Wenn es einen deutschen Filmemacher gibt, der sich in den letzten 15 Jahren ums nationale Genre bemühte, ist es wohl Christian Alvart.
Trotz gelungener Ausflüge nach Hollywood (FALL 39, PANDORUM) ist der gebürtige Hesse seit längerem wieder in der Heimat, wo er in den letzten Jahren DOGS OF BERLIN, FREIES LAND und eben auch SLØBORN betreute.
SLØBORN ist eine beschauliche Insel in der Nordsee. Eigentlich ein normaler Ort. Etwas Tourismus, Einheimische mit normalen Problemen, ein abgewrackter Schriftsteller auf Lesetour, eine Gruppe schwer erziehbarer Jugendlicher mit Resozialisierungsprojekt.
Doch alles ändert sich, als vor der Küste ein havariertes Boot gefunden wird, das die sogenannte Taubengrippe an Bord hat.
Stück für Stück eskaliert die Situation, die durch die isolierte Insellage erschwert wird.
Zwar zeigt sich im Laufe der 8 Folgen, dass die ganze Welt vom Ausbruch befallen ist und hier und dort hält uns eine eingespielte Nachrichtenmeldung über die globalen Ereignisse auf dem Laufenden, doch hält die Story den Fokus auf dem Mikrokosmos.
SLØBORN , eine Insel, die zum Bleiben einlädt…ob du willst oder nicht
Dass alles mit allem zusammenhängt ist klar, wird aber auf wenigen Quadratkilometern noch mal verstärkt. Das gilt sowohl für das pandemische Geschehen wie auch für die Figuren, deren Leben sich trotz anfänglich unterschiedlicher Handlungsstränge in irgendeiner Form immer wieder kreuzen.
Im Mittelpunkt steht dabei die von ihrem Lehrer schwangere Teenagerin Evelin, ihr schüchterner Klassenkamerad Herm, der drogenabhängige Autor Nikolai Wagner und Sozialarbeiter Magnus.
Da SLØBORN tatsächlich von „slow burn“, also einer langsamen Erzählweise, abgeleitet wurde, kommt den Haupt- und Nebenfiguren erst mal viel Beachtung zu.
Nun mag man darüber diskutieren, ob das Verhalten der zu resozialisierenden Jugendlichen nicht doch zu viel des Guten ist oder ob Alexander Scheer, der den Schriftsteller spielt und schon in
Timing ist bekanntermaßen alles und das war leider schlecht, denn bevor die Serie Mitte 2020 fertiggestellt war, wurde die Story von der pandemischen Realität überholt.
Zwar erschienen während der Covid-Phase auch Filme wie CONTAMINATION, PANDEMIE oder SONGBIRD, doch man hatte den Eindruck, dass den Menschen Corona auch ohne Verfilmung genug war.
Andererseits lässt sich rückblickend festhalten, dass die Darstellung und Entwicklung trotz dramaturgischer Momente, gar nicht so falsch war. Auch wenn die Corona-Zeit in Deutschland keine bewaffneten Militäreinsätze erforderte (Schwurbel-Köppe, Pandemie-Leugner und Vollidioten werden das sicher anders sehen), sind die Eskalationsstufen in SLØBORN denkbar.
In der Ruhe liegt die Kraft
Wer auf besonders eklige Mutationen und Gewaltausbrüche hofft, wird mit der Serie sicher enttäuscht. Obwohl der Anspruch auf Unterhaltung in SLØBORN größer ist als der auf exakte Wissenschaft, lag Christian Alvart mehr an einer Geschichte als Spektakel.
Diese ist aber interessant genug vorgetragen, um auch dann am Ball bleiben zu wollen, wenn die Figuren gerade keinen Husten mit blutigem Auswurf haben oder die Bundeswehr Schießbefehl erhält.
Fazit: Während die meisten Pandemie-Filme (und auch Zombie-Filme) das „Davor“ nur kurz anreißen, steigt SLØBORN genau dort ein.
Wer sich auf das ruhige Storytelling, die Vielzahl der Figuren und das Viren-Thema aber einlassen kann, wird mit einer sauber erzählten Serie belohnt.