David Gordon Greens DER EXORZIST – BEKENNTNIS ist ohne Zweifel einer der Horrorfilme des Jahres 2023, auf die Fans, Kritiker und Macher mit besonderem Blick schauen.
Fans, weil DER EXORZIST von 1973 natürlich Kultstatus genießt; Kritiker, weil Greens HALLOWEEN-Filme nicht ohne Stärken, aber auch nicht ohne eklatante Schwächen daherkamen; Macher, weil man alleine für die Rechte, einen neuen Film aus dem Franchise drehen zu dürfen, 400 Mio $ bezahlte.
Worum geht es in DER EXORZIST – BEKENNTNIS?
Als die 13jährige Angela und ihre Freundin Katherine im Wald spielen, verschwinden sie für drei Tage. Die Eltern der Kinder sind überglücklich, als sie sie schließlich -scheinbar unversehrt- wiederfinden, doch die beiden haben sich verändert. Angela macht ins Bett und attackiert ihren Vater Victor, Katherine dreht bei einem Kirchenbesuch durch.
Sowohl Victor, der nach dem Tod seiner Frau jedem Glauben abgeschworen hat, als Katherines Eltern sind ratlos, doch eine Nachbarin hat von Chris MacNeil gehört, deren Tochter Regan einst ähnliches erlebte.
DER EXORZIST – BEKENNTNIS beginnt bodenständig
2023 einen Exorzistenfilm zu drehen, ist ein schwieriges Unterfangen, denn wieder und wieder und wieder wurden in den letzten 50 Jahren die exakt gleichen Elemente (Kinder mit Raucherstimme, Weihwasser, lateinische Gebete, Kruzifixe) verwurstet.
Etwas Neues zu erschaffen, scheint da kaum möglich und alleine die reine Tatsache zwei besessene Mädchen einzubauen, reißt zunächst niemanden von der Kirchenbank.
Was aber immer möglich wäre, ist, es besonders gut zu machen. Und hier müht sich DER EXORZIST – BEKENNTNIS zunächst redlich.
Wir lernen Victor kennen, der mit seiner Frau auf Haiti in ein Erdbeben gerät und eine schreckliche Entscheidung treffen muss. Die relevanten Figuren werden uns mit Ruhe, aber ohne Langeweile vorgestellt und als die Kinder verschwinden und die Spannung steigt, geschieht auch das auf eine ernstzunehmende Weise.
Natürlich gibt es immer dieses oder jenes: „das hätte ich anders gemacht“ oder eben „das kenne ich doch aus…“, aber die Geschichte tut an dieser Stelle nichts, wofür man sich schämen müsste und wird allenfalls den nervösen 12jährigen enttäuschen, der sich doch bitte von Anfang an Jumpscare um Jumpscare wünscht.
Aber natürlich ist irgendwann der Moment gekommen, wo es zur Sache geht und spätestens jetzt wird DER EXORZIST – BEKENNTNIS zur zweischneidigen Sache.
Zunächst wird besagte Chris MacNeil eingeführt, die die einzige Verbindung zu DER EXORZIST darstellt und von der inzwischen 90jährigen Originaldarstellerin Ellen Burstyn gespielt wird.
Wir kennen diese Legacy-Filme und -Figuren inzwischen zu genüge, nur dass Chris MacNeil für DER EXORZIST – BEKENNTNIS unbedeutender ist, als es Laurie Strode für Greens Halloweenfilme war.
Denn die betagte Dame taucht auf, erzählt etwas über Exorzismen aller Welt und benimmt sich so unsagbar dämlich, als habe sie 1973 nicht aufgepasst und in 50 Jahren nichts dazugelernt.
Konsequenterweise (Achtung Spoiler) bekommt sie ein Kruzifix in die Augen gerammt und scheidet schon nach kurzer Zeit wieder aus dem Film aus, nur um am Ende ein Wiedersehen mit der zerstrittenen Tochter Regan zu feiern. Diese peinliche Feelgood-Szene könnte 1:1 aus einem „Deutschland sucht den Superstar“-Skript stammen, wenn der beste Sänger des Wohnsilos im Finale seine lange verschollene Mutter umarmt.
Spoilerende.
Nun muss man zugeben, dass diese Kruzifix-Szene zwar weniger kontrovers wirkt, als jene im Original, aber in den Augen (kein Wortspiel) des Horrorfans letztlich funktioniert, so wie auch an anderer Stelle nicht alles schlecht ist und die besessenen Kinder angenehm creepy aussehen.
Händchenhaltend gegen die Hölle
Ein Motiv, das Green in seinen HALLOWEEN-Filmen etablierte, war das „WIR gegen das Böse“.
Wir erinnern uns an die „Evil dies tonight“-skandierende Menge in Haddonfield oder als plötzlich alle feigen Bewohner aus ihren Löchern kamen, um Michaels finale Vernichtung auf dem Schrottplatz beizuwohnen.
Diese wohlige Gemeinsamkeit will der Regisseur auch in DER EXORZIST – BEKENNTNIS aufbauen und überlässt die Teufelsaustreibung daher mal nicht nur dem traditionellen katholischen Priester, sondern zelebriert sozusagen einen ökumenischen Exorzismus, bei dem auch Vertreter anderer Glaubensrichtungen teilnehmen.
Das führt zu viel Chaos, reichlich Wirrwarr und ist offen gestanden ziemlicher Nonsens, der nahezu satirisch wirkt, was auch der Dämon so sieht und sich unbeeindruckt zeigt.
So umschifft der Film zwar einige hundertfach gesehene Rituale, ist aber weit davon entfernt besser zu sein, nur weil er anders ist.
Anders ist eben auch, dass man hier zwei Mädchen besessen sein lässt, das führt aber letztlich nur dazu, (noch mal Spoiler) dass die Eltern über Leben und Tod von einer der beiden entscheiden sollen und sich der Dämon bzw. der Regisseur sich das so hinbiegt, bis ein kitschiges Ende dabei rum kommt.
William Friedkin, Regisseur des Originalfilms, machte kurz vor seinem Tod klar, dass er so gar keine Lust auf Greens Machenschaften habe. Vielleicht war das zu hart, wenn man DER EXORZIST – BEKENNTNIS als unabhängigen Horrorfilm im Exorzismus-Subgenre betrachtet, als Fortsetzung braucht man das Werk aber trotz Titels und zwei Gastauftritten aber nicht zu sehen. Im Gegenteil: dass uns Greens Film immer wieder an Friedkins Meisterwerk erinnert, führt unweigerlich zu Vergleichen…und dabei stellt man fest, dass das 2023er Modell in keiner Kategorie besser ist.
Fazit
Einer vernünftigen ersten Hälfte mit Potential folgen 45 Minuten, die stilistisch zwar nicht ganz „typisch Exorzismus“, aber leider „typisch Green“ sind. Wer Unsinn wie HALLOWEEN ENDS noch was abgewinnen konnte oder einfach jeden beliebigen Teufelsaustreiber-Streifen abfeiert, wird hier ein paar gute Momente entdecken, die neutral betrachtet über Mittelmaß aber nicht hinausgehen.
Man kann sogar die Meinung vertreten, dass DER EXORZIST – BEKENNTNIS hinter dem immerhin augenzwinkernden THE POPE’S EXORCIST nur der zweitbeste Film 2023 im Subgenre ist.
Hier könnt ihr euch DER EXORZIST – BEKENNTNIS anschauen
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