Mit dem ungewöhnlichen Weihnachtsfilm RARE EXPORTS sorgte der Finne Jalmari Helander vor über einem Jahrzehnt für Aufmerksamkeit. Mit SISU kehrt er nun in die Heimat zurück und schickt einen Veteranen in den Krieg gegen Nazis.
Worum geht es in SISU?
Die Story ist schnell erzählt. 1944 treibt sich die Wehrmacht auch in Finnland herum, morden und vergewaltigen. Kriegsveteran und Goldgräber Aatami will einfach nur seiner Wege gehen, wird aber ebenfalls von den Deutschen bedrängt. Nur, dass die sich hier mit dem Falschen angelegt haben.
Sisu, so lässt uns der Film wissen, ist ein finnischer Begriff, der sich nicht direkt übersetzen lässt, aber ansatzweise etwas wie „unzerbrechliche Entschlossenheit“ oder „unaufhörlicher Widerstand“ bedeutet.
Nimmt man diesen Begriff, mischt ihn mit fiesen Nazis und einem guten Schuss Exploitation und garniert das dann mit finnischer Einöde, erhält man ein Ergebnis wie dieses.
Während der Film so gut wie nie die Humorkarte zieht oder versucht mit funny Onelinern etwas dämliches Hollywood-Feeling einzubinden, wird doch rasch klar, dass er „drüber“ ist.
Bereits die Schriftart der Kapitel, die den Film unterteilen erinnern an eine Mischung aus Western und Grindhouse und dass eines dieser Kapitel „Kill ’em all“ heißt, spricht auch eine klare Sprache.
Und so sollte man sich auch nicht darüber wundern, dass der Streifen keine Gefangenen macht und Brutalität ordentlich zelebriert. Keine windige Moral, kein Subplot, kein Bullshit, aber eine Menge unterhaltsamer Gewalt.
Inhaltlich erinnert der Streifen aufgrund des wortkargen Antihelden etwas an RAMBO (nur Teil 1), wobei Rambo im Vergleich zum stummen Aatami eine echte Plaudertasche war. Auch ein Vergleich zu NOBODY, bei dem ein vermeintlich normaler Typ in alte Gewohnheiten zurückfällt, bietet sich an.
Ein LKW voller gefangengehaltener Frauen weckt hingegen zeitweilig Erinnerungen an MAD MAX: FURY ROAD, wobei die Action in SISU deutlich bodenständiger ist.
SISU ist bodenständig, aber ideenreich
Jalmari Helander versucht weder mit ausgefeilter JOHN WICK – Choreographie, noch massiver Materialschlacht oder 3 Schnitten pro Sekunde zu punkten, sondern bleibt auch in diesem Punkt geerdet. Das sorgt für ein eigenwilliges Timing und Pacing, was sich aber im besten Sinne des Wortes als altmodisch bezeichnen lässt.
Aatami wird von den Deutschen gejagt, ist dabei aber stets in ihrer Nähe. Manchmal in Sichtweite, z.B. nur durch ein Minenfeld getrennt, ein anderes Mal versteckt am Grund eines Sees.
Dabei wehrt er sich mit allem, was ihm zu Verfügung steht und auch wer schon viel gesehen hat, muss dem Alten anerkennend zugestehen, dass er Wege findet, die so noch nicht gezeigt wurden.
Sicher, da sind wir wieder beim Punkt Realismus und die Art und Weise, wie er zwei Schäferhunden entgeht oder sich unter Wasser Sauerstoff besorgt, mag nicht gaaanz plausibel abgebildet sein.
Aber hey, das macht Spaß und ist innerhalb seiner eigenen Welt stimmig.
Aber wird der Hund überleben?
Jalmari Helander verlässt sich mit seinem Werk nicht nur auf gekonnte Cinematographie und einen Look, der direkt an RARE EXPORTS erinnert (jeder sieht dreckig und faltig aus), auf die prächtige finnische Natur, sondern auch auf bewährte Schauspieler.
Jorma Tommila, der Aatami spielt, war bereits in RARE EXPORTS dabei, ebenso Onni Tommila, der damals noch den Jungen Piatari spielte und nun Panzer fahren darf.
Auch mit dabei ist Aksel Hennie, der unlängst in THE TRIP für Blutvergießen sorgte.
Ein besonderer Darsteller ist Aatamis Hund (der auch als Schaf durchgehen könnte). Gerade wenn man weiß, was mit John Wicks Hund geschah, werden Filmfans, die allen Hunden das Überleben wünschen, das ein oder andere Mal den Atem anhalten.
Fazit: Hollywood mag 2023 in diversen Krisen stecken. Solange europäisches Kino aber so abliefert, muss man sich aber keine Sorgen machen. SISU ist in your face, er ist ideenreich und man kann ihn gut auch mehr als einmal sehen.
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