Als Alexandre Aja seine französische Heimat verließ, war er durch HIGH TENSION ein Teil der New French Extremity. Das ist bald 20 Jahre her und Aja nicht mehr der „junge Wilde“. Spätestens mit HORNS bewies er, dass er mehr als nur Horror kann.
OXYGEN ist ebenfalls kein Horrorfilm und passt doch wunderbar in Ajas Lebenslauf.
Story:
Als Elizabeth Hansen in einer laborartigen Umgebung erwacht, weiß sie nicht wer sie ist, geschweige denn, wo sie ist oder was sie dort tut. Sie muss sich aus einem netzartigen Stoff kämpfen, der sie umschließt, ist an Schläuche angeschlossen und liegt in einem engen, sterilen Behälter.
Lediglich ein sprachgesteuerter Computerassistent hilft ihr dabei Stück für Stück zu verstehen, was vor sich geht,
Doch die Zeit ist knapp, denn ihr Sauerstoffvorrat geht zuneige und das ist nicht ihr einziges Problem.
Wollte man OXYGEN mit einem Satz beschreiben, würde sich dieser anbieten:
Man nehme die One-Man-Show BURIED und verlege sie in die Zukunft.
Falsch ist das nicht und wer OXYGEN sieht, wird sich durch die sargähnliche Location und einen einzelnen Schauspieler, der nur durch Telefonate Kontakt zur Außenwelt hält, an BURIED erinnert fühlen. Trotz dieser parallelen Rahmenbedingungen gewinnt man aber nie den Eindruck, dass OXYGEN ein Abklatsch sein könnte.
OXYGEN hat mehr zu bieten, als nur Sauerstoffknappheit
Allerdings dürfte der Dreh sowohl vor, als auch hinter der Kamera vergleichbare Probleme verursacht haben. Hauptdarstellerin Mélanie Laurent ist logischerweise in ihrem Bewegungsradius enorm eingeschränkt, bietet dafür aber ein vielfältiges Minenspiel, das allerdings nur selten positive Emotionen benötigt.
Wenn man berücksichtigt, mit welchen unglaublichen Fakten sie nach und nach konfrontiert wird, ist aber auch klar, dass Lachen nicht passend wäre.
Alexandre Aja und sein Team hatten hingegen die undankbare Aufgabe, nicht nur die Handlung am Laufen zu halten, sondern auch visuell im Rahmen der wenigen Möglichkeiten immer wieder neue Impulse zu setzen. Dafür wurde eine aktive Kameraarbeit eingesetzt, die viel Bewegung zeigt, sich dreht und Abwechslung bietet.
Es ist aber die Story selbst, die dafür sorgt, dass man als Zuschauer keine Langeweile verspürt.
Himmel, hieraus hätte man drei Drehbücher schreiben können. Kritikpunkt kann daher nur sein, dass manche Punkte zu oberflächlich angerissen werden können. Schon eine einzelne Erkenntnis hätte gereicht den Verstand eines Menschen zu sprengen und sich damit ausführlich auseinanderzusetzen. Elizabeth muss aber in kürzester Zeit eine ganze Reihe von gravierenden Einschnitten erfahren, während ihr eigentlich die Zeit fehlt, sich damit zu beschäftigen.
Da OXYGEN ein Netflix-Film ist und dort in den letzten Jahren immer wieder Twist-lastige Werke gezeigt wurden, die zwar überraschend, aber auch schier unlogisch waren, muss man betonen, dass dies hier nicht der Fall ist. Die Wendungen ergeben auch beim zweiten Mal sehen Sinn.
Aja kann auch Sci-Fi
Um OXYGEN zu mögen, muss man natürlich Kammerspiele mögen und damit klarkommen, dass außer Elizabeth nur in kurzen Flashbacks weitere Menschen zu sehen sind.
Außerdem hilft es, den technisch-kühlen Look des Films zu mögen und verschiedenen Themen aus dem Science Fiction – Katalog gegenüber aufgeschlossen zu sein.
Allgemeine Spoiler: wer Kryonik, Klonen und das Weltall uninteressant findet, wird mit OXYGEN wenig Spaß haben.
Fazit: Auch wenn OXYGEN nicht die simple Dringlichkeit von BURIED aufbauen kann, erschuf Alexandre Aja einen guten Mix aus Thrill und Wissenschaft.