Mit der Regiearbeit an den beiden COLLECTOR-Filmen und als Autor der SAW-Reihe (Teil 4-7) machte sich Marcus Dunstan einen Namen.
Mit THE NEIGHBOR bleibt Dunstan seiner Linie treu, auch wenn penible Persönlichkeiten behaupten können, dass er eher im Thriller- als Horrormilieu wildert.
John und Rosie leben in einem abgelegenen Farmhaus und verdienen ihr Geld mit Drogengeschäften, die John für seinen Onkel durchführt. Während beide ihren heimlichen Abschied aus der Branche planen, beobachtet Rosie den Nachbarn von gegenüber und wie sich allzu schnell zeigt, hat auch der krumme Geschäfte am Laufen.
Weißt du, was dein Nachbar gerade tut?
Natürlich lässt hier Hitchcocks DAS FENSTER ZUM HOF grüßen….oder MEINE TEUFLISCHEN NACHBARN….oder DISTURBIA. Aber Dunstan macht das Thema böser Nachbar eben auf seine Weise und die sieht vor, dass jemand eine Maske trägt (in diesem Fall nur kurz), jede Figur Dreck am Stecken hat (mal mehr, mal weniger), ein Katz- und Mausspiel in einem Gebäude stattfindet und deutlich mehr Gewalt im Spiel ist als in den genannten Vorbildern.
Zudem gibt sich THE NEIGHBOR völlig humorfrei und nicht nur die herbstliche Landschaft in der ländlichen Umgebung, sondern auch lose eingestreute grobkörnige Kameraaufnahmen verstärken das Gefühl, dass man es sich in dieser Gegend besser nicht zu gemütlich macht.
THE NEIGHBOR gibt nicht vor irrsinnig perfide zu sein, trotzdem fragt man sich im ersten Drittel worauf das Ganze denn hinausläuft, bevor sich schnell ein klares Bild ergibt und eine Mischung aus Dreh-dich-jetzt-nicht-um-Momenten und grober Brutalität einsetzt.
Die Charaktere sind für diese Art Film genau so tief wie sie sein müssen, aber dennoch erkennt man das Bemühen um Realtitätsnähe. Wir erfahren in einem Nebensatz, dass John einst Soldat war, aber er ist deswegen nicht Rambo. Wir wissen, dass mit dem Nachbarn nicht zu spaßen ist, aber auch sein Tun hat einen Hintergrund.
Schauspielerisch steht das Konstrukt auf soliden Füssen und zeigt neben Josh Stewart (THE COLLECTION, INSIDIOUS 4) auch Alex Essoe (STARRY EYES), deren Figur von der klischeebeladenen weiblichen Heulboje zu unerwarteten Stärke wächst.
THE NEIGHBOR bietet Abwechslung, aber auch Härte
Dazu kommen im Laufe des Abends, an dem der Großteil des Films spielt, eine Polizistin, die Dealerbande um Johns Onkel und eine andere Personengruppe, über die noch nicht zu viel verraten werden soll.
Dadurch ergeben sich immer neue Konstellationen und Abwechslungsreichtum und man nachdem THE NEIGHBOR erst einmal Fahrt aufgenommen hat, rauscht er mit ordentlich Speed durch.
Nun kann man darüber streiten, was der Streifen auf dem Fantasy Filmfest verloren hat, denn der Hauch des besonderen, einzigartigen, vielleicht sogar kunstvollen fehlt dann doch.
Trotzdem ist THE NEIGHBOR ein unterhaltsamer, harter Thriller und mehr muss ja auch nicht immer sein.