VERLORENE LIEBE bietet Geheimnisse, Mord und sexuelle Abgründe im Internet. Klingt auf den ersten Blick interessant. Aber weit gefehlt.
Wir haben uns den Film angesehen, damit ihr euch das ersparen könnt.
Krimi-Bestsellerautorin Grace kommt nach einer Lesetour bei ihrer Schwester Kathleen unter. Die hat gerade eine schwierige Trennung hinter sich und erzählt Grace von den fragwürdigen Machenschaften, die ihr Ex-Mann betreibt. Die lernt unterdessen Nachbar Ed, einen Polizisten kennen. Doch das erste Date endet tragisch, als Grace bei ihrer Rückkehr ihre Schwester ermordet auffindet.
Während den Ermittlungen stellt sich heraus, dass Kathleen ein Doppelleben führte. War sie tagsüber eine gewöhnliche Lehrerin, verdiente sie sich nachts als Domina-Camgirl etwas hinzu.
Grace sieht nur einen Weg, sie muss selbst vor die Kamera, um den Täter in eine Falle zu locken.
VERLORENE LIEBE ist das verfilmte Ikea-Musterhaus
Willkommen in der Welt der perfekt sauberen Wohnungen und hübschen Menschen (außer die Bösewichte, Bösewichte sind hässlich), wo Heldinnen immer einen Lockenstab zur Hand haben, egal ob sie eine Lesung halten, Abends lässig auf der Couch sitzen, morgens pseudo-zerzaust aufwachen oder gerade gevögelt wurden.
Aber Grace‘ Frisur ist nicht ihr einziges Talent. Sie ist wahnsinnig berühmt, sieht gut aus, kann Ed quasi im Vorbeigehen aufreißen, hat aber auch kriminalistisches Gespür und macht der Polizei unmissverständlich klar, dass sie in einem anderen Fall innerhalb von drei Tagen einen Mörder ermittelte, was den Cops monatelang nicht gelang.
Wer so prahlt, ist natürlich überall gerne gesehen und muss direkt in die Ermittlungen eingebunden werden. Selbstverständlich darf der gutaussehende Ed, der auch ein guter Handwerker ist und andeutet, dass er mehr als einmal kann, an den Ermittlungen teilnehmen.
So was wie Befangenheit? Nein, gibt es nicht.
Ihr denkt, das war’s? Falsch, Grace (übrigens gespielt von Alyssa Milano) kann noch mehr.
Multitalentiert wie sie ist, übernimmt sie ohne mit der Wimper zu zucken Kathleens Rolle vor der Internetcam. Keine Sorge, liebe Hausfrauen, mehr als einen tiefen Ausschnitt gibt es nicht zu sehen, denn VERLORENE LIEBE ist nur für Leute, denen 50 SHADES OF GREY zu pervers und CHARMED zu gruslig war.
Diesem Publikum, das garantiert rot anlaufen würde, wenn es jemals versehentlich einen Porno sieht, kann man vielleicht auch noch erzählen, dass offenbar sämtliche Zuschauer der Web-Shows in fußläufiger Umgebung wohnen und damit potentielle Täter sind.
Der Film für Leute, die nervös kichern, wenn sie sich selbst nackt sehen
Meine Güte, was ist VERLORENE LIEBE für ein Quatsch!
Dagegen wirkt DERRICK dreckig, TUTTI FRUTTI erotisch und die Texte von Roland Kaiser wie Philosophie.
Dass diese verfilmte Katastrophe auf einem Roman beruht, mag man kaum glauben. Der stammt von Nora Roberts und ist immerhin fast 35 Jahre alt. Man kann verstehen, warum den bisher keiner anfasste, aber nicht warum es nun doch jemand tat und vor allem nicht, weswegen die drei (!) Drehbuchautoren diese seichte und nahezu unspannende Geschichte nicht ein klein wenig aufpeppen konnten.
Womöglich sagte jemand: „das ist doch eine starke Frauenfigur. Wir brauchen starke Frauenfiguren. Wir brauchen auch Regisseurinnen.“
Nun, Grace wird am Ende (SPOILER), so wie es in den 80ern üblich war, von Super-Ed gerettet und Regisseurin Monika Mitchell dreht seit zwei Jahrzehnten TV Movies. Auf diesem Niveau findet sich dann auch VERLORENE LIEBE wieder.
Fazit: wer nicht zu IKEA fahren will, um sich Mustereinrichtungen anzusehen oder Frisurentipps braucht, liegt mit VERLORENE LIEBE goldrichtig.
Im Original heißt der Film BRAZEN. Das bedeutet auf Deutsch „dreist“ und zumindest das passt.