SWALLOW, also Schlucken, ist im gleichnamigen Film Programm. Hier geht es um das Pica-Syndrom, das man sonst wohl eher in einer Psychologievorlesung als einem Spielfilm findet. Dabei verschlucken Menschen Dinge und Gegenstände, die eindeutig nicht für die Nahrungsaufnahme bestimmt sind.
Story:
Hunter ist jung und schwanger, ihr Mann ist beruflich erfolgreich und sie lebt in einem tollen Haus.
Doch die Hausfrau hat einen seltsamen Zwang: anders als andere Schwangere begnügt sie sich nicht mit dem Klischee der sauren Gurken.
Es beginnt mit einer Murmel, die sie isst und wieder ausscheidet. Es folgt ein Pin (was schon deutlich schmerzhafter ist) und viele andere Gegenstände. Als die Wahrheit ans Tageslicht kommt, drängt sie die besorgte Familie (nicht nur) zur Therapie, doch hier vermischen sich Ursache und Wirkung.
Wichtig, SWALLOW ist kein Horrorfilm, kein Thriller, es gibt nicht mal einen wirklichen Bösewicht.
Das bedeutet nicht, dass man als Zuschauer die Sympathien gleichmäßig verteilt, doch vor allem ist der Film eine Psychostudie zu einem abgründigen Thema.
Reichtum und Glück….selten das Gleiche
Dementsprechend ruhig wird die Geschichte vorgetragen und man ist zwischen Neid und Mitleid hin- und hergerissen, wenn man Hunter zu Beginn sieht.
Hier herrscht Luxus, aber auch viel Langeweile. Sie ist das schmückende Beiwerk ihres Mannes, ihre Stimme hat kein Gewicht. Geld zählt in der Familie, danach kommt lange nichts.
Als Zuschauer betreten wir diese sterile Welt, in der man mit Krawatte zu Abend isst und fühlen uns rasch wie Außenseiter. Das bedeutet nicht, dass man verstehen muss, was Hunter sich, ihrem Körper und dem ungeborenen Kind antut, verstehen muss, aber man ahnt rasch, dass mehr dahinter steckt, als eine Laune oder die Neugier, ob ein Schraubenzieher einfach durch den Körper wandert, ohne Schaden zu hinterlassen.
Das Lachen bleibt bei SWALLOW wortwörtlich im Halse stecken
Ebenso wenig wie SWALLOW ein Horrorfilm ist, setzt er auf übertriebene Ekelszenen, die alle Details zeigen. Bei manchen Dingen reichen aber auch Ausschnitte oder Andeutungen, um skeptische Neugier zu entfachen.
Ab hier folgen einige Spoiler, wobei SWALLOW die Art von Film ist, die man theoretisch auch dann gut sehen kann, wenn man schon alles weiß.
Wenn Hunters Schwiegervater ihr beim Abendessen das Wort abschneidet, um über Geschäfte zu reden oder ihre Schwiegermutter erwähnt, wie gut es die ehemalige Einhandelsverkäuferin bei der wohlhabenden Familie hat, versteht man das Umfeld, in dem sie lebt. Wie bei anderen Zwangsstörungen (Waschzwang, verbale Zwänge etc.) geht es um das Rückgewinnen von Kontrolle, die Hunter eindeutig fehlt.
Aber auch einfache Wärme und Sympathie werden ihr kaum entgegengebracht und als ein betrunkener Arbeitskollege ihres Mannes sie fragt, ob er sie umarmen darf, was sie nur widerwillig annimmt, ist sie es, die sich hinterher bedankt.
In ihrer Kindheit finden sich weitere Ursachen für ihr Handeln, auf diese wollen wir dann aber doch noch nicht eingehen.
Es sei aber gesagt, dass mit dem Durchleuchten der eigenen Vergangenheit das Pendel des Films noch mehr Richtung Drama ausschlägt.
War es vorher eine skurrile Studie zu beobachten, was die junge Frau verschluckt, die bei aller Ernsthaftigkeit eine gewisse Komik mit sich brachte, widmet sich das letzte Filmdrittel noch mehr den zwischenmenschlichen Beziehungen.
Fazit: SWALLOW ist ein Film, der Fans des kontroversen Kinos zusagen dürfte. Dass es sich um das Langfilmdebüt des Regisseurs Carlo Mirabella-Davis handelt, ist ihm nicht anzumerken, allerdings (ob beabsichtigt oder nicht) scheint sich die Sterilität des Umfeldes auf fast alle Figuren zu übertragen, sodass selbst Hauptfigur Hunter leider etwas unnahbar bleibt.
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