Filme und Serien mit Entführungen sind im Genre des Thriller wahrlich keine Seltenheit. Liam Neeson hat in 96 HOURS auf rabiate Weise seine entführte Tochter gesucht, während Joaquin Phoenix in A BEAUTIFUL DAY ein entführtes Mädchen gerettet hat. Möglicherweise liegt das Geheimnis der Beliebtheit daran, dass die Opfer zumeist unschuldig und hilflos sind und wer möchte da nicht mitfiebern?
Auch die neue spanische Netflix-Serie DAS MÄDCHEN IM SCHNEE setzt den Fokus der Geschichte auf ein entführtes Mädchen. Allerdings kämpft sich kein muskulöser Actionheld durch die Handlung, um das Kind aus den Klauen Bösewichte zu befreien, sondern eine junge Journalistin recherchiert verbissen, auch Jahre nachdem das Mädchen verschwunden ist. Die Story basiert auf dem Roman DAS SCHNEEMÄDCHEN von Javier Castillo, allerdings mit Anpassungen. Beispielsweise beginnt der Roman zur Thanksgiving-Parade in New York, während bei der Adaption das Kind des beim Dreikönigsumzugs in Malaga entführt wird.
Also werfen wir einen etwas genaueren Blick auf die Serie und schauen, ob es sich lohnt sie anzusehen, oder man doch lieber etwas anderes anschaltet.
Inhalt von DAS MÄDCHEN IM SCHNEE
Die fünfjährige Amaya Martin wird während des Dreikönigsumzugs entführt. Obwohl die Eltern und die Polizei sämtlichen Spuren folgen, können sie das Mädchen nicht finden. Die junge Journalistin Miren ist ebenfalls sehr in die Suche involviert und gibt auch Jahre später nicht auf. Sechs Jahre später wird ihr eine VHS-Kassette mit einem Video der Vermissten zugespielt und sie beginnt erneut ihre Recherchen zu intensivieren. Dabei stößt sie auch auf Ereignisse aus ihrer eigenen Vergangenheit.
Resümee zu DAS MÄDCHEN IM SCHNEE
Die ersten Szenen der Serie sind gut umgesetzt. Wir sehen die Familie, wie sich sich den Umzug anschauen und Amaya kurze Zeit später verschwindet. Das Gewusel innerhalb der Menschenmassen wird präzise eingefangen, so dass man sich als Mensch, der solche Menschenmassen nicht mag direkt ein wenig unwohl fühlt. Die Atmosphäre ist stimmig und wird alle sechs Episoden durch am Leben erhalten. Dazu zählt vor allem auch, dass die Bilder recht farblos erscheinen und so gut zur düsteren Thematik passen – ein wenig wie im Nordic Noire, den man vor allem aus skandinavischen Thrillern und Krimis kennt. Klar wird dadurch auch, dass bei DAS MÄDCHEN IM SCHNEE Leute mitgearbeitet haben die ihr Handwerk verstehen.
Die Story ist an sich nicht unbedingt originell: Ein Mädchen wird entführt und die Suche beginnt. Allerdings ist DAS MÄDCHEN IM SCHNEE die meiste Zeit spannend umgesetzt, so dass man wissen möchte was Amaya zugestoßen ist. Hierbei wird in verschiedenen Zeiten erzählt. Die Entführung findet 2010 statt, das erste Video von Amaya wird 2016 verschickt und 2019 gibt es eine zweite Videokassette. Zwischen diesen drei Zeitpunkten springt die Handlung hin und her. Das ist vor allem zu Beginn etwas verwirrend, da man sich erst dran gewöhnen muss.
Während der Suche gibt es ein immer wieder Momente, die nicht ganz stimmig scheinen, so wird beispielsweise in einer späteren Episode die Motivation zur Kindesentführung erläutert und die scheint etwas unglaubwürdig.
Zusätzlich zur Geschichte um Amaya geht es immer wieder um einen Nebenstrang, in den dann auch Miren selbst eingespannt ist. Die Journalistin hat vor nicht zu langer Zeit ein traumatisches Erlebnis gehabt, das noch immer ihren Alltag beeinträchtigt. Dieser Nebenstrang ist zwar ganz interessant, wäre aber nicht notwendig gewesen. Miren hätte wahrlich kein eigenes Trauma gebraucht, um die Motivation zur Suche nach dem Kind zu haben. Und nun ist sie leider hauptsächlich ein Charakter, der ein Trauma hat und sonst nicht viele Eigenschaften, was schade ist. Zudem wirkt die Nebenhandlung immer ein wenig wie ein Zeitfüller, da er nichts zur eigentlichen Handlung beiträgt und dafür recht viel Raum einnimmt. Ohne die Geschichte um Mirens Trauma könnte die Serie sicherlich zwei Episoden einsparen.
Zusammengefasst ist DAS MÄDCHEN IM SCHNEE eine recht ordentliche Serie, die aber ihre Schwächen hat. Die Handlung ist spannend, bietet aber auch ein paar Unstimmigkeiten und hätte deutlich abgekürzt werden können. Es gibt sicherlich bessere Produktionen zur gleichen Thematik, für einmal Anschauen ist die Serie aber vollkommen in Ordnung.
Eine Fortsetzung wird am Ende der letzten Episode übrigens angedeutet. Abwarten, ob Netflix sich dazu durchringen kann.