Heute stehen spanische Horrorfilme hoch im Kurs, doch schon lange bevor sich die Iberer ihren ausgezeichneten Ruf erarbeiten konnten, entstand IM AUGENBLICK DER ANGST unter der Regie von Bigas Luna. Gedreht wurde allerdings sowohl in Spanien als auch in den USA und auch die Schauspieler entstammen beiden Ländern.
Wovon handelt IM AUGENBLICK DER ANGST?
John ist Optiker mit Leib und Seele, denn Augen faszinieren ihn. Doch er ist auch ein psychopathischer Mörder, der seinen Opfern die Augen aus dem Kopf schneidet. Er lebt noch bei seiner Mutter, die seine perversen Taten unterstützt. Dabei steht er nicht nur unter ihrem Einfluss, sondern hält mit ihr eine telepathische Verbindung.
Was bis hierin etwas nach PSYCHO klingt, nimmt nach dem ersten Filmdrittel eine interessante Wendung, wenn man erfährt, dass die Handlung nur Teil eines Films ist, der in einem Kino gezeigt wird. Aber kann es sein, dass die Hypnose, in die John von seiner Mutter versetzt wird, sich auch auf die Zuschauer im Kinosaal auswirkt? Und kann es sein, dass auch dort ein Mörder sein Unwesen treibt?
IM AUGENBLICK DER ANGST ist ein Film im Film im Film
Wenn Johns Mutter ihren Sohn mit dem Satz „Hol dir die Augen“ auf seine Opfer ansetzt, bevor man zum ersten Mal das Kinopublikum auf die Leinwand blicken sieht, ist das nur eine von vielen geschickt platzierten Anspielungen und Verbindungen zwischen Film und Film-im-Film. Als John sogar selbst ein Kino besucht, in dem ein alter Schwarz-Weiß-Monsterfilm gezeigt wird, entsteht noch eine weitere Ebene (quasi der Film-im-Film-im-Film).
Dadurch, dass wir das Publikum beobachten können wie den eigenen Couchnachbarn, wird der Zuschauer tiefer in die Handlung gezogen, bzw. die Handlung kommt ein Stück näher zu uns vor der Leinwand/dem Bildschirm. Immer wieder vermischen sich die drei Ebenen, manchmal nur durch den Ton, der im Kinosaal zu hören ist, manchmal durch Handlungen, die in verschiedenen Welten gleichzeitig zu passieren scheinen.
Das ist fantastisch inszeniert, kann und soll aber zu Verwirrung führen. Beobachten wir gerade John oder beobachten wir das Publikum, das John beobachtet oder beobachtet das Kinopublikum den Film, der im Film zu sehen ist? Passende Schnitte sorgen immer wieder für Konfusion und man mag sich nicht ausmalen, wie IM AUGENBLICK DER ANGST wirken würde, wenn man ihn selbst im Kino gesehen hätte…
Kann dieser Film hypnotische Zustände auslösen?
Wäre IM AUGEN BLICK DER ANGST nicht selbst ein Horrorthriller, könnte man in ihm übrigens eine Botschaft auf die gefährliche Wirkung von Filmen auf ihr Publikum lesen.
Eine ganz andere Wirkung wird hingegen durch einen Warnhinweis auf dem Filmcover suggeriert: so steht dort, dass IM AUGENBLICK DER ANGST auch beim Zuschauer eine leichte Hypnose auslösen kann. In der Regel ist das natürlich leeres Gerede, doch man kann eine gewisse Wirkung von symbolträchtigen Bildern und der eindringlichen (aber auch nervigen Stimme) der Mutter nicht verleugnen.
Der Film schaukelt unseren Verstand also ordentlich durch, entfacht aber im Gegensatz zu den Werken eines David Lynchs keine Hirnkrämpfe, sondern eher angenehmen Schwindel. Größter Einfluss dürfte Altmeister Hitchcock gewesen sein, nicht nur wegen des erwähnten PSYCHO, und natürlich ist in Hinblick auf spanische Filme und Augen der Klassiker EIN ANDALUSISCHER HUND zu nennen, wo ein menschliches Auge entzwei geschnitten wurde.
Fazit zu IM AUGEN BLICK DER ANGST
Einen vergleichsweise unbekannten Film nach fast 30 Jahren zu sehen, birgt die Gefahr, dass ein Teil des Publikums sich an einer aus der Mode gekommenen Optik stört. Optik ist zwar das A und O von AUGENBLICK DER ANGST, an seltsam anmutenden Frisuren und Hosen sollte man sich aber nicht stören (zumal der Film bis auf wenige Szenen sehr zeitlos daherkommt).
Wenn ihr allerdings DAS FENSTER ZUM HOF nur für ein beliebiges Fenster zu einem beliebigen Hof haltet, für euch MULHOLLAND DRIVE und LOST HIGHWAY nur irgendwelche Straßen sind und ihr denkt, dass Declan O’Brien (WRONG TURN 3-5, SHARKTOPUS) der größte Regisseur aller Zeiten ist, wird euch dieses Prachtstück nicht gefallen.