ohnmächtige einfach liegen lassen, ist das so skurril und absurd in Szene gesetzt, dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt.
Abgesehen von diesen humoristischen Einschüben, erinnert DER GOLDENE HANDSCHUH an den nicht minder schmutzigen und ebenfalls auf Tatsachen beruhenden DIE MORDE VON SNOWTOWN, wo aber immerhin eine Bezugsperson vorhanden war. Hier gibt es diesen Anker nur in Form zweier Teenager, die Honkas Weg gelegentlich kreuzen, aber letztlich nur eine Randnotiz sind.
Einerseits bleibt man damit als Beobachter auf wohltuendem Abstand, andererseits vermittelt Fritz Honka, seine Kneipe, seine Saufkumpanen, seine Wohnung, selbst seine Opfer, ein Gefühl von tiefer Hoffnungslosigkeit.
Fazit zu DER GOLDENE HANDSCHUH
Kein schöner Film, aber ein sehr guter.