Wie ihr mitbekommen habt, werden heute Nacht mit viel Getöse die Oscars überreicht und die Filmwelt blickt gespannt gen Hollywood, wo man sich ja auch als Deutscher Hoffnungen machen darf.
Das Gegenstück, die Goldenen Himbeeren, wurden hingegen bereits verteilt.
Der Unterschied der beiden Veranstaltungen besteht natürlich darin, dass jeder einen Oscar will, wohingegen kaum einer der Himbeer-Gewinner persönlich auftauchte, um seinen Preis abzuholen. Verständlich, denn hier wird der Murks des Jahres gekürt.
Gemein haben beide Events, dass sie Nominierungen vergaben, die mich zweifeln lassen.
Beginnen wir vielleicht mit den Oscars, denn als Seite, die primär über Horrorfilme berichtet, gibt es für uns dazu wenig zu sagen.
Damit ist primär die Kategorie „Bester Film“ gemeint, denn GODZILLA MINUS ONE ist tatsächlich als Genrefilm für seine Effekte nominiert, das wars dann aber.
Das mag man kritisieren, aber wie hier in unserem letzten „Wir müssen reden“ schon erläutert haben, geht es dem Horrorfilm gerade nicht so gut. 2023 gab es in unserem Genre kaum etwas, das sich diesbezüglich angeboten hätte.
Andererseits: das was es unter die 10 Nominierte für den besten Film geschafft hat, ist natürlich nicht übel, entspricht auch nicht immer der Vorstellung von „Film des Jahres“.
Horror bei den Oscars
THE ZONE OF INTEREST (neben ANATOMIE EINES FALLS einer der beiden Filme mit der Deutschen Sandra Hüller, die stark spielt) ist beispielsweise aufgrund seines Aufhängers, wie es ist direkt neben dem KZ Auschwitz zu leben, bedrückend. Aber auch nach 30 Minuten auserzählt. Eine Handlung gibt es kaum.
PAST LIVES kann sich hingegen damit rühmen, eine Love Story, die keine ist, mit einem doppelten Boden zu erzählen, den man aber trotz Zeitlupenerzählweise mit der Lupe suchen muss.
BARBIE startet mit cleverem Humor und sehenswerter Sozialkritik mit Metaebene, versumpft aber im letzten Drittel.
Und auch Scorsese, DiCaprio und De Niro können nicht verhindern, dass KILLERS OF THE FLOWER MOON einfach lang ist. Von Überlänge hat auch OPPENHEIMER viel, dem mit 20 Minuten weniger nichts gefehlt hätte.
Länge, Langatmigkeit und ja, mitunter auch Langeweile könnten dieses Jahr als Motto der Academy Awards™ stehen.
Aber noch mal: wie auch die anderen Nominierten, sind das alles sehenswerte Filme mit verschiedenen Highlights, die mich aber als Ganzes zu selten begeistern konnten.
Horror bei den Goldenen Himbeeren
Und damit auf zu den Goldenen Himbeeren.
Razzies (was sich aus dem Englischen Raspberry, also Himbeere ableitet) „ehren“ also die schlechtesten Filme des Jahres und siehe da, plötzlich sind auch Horrorfilme und deren Verwandtschaft dabei.
WINNIE THE POOH, EXORZIST – BEKENNTNIS, THE POPE’S EXORZIST und MEG 2 gehören zum fragwürdigen Kreis.
Hier gilt in umgekehrter Weise das, was für die Oscars galt: keiner von denen ist ein Highlight, aber sind es die schlechtesten Filme des Jahres? Oder nur die schlechtesten über die viel gesprochen wurde?
Bei WINNIE THE POOH lief sicher viel schief, aber wie ernst zu nehmen ist ein Film auch, der mit einem Kreisklassenbudget in der Champions League aufläuft und -abgesehen von ein paar debilen Übereltern, die sich um ihre Kinder und die eigene Kindheit sorgen– auch von niemandem ernster genommen wird, als SHARKNADO, ZOMBIBER oder BUNNY UND SEIN KILLERDING. Dies ist doch eher die Art Film, die sich für die Fortsetzung die Razzie-Auszeichnung stolz aufs Cover klebt, um zu zeigen, wofür man steht.
Das dürfte bei MEG 2 anders aussehen, der zwar auch trashig ist, aber nicht so wirkt, als wolle er es sein. Da waren bekannte Namen am Werk, die ein gewaltiges Budget reingepulvert haben und trotzdem sehen die CGI-Kreaturen aus wie mein Commodore 64 in den 80ern. Von der Story mal ganz zu schweigen.
Und dann sind da die beiden Exorzisten-Filme. Russel Crowe hätte in den letzten Jahren sicher die ein oder andere Nominierung für den schlechtesten Darsteller verdient gehabt, hier empfand ich seine lockere Darstellung des echten Exorzisten Gabriele Amorth in THE POPE’S EXORCIST zwar kein bisschen biographisch, aber unterhaltsam und stimmig.
Und selbst EXORZIST – BEKENNTNIS, der vom unsäglichen David Gordon Green stammt und sich viel zu seriös für den Mumpitz gibt, den er uns präsentiert, hatte ein paar nette Momente.
Wenn einem Trottel in den Kommentarspalten nichts mehr einfällt, hat er schnell den Satz „Ist ja Geschmackssache“ parat und natürlich unterliegt jede Bewertung, jede Kritik und auch jede Nominierung -ob positiv oder negativ- immer auch dem persönlichen Eindruck des Betrachters.
So wie aber jeder Kritiker in der Lage sein sollte, neutrale Maßstäbe anzulegen, ist das bei den großen Awards, die Karrieren aufbauen und zerstören können, noch viel mehr gefragt.
Und wenn man schon trashige Filme für die Goldene Himbeere in Betracht zieht, wo ist dann der wirklich haarsträubende COCAINE SHARK?
Ich muss allerdings gestehen, dass ich für die positiven Vertreter, also die Oscars, keinen Film aus 2023 benennen könnte, der statt der Nominierten hätte Erwähnung finden sollen und es verdient künftig mit SCHINDLER’S LISTE, TITANIC, DER PATE, BEN HUR oder EINER FLOG ÜBERS KUCKUCKSNEST in einem Atemzug genannt zu werden.
Vielleicht sagt das was über meine fehlende Filmexpertise aus….vielleicht auch über den Zustand von Hollywood 2023.
Und hier kann man trefflich darüber streiten, ob die neuen (und garantiert gut gemeinten) Repräsentations- und Inklusionsstandards auch die erzählten Geschichten diverser (und vor allem: besser) machen oder nur die Gesichter vor und hinter der Kamera.
Einen deutschsprachigen Auszug dieser Standards, wie es sie beispielsweise in vergleichbarer Form auch bei Amazon Video gibt, findet ihr hier.
Übrigens, wie erwähnt wurden die Razzies bereits überreicht und großer „Sieger“ wurde tatsächlich WINNIE THE POOH in den Kategorien Schlechtester Film, Schlechteste Neuverfilmung oder billigster Abklatsch, Schlechteste Regie, Schlechtestes Drehbuch und Schlechteste Filmpaarung.
Wem drückt ihr heute Abend für die Oscars die Daumen?
PS: kann mal jemand eine Petition starten, damit Willem Dafoe endlich einen Oscar erhält?