Wenn Lin Shaye (INSIDIOUS) und Robert Englund (NIGHTMARE) die Hauptattraktion in einem Film bieten, beweist das nicht nur die Treue des Horrorpublikums, das sich nicht vom sonst vorherrschenden Jugendwahn blenden lässt und den Altvorderen die Stange hält, es läßt auch darauf hoffen, dass die beiden an ihre Glanztaten anknüpfen können.
In THE MIDNIGHT MAN, einem Remake des gerade einmal drei Jahre älteren irischen Films mit gleichem Namen, verkörpern sie ganz unterschiedliche Rollen, nämlich Arzt und Patientin, und bekommen es mit einer grauenhaften Kreatur zu tun, die es auf das Leben derer abgesehen hat, die sie beschwören.
Teenagerin Alex kümmert sich liebevoll um ihre demente Großmutter, auch wenn das bedeutet, dass sie Freitagabend zuhause bleiben muss. Glücklicherweise wollen ihre Freunde Miles und Kelly vorbeischauen, doch der Abend gestaltet sich anders als geplant, als Alex auf dem Dachboden ein unheimliches Spiel findet, mit dem sich der sogenannte Schattenmann herbeirufen lässt. Während sie um ihr eigenes Leben und das ihrer Freunde kämpfen muss, erfährt Alex mehr über die dunkle Vergangenheit des Hauses und ihrer Oma.
Einziger Schauplatz von THE MIDNIGHT MAN ist eine alte, etwas heruntergekommene Villa in einer Winternacht. Ideale Voraussetzungen also für eine klassische Gruselstory und das ist genau das, was der Film mit einer Mischung aus der Bloody Mary – Legende und einer Horrorversion von JUMANJI bieten will.
Das Setting ist gelungen und wer einfach nur nach einem langen Arbeitstag den Kopf in Leerlauf schalten möchte, findet hier leichte Unterhaltung. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Film das Äquivalent zur Tütensuppe bildet: macht satt, ist aber nicht nahrhaft.
Das Spiel, das Alex, Miles und Kelly spielen, hat Regeln, aber weder der Midnight Man (der im Film Schattenmann heißt) noch das Drehbuch halten sich daran.
OK, der Schattenmann ist der Bösewicht, von ihm erwartet man, dass er trickst. Dass er einfach das schützende Kerzenlicht (niemand weiß, warum das vor irgendwas schützen sollte) auspustet oder den ebenso schützenden Salzkreis sabotiert, ist dennoch arg simpel.
Ebenso unklar ist, warum er manchmal mit den schlimmsten Ängsten der Teens spielt (ES lässt grüßen), sie aber am Leben lässt, an anderer Stelle aber zum Mord übergeht.
Dass man in die Spielregeln alles reinschreiben konnte, was den Film interessant macht (man muss in Bewegung bleiben, es muss dunkel sein), ist eigentlich eine selbsterfüllende Prophezeiung, solange nie jemand nach dem Warum fragt.
Erfahrene Horrorfans werden vermutlich mehr als einmal mit den Augen rollen, wenn der Kumpel für einen „leeren“ Jumpscare sorgt oder mal wieder eine schemenhafte Gestalt im Hintergrund durchs Bild huscht. Das gab es alles schon besser und schlüssiger, aber das junge Publikum, auf das der Streifen zweifelsohne abzielt, sollte daran Gefallen finden und es schadet sicher nicht, dass neben Gruselsequenzen auch ein paar saftige Gewalttaten eingebaut werden.
Ob Lin Shaye und Robert Englund THE MIDNIGHT MAN aufwerten, sei mal dahingestellt. Zumindest im Falle von Shaye bin ich mir zudem nicht sicher, ob sie manche Szenen durch Overacting total vergeigt oder ihre Rollen-Demenz einfach sehr glaubwürdig rüberbringt. Unbestritten ist, dass die beiden Namen für Kundschaft sorgen.
Das kann man von Regisseur Travis Zariwny sicher nicht behaupten. Der Mann produzierte in seiner Karriere manchen Stinker, zuletzt das CABIN FEVER-Remake, so sind die Erwartungen an seine Arbeit niedrig. Wer nichts erwartet, bekommt aber viel und bei allen Schwächen ist dies der annehmbarste seiner Filme geworden.
Und dennoch fühlt sich THE MIDNIGHT MAN wie eine vergebene Chance an, bei der man das schmale Budget besser nicht in große Namen, sondern eine bessere Inszenierung gesteckt hätte, denn hier wurde Potential verschenkt.
Fazit: Der Film wurde eindeutig nicht für die gemacht, die zu genau hinschauen, aber ab und zu kann auch cineastisches Fast Food Spaß machen.