Neu-England im 17. Jahrhundert. Eine Familie wird aufgrund ihrer Glaubensgesinnung aus ihrer Gemeinde verstoßen. Auf einer Lichtung mitten in den Wäldern bauen sie sich einen Hof auf und leben ihr frommes Leben mit dem wenigen, was ihnen die Natur gibt.
Als der jüngste Spross, ein Säugling, vor den Augen seiner Schwester spurlos verschwindet, und sich weitere seltsame Ereignisse häufen, dauert es nicht lange, bis sich die Familienmitglieder gegeneinander wenden.
Es ist immer schön zu sehen, dass es noch Filmemacher mit Eiern in der Hose gibt, die etwas riskieren und Geschichten erzählen, die nicht jedem zusagen, aber auch noch nicht da waren.
Dann entstehen nämlich Werke wie THE WITCH, über den man im Vorfeld wissen sollte, was er selbst erst im Abspann preisgibt, nämlich dass er auf alten Märchen, Volkssagen und Texten aus realen Hexenprozessen basiert.
THE WITCH ist alles andere als Einheitsbrei
Mit diesem Wissen in Hinterkopf wird jedenfalls klarer, warum Erschaffer Robert Eggers Wert auf eine altmodische Sprache legt, die in modernen Ohren oft schwerfällig klingt und auch sonst eine Herangehensweise wählt, die zwar Horror beinhaltet, aber Blutbad- und Jumpscaresüchtige unbefriedigt zurücklässt.
THE WITCH enthält einige verstörende Szenen, es fließt auch Blut, wir sehen Menschen leiden und sterben. Trotzdem wirkt er 2016 wie ein Anachronismus und das nicht nur, weil er im puritanischen Zeitalter spielt. Kostüme, Sprache, auch die strenggläubigen Protagonisten bieten auf den ersten Blick wenig Raum um sich mit ihnen zu identifizieren und doch sind die Sorgen der Familie auch leicht auf unsere Welt zu übertragen.
Klar ist, dass die Einflüsse von außen, wie verschwundene und kranke Kinder und verdorbene Ernte dazu beitragen, dass das fragile, auf blinden Gottesglauben ausgerichtete Konstrukt, das die kleine Gemeinschaft zusammenhält, rasch ins Wanken gerät. Da auch die frommsten Menschen nicht ohne Sünde sind, ergibt sich daraus eine Menge Konfliktpotential.
Besondere Aufmerksamkeit kommt auch den Tieren zu, wie einem Ziegenbock namens Schwarzer Philipp, der natürlich schnell im Verdacht steht, mit dem Gehörnten im Bunde zu stehen, oder einem unschuldig aussehenden Feldhasen.
Stimmung und Atmosphäre werden durch unterkühlte Bilder vermittelt. Dialoge treiben THE WITCH voran und während es vorkommt, dass bei den fünf jugendlichen Schauspielern nicht jede Szene eine Offenbarung ist, sind die beiden Elternteile über jeden Zweifel erhaben.
Erwachsener Horror mit Verstand und Detailliebe
Trotzdem haben wir es mit einem leisen und unbequemen Film zu tun, der mit langen Einstellungen und wenigen Schnitten auskommt und bei dem der Zuschauer einerseits genug weiß, um den Familienmitgliedern Warnungen zurufen zu wollen, andererseits selbst nicht so sicher sein kann, was dort in den Wäldern vor sich geht.
Wer THE BABADOOK wegen des nervigen Kindes nicht mochte und BLAIR WITCH PROJECT aufgrund mangelnder Effekte und Action ablehnte, sollte einen Bogen um THE WITCH machen.
Wer THE BABADOOK hingegen mochte, weil der Figuren in den Vordergrund stellte und kein belangloser Genrefilm sein wollte und BLAIR WITCH PROJECT gut fand, weil er Zweifel säte und natürlich auch mit einer (meist unsichtbaren) Bedrohung in den Wäldern zu tun hatte, hat gute Chancen mit THE WITCH glücklich zu werden.
Fazit zu THE WITCH
Erwachsener Horror mit Verstand und Atmosphäre und damit nicht jedermanns Sache.
THE WITCH kannst du hier ansehen