Der russische Horrorfilmmarkt wächst stetig und mittlerweile erscheinen fast regelmäßig neue Streifen. Bisher kam man nicht umhin zu glauben, dass die russischen Filmemacher gern auf viel Getöse und Computereffekte setzen, anstatt auf subtilen, schleichenden Horror. Bei THE WIDOW – DIE LEGENDE DER WITWE läuft es etwas anders ab.
Story
Nördlich von St. Petersburg, in einem dichtbewachsenem Wald, werden seit Jahrzehnten immer wieder Menschen vermisst. Ein paar Vermisste wurden später nackt und mausetot aufgefunden, andere blieben für immer verschollen. Die Einheimischen glauben, dass sie von einem dunklen Geist oder Hexe entführt wurden, sie nennen das unbekannte Böse die hinkende Witwe. Diesmal wird ein Junge namens Nikita gesucht und eine Rettungstruppe, bestehend aus Profis und Auszubildenden macht sich auf den Weg. Bald zeigt sich, der Wald und seine Tücken sind harmlos gegen das, was die Retter bald verfolgen und verfluchen wird.
Nichts Neues im Wald
Die Rettungsgruppe ist gerade in vollem Gange und muss einen verunglückten Wanderer aus einer Höhle befreien. Nach kurzen blutigen Rettungsversuchen wird klar, dass es sich dabei nur um eine Übung handelt. Den Helfern wurde neustes Equipment zur Verfügung gestellt, um künftig noch gezielter und vor allem schneller Leben retten zu können. Diesmal wäre es nicht gelungen, der Wanderer wäre verblutet. Zu den Rettungskräften gesellt sich eine Reporterin, die einen Einsatz begleiten, filmen und kommentieren soll.
Dass Filmemacher sich den einen oder anderen Kniff der Konkurrenz zu Eigen machen ist nicht neu, nicht mal unbedingt schlecht, wenn die Idee weitergeführt oder vielleicht sogar verbessert ausgeführt wird. Bei THE WIDOW – DIE LEGENDE DER WITWE befinden wir uns auf einer Rettungsaktion mit einer Journalistin, die ihren Job offensichtlich noch nicht lang ausübt oder der Anspruch an ihre Berichte tief hängt. Ein ähnliches Szenario findet man in REC, nur um ein vielfaches besser umgesetzt.
Found Footage 2021
Man sollte es kaum für möglich halten, aber Found Footage wird immer noch als Stilmittel eingesetzt. Sicher, der Reiz ist nicht gering, kann man doch mit dieser Perspektive wunderbare Angst erzeugen. Das Problem dabei ist, dass im Jahr 2021, und auch schon in den Jahren davor, kaum noch neue Schrecknisse entstehen können/konnten. Viele Horrorfans haben ihren heiligen Found Footage-Gral in THE BLAIR WITCH PROJECT gefunden, andere in der PARANORMAL ACTIVITY-Reihe oder anderen Titeln. Dem gemeinen Horrorliebhaber ist somit so ziemlich jeder Jump Scare, aus der Sicht der Kamera oder der Ego-Perspektive, bekannt.
Zugute halten kann man THE WIDOW – DIE LEGENDE DER WITWE, dass die Wackel-Kamera-Optik nicht permanent gegeben ist, so also auch Zuschauer ansprechen kann, die wenig Spaß am Found Footage haben.
Das Opfer und die Witwe
Die Mission, den kleinen Nikita zu retten steht an erster Stelle und so begibt sich die Truppe tiefer in den Wald. Nach kurzen Erläuterungen für die Journalistin, wie eine solche Rettung abläuft, stoßen die Retter auf eine verunglückte Frau. Nun hat diese Vorrang. Auf dem Weg mit der verwirrten und sichtlich geschundenen Frau zum Rettungsfahrzeug, werden Bäume sichtbar, die mit seltsamen aber offensichtlich okkulten Verzierungen versehen wurden. Schnell wird festgestellt, dass es sich dabei um dämonische Male handelt die besagen, dass dieser Ort verflucht ist. Nun werden alte Geschichten ausgepackt, die von der lahmen Witwe und ihrer grauenhaften Vergangenheit erzählen.
Ein verfluchter Wald also… eine Hexenähnliche Gestalt also… auch hier drängen sich wieder Parallelen zu anderen Horrorstreifen auf. Konsequent wäre nun gewesen, auf ein paar Schocker zu setzen, auch auf die Gefahr hin, dass man sie schon einmal gesehen hat. Aber Pustekuchen, es will einfach keine Atmosphäre aufkommen. Wobei der Wald, in Dunkelheit gehüllt, schon genügend davon versprühen müsste.
Ein Lichtblick
Immerhin schafft es THE WIDOW – DIE LEGENDE DER WITWE im letzten Drittel noch etwas an Fahrt aufzunehmen und schenkt uns ein paar Szenen, die wir in dieser Deutlichkeit nicht mehr erwartet haben.
Man muss mit dem Found Footage Stil zurechtkommen, beide Augen zukneifen, wenn es darum geht, ein kleines Sammelsurium von bekannten Horrorfilmen zu sehen. Und ein wenig mit der Erwartung an ein gutes Schauspiel herunter gehen. Beherzigt man das, kann THE WIDOW – DIE LEGENDE DER WITWE einen Abend unterhalten. Auch für die jüngere Generation, oder den Nachwuchs der schon Horror-Interessiert ist, kann der Streifen unterhaltsam sein. Die alten Hasen im Genre werden dafür kaum begeisterungsfähig sein.