Als Nicolas Winding Refn ankündigte, einen Horrorfilm zu drehen, wurden Filmfans hellhörig. Immerhin ging der gebürtige Däne bei seinen vorherigen Filmen ONLY GOD FORGIVES und DRIVE ebenfalls nicht zimperlich zur Sache.
Wie sich herausstellt, ist THE NEON DEMON eine Weiterentwicklung seines bisherigen Schaffens, aber will man dieses Werk wirklich als Horror bezeichnen?
Wovon handelt THE NEON DEMON?
Der Film beginnt jedenfalls mit einer blutüberströmten Leiche, die ist allerdings nur Teil eines Fotoshootings und während dieser Szene bereits eine gewisse Bedeutung beizumessen ist, werden sich Freunde von Horror-Fastfood auf eine Durststrecke einstellen müssen, denn bis zur nächsten vergleichbaren Szene vergeht viel Zeit.
Bis dahin lernen wir das junge Modell Jesse kennen, das in Los Angeles seine Karriere starten will. Jesse ist eine Schönheit vom Lande; unschuldig, schüchtern, naiv und noch 2 Jahre von der Volljährigkeit entfernt. Sie lebt alleine in einem schmierigen Hotel und einige der Kolleginnen mustern sie kritisch, nicht zuletzt, weil sie schnell erfolgreich ist. Zwar findet sie in einem Fotografen und einer Maskenbildnerin Freunde, trotzdem ist es schwer in dem Haifischbecken der Schönheiten zu überleben.
Alles ist an seinem Platz
Man kann dem Regisseur unterstellen, dass jede Szene genau so gestaltet wurde, wie er sich das ausgemalt hat. Die Kinematografie ist beeindruckend. Optisch wie akustisch (der Score stammt wie schon bei DRIVE von Cliff Martinez) wird hier opulent aufgefahren und wer die Chance hatte, den Film im Kino zu sehen, wird vermutlich noch beeindruckter gewesen sein….allerdings war der Saal wohl nur dürftig gefüllt, denn auf ein solches Werk wird sich die breite Masse nicht einlassen. Eine globale Empfehlung kann man für einen Film wie THE NEON DEMON dementsprechend nicht aussprechen, dafür ist er zu speziell.
Einer der Hauptdarsteller in THE NEON DEMON ist LA
Während Refns Stil immer zu erkennen ist und er beispielsweise die wiederkehrenden Rot- und Blautöne, die er schon in ONLY GOD FORGIVES einsetzte, hier fortführt, fällt eine stilistische Nähe zu UNDER THE SKIN, aber vor allem David Lynchs MULHOLLAND DRIVE auf. Nicht nur gibt es alptraumhafte Sequenzen, interpretationswürdige Szenen und What-The-Fuck-Momente, der Stadt L.A. kommt auch eine gewisse Bedeutung zu und während Lynch auf den Treibsand hinwies, den die Filmindustrie bereit hält, ist es bei Refn die Modelbranche. So ist die Anfangsszene, die uns vorgaukelt eine Leiche zu sehen bereits ein Indiz, wie verlogen dieses Business ist.
Allerdings hatte man bei allem Erklärungsbedarf, den Lynchs Film auf den ersten Blick hinterließ, den Eindruck, dass sich der Gehirnkrampf erklären lässt. Vielleicht tue ich Refn unrecht zu behaupten, dass das bei ihm nicht der Fall ist, aber zumindest ein Teil der Szenen wirkt so, als wären sie nicht mehr als der reinen Ästhetik geschuldet.
Die Charakterzeichnung der Figuren und auch die schauspielerische Leistung sind wiederum einwandfrei. Elle Fanning (SUPER 8) spielt die Hauptrolle jederzeit glaubwürdig, aber vielleicht ist der beste Indikator Keanu Reeves, der in seiner Karriere schwere Leistungsschwankungen aufzeigt. Während er sich zuletzt mit KNOCK KNOCK blamierte, überzeugt er hier –wenn auch nur in einer kleineren Rolle- als unangenehmer Motelbetreiber.
Grundsätzlich lernen wir viele abstoßende Figuren kennen. Manche sind auf den ersten Blick unsympathisch, andere enthüllen ihre dunkle Seite erst später.
Das gilt auch für die Horroranteile in THE NEON DEMON. Dass Nicolas Winding Refn früher oder später zur Gewalt neigt ist, ist bekannt und auch hier der Fall. Kannibalismus und Nekrophilie sind nur zwei dunkle Bereiche, die dem Betrachter vorgesetzt werden.
Das ist verstörend und nicht nur, weil der Film bis dahin einen ruhigen Verlauf nimmt, wer aber gerne in Genres denkt, sollte sich trotzdem lieber auf ein Arthouse-Drama mit Horroranteilen als einen straighten Horrorfilm gefasst machen.
Fazit zu THE NEON DEMON
Größtes Manko von THE NEON DEMON ist, dass er den Weg „style over substance“ geht. Das ist eine Zeit lang gefällig, wirkt wie ein überlanges Musikvideo, am Ende für einen kompletten Film aber auch zu wenig.