Mit BLIND drehte Marcel Walz 2019 einen Film, den man von ihm nicht unbedingt erwartet hätte.
Statt wie zuvor die klare Horrorlinie zu fahren, bei der es splattrig und/oder auch mal gruslig zugeht, schaltete er mehrere Gänge zurück, packte sogar etwas Drama hinein, gewann aber unterm Strich.
Gleichzeitig führte er einen Bösewicht ein, der dennoch creepy erschien.
Der maskierte Mann im schicken Anzug hört auf den Namen Pretty Boy. In BLIND stellte er der blinden Schauspielerin Faye nach und agierte als eine Mischung aus unheimlichem Stalker und Slasher-Killer.
Zwei Jahre später entschieden Walz und Drehbuchautor Joe Knetter nicht nur erneut zusammenzuarbeiten, nicht nur BLIND fortzusetzen, sondern auch Pretty Boy von der Leine zu lassen.
PRETTY BOY dreht auf
Story:
Der Film setzt dort an, wo BLIND endete. Pretty Boy hat Faye in seiner Gewalt und trägt die ohnmächtige Frau davon. Währenddessen feiert man unweit von Fayes Haus eine rauschende Party zum Valentinstag.
Der Spaß endet, als der maskierte Eindringling auch dort eindringt….
Leider ist PRETTY BOY in verschiedenen Belangen ein Schritt zurück.
Dass man nach dem kommerziellen Erfolg der letzten HALLOWEEN-Filme den Slasher-Einschlag verstärkte, ist eine logische Entscheidung, an der es auch künstlerisch nichts auszusetzen gibt, denn der starre Gesichtsausdruck von Pretty Boy, bei dem nicht einmal die Augen Leben widerspiegeln, ist eindeutig gelungen.
Grundsätzlich hält sich der Film auch an einige Sequel-Regeln: mehr Leichen und etwas Hintergrund.
Hintergrund bedeutet in diesem Fall, dass wir im dritten Akt mehr über die Familie des Killers und dessen Eltern Edward und Edna erfahren. Die werden gespielt von Robert Rusler (NIGHTMARE ON ELM STREET 2, BLOOD FEAST) und Maria Olson (I SPIT ON YOUR GRAVE: DEJA VU). Man kann sie also kennen. Will man das? Entscheidet selbst.
Davon unabhängig lässt sich festhalten, dass Familie Pretty Boy keine gewöhnliche Familie ist….
Währenddessen trägt Faye, immerhin noch Hauptfigur des ersten Films, kaum etwas zum Sequel bei. Sie ist ein Drittel des Films ohnmächtig und zwei Drittel des Films ans Bett gefesselt.
Frauenpower? Nee…
Paradoxerweise liefert der Film genauere Einblicke in die Besucher der von dem Killer gesprengten Party. Da sitzen Menschen beieinander, die wohl im echten Leben nicht viel Zeit miteinander verbringen und ganz sicher nicht zusammen im Bett landen würden.
Offenbar sehen das auch die Protagonisten so, denn man wälzt sich nach dem angedeuteten Pimpern (unter der Bettdecke) voneinander weg und beide Partner tragen noch ihre Shirts. Ist es so kalt in LA, waren die Schauspieler so prüde oder wollte man den Zuschauer nicht mit ein paar nackten Schultern überfordern?
Das nächste Paar juckelt übrigens auch eher unmotiviert aufeinander rum (sie hat sogar noch die Jacke an).
All das spielt für den Film aber eigentlich keine Rolle. Es ist nicht wichtig, wer diese Menschen sind, was sie beim Sex tragen und auch ihre Geschichten tragen nichts, aber auch gar nichts zur Story bei, denn sie sind lediglich Kanonenfutter. Es ist nicht mal klar, warum Pretty Boy den Zwischenstopp einlegt, bevor er Faye den Eltern vorstellt. Andererseits erklären sich andere Maskenmänner auch selten und so rückt der Fokus auch schnell ab von betroffenen Lebensbeichten und Full-Dress-Sex und wandert hin zu durchaus blutigem Gemetzel.
Das ist wiederum etwas, womit sich Walz auskennt und eine Stärke des Films, auch wenn keine allzu große Kreativität bei den Kills zu erwarten ist.
Wie erwähnt ist die Handlung des Films am Valentinstag angesiedelt, was aufgrund der Besessenheit des Maskenträgers für Faye auch durchaus Sinn ergibt und zudem partiell erklärt, warum das Werk viele Rottöne enthält. Insgesamt wirkt die Farbgebung allerdings oft wie eine bunte Lichterkette, die tatsächlich öfters zu erkennen sind, und ist mitunter zu dunkel und kontrastarm geraten.
Fazit:
Wer Marcel Walz‘ Frühwerke sowieso besser fand, Plotholes ignorieren kann und nur wegen des Gore da ist, wird sich über PRETTY BOY freuen. Er ist aber eben keine Weiterentwicklung und das ist schade.