Wie beginnt man ein Review zu einem Film wie THE NUN II, über den indirekt bereits alles gesagt wurde, selbst wenn man noch nie über ihn gesprochen hat?
Vielleicht mit einem Blick auf den schnell wachsenden Familienbaum:
Die Erfolgsgeschichte des inzwischen 10 Jahre alten CONJURING-Universums sucht ihresgleichen, spielte weit über 2 Milliarden Dollar weltweit ein, schuf einige Horror-Bösewichter und -Helden, die man anhand eines einzelnen Fotos erkennt und wurde dementsprechend oft in den relevanten Medien und Kommentarspalten erwähnt.
Eine dieser Bösewichter ist die seit CONJURING 2 bekannte Nonne bzw. der Dämon Valak, der schon 2018 sein eigenes Spin-Off erhielt und ebenfalls die Kinokassen klingeln ließ. Es war also absehbar, dass dessen Geschichte weitererzählt werden würde.
Was ist die Geschichte von THE NUN II?
Nach den Vorfällen in Rumänien (aus THE NUN) lebt Schwester Irene als Nonne in einem italienischen Kloster. Doch als sich in ganz Europa mysteriöse Todesfälle ereignen, bei denen sich Geistliche scheinbar selbst auf brutale Weise töten, wird die junge Frau von der Kirche beauftragt, der Sache auf den Grund zu gehen. In Frankreich stößt sie dabei auf zwei alte Bekannte: Frenchie, der ihr im früheren Kampf gegen Valak half und den Dämon selbst, der Macht über Frenchie besitzt, ohne dass diesem das klar ist.
Es wurde wie eingangs erwähnt nicht nur in den letzten Jahren viel über CONJURING und Co. gesprochen, es etablierte sich natürlich auch ein gewisses Muster, das sich als Grusel und Bombast beschreiben lässt. THE NUN II ist dementsprechend überraschungsarm und stellt das schablonenartige Vorgehen schon zu Beginn unter Beweis. Erst schleicht etwas durch die Dunkelheit einer Kirche, dann wird der Priester unter Getöse in die Luft geschleudert und verbrennt lichterloh.
Handwerklich ist das immer alles grundsolide und man merkt, dass mit 38,5 Millionen Dollar Budget einer der teureren Ableger des Franchises und aller Horrorfilme 2023 verwirklicht wurde.
Dementsprechend konnte man sich namhafte Darsteller leisten, die Effekte sind vielleicht drüber aber professionell und vor allem die Kulissen wirken so, wie man sich das französische Örtchen Tarascon, das den Hauptschauplatz bildet, in den 50ern vorstellte.
THE NUN II hält exakt was er verspricht
Neben Taissa Farmiga, die natürlich wieder Irene spielt, ist als Sidekick Storm Reid (THE LAST OF US) am Start. Bonnie Aarons spielt wieder Valak, Jonas Bloquet (1899) wieder Frenchie und Anna Popplewell (DIE CHRONIKEN VON NARNIA) ist auch keine Unbekannte.
Auch auf dem Regiethron nimmt mit Michael Chaves einer Platz, der bereits LLORANAS FLUCH und CONJURING 3, und damit 3 der letzten 4 Filme im Universum, umsetzte.
Nun ist ein Chaves ungefähr das für CONJURING, was ein Darren Lynn Bousman für SAW ist: ein Handwerker, der nicht viel falsch macht, aber auch einer der nur dann ran darf, weil James Wan keine Zeit hatte.
Natürlich gruselt man sich hier oder da und die Szenen in denen (Minispoiler) Valak vielleicht nur ein Fleck an der Wand sein könnte oder sich aus Zeitungen formt, sind sogar kreativ. In Summe merkt man Chaves bzw. seinem Film aber die Checkliste an, an der er sich abarbeitete.
Diverse Szenen sind nicht zwingend, sondern hätten komplett entfernt werden können, ohne dass es aufgefallen wäre.
Und während die Rahmenhandlung nun wirklich nicht arg komplex ausfällt, lassen Regisseur, Autoren (inzwischen ist es Standard, dass man drei Leute dafür braucht) und Schnitt eine Vielzahl Personen, Orte und Zeiten auf uns einprasseln, ohne dem Zuschauer wirklich ein Gefühl dafür zu geben, wo er sich gerade befindet, weswegen man sich zeitweilig wie ein verlorener Tourist fühlt, der ohne Karte durch die engen Gassen Tarascons tappst.
Das alleinige Ziel: Jumpscares
Der Grund hierfür liegt auf der Hand. Es geht nicht um Figuren oder Geschichte, sondern darum möglichst viele Jumpscares in den Film zu backen, wie es auch bereits Teil 1 tat. Nun kann man einem Horrorfilm kaum vorwerfen, wenn er Horror ist, aber trotz eines kleines Twists am Ende, wäre eine interessantere Geschichte nett gewesen. Das hätte womöglich auch dafür gesorgt, dass man mehr mit den Charakteren fühlt, statt ihnen nur zuzusehen.
Aus kommerzieller Sicht machte THE NUN II mal wieder alles richtig und spielte an die 270 Millionen $ ein, insofern ist nicht damit zu rechnen, dass sich irgendeiner der Verantwortlichen um Kritik, geschweige denn unsere Kritik kümmert, es lässt sich aber auch nicht verleugnen, dass dies mal wieder ein schönes Beispiel dafür ist, wo Horror-Hollywood 2023 steht:
Verformelte, durchgestylte Gewinnmaximierung ohne Mut zum Risiko oder Andersartigkeit.
Im Gegenteil: dass ausgerechnet die verkrustete katholische Kirche eine junge Frau in den 1950ern mit verantwortungsvollen Aufgaben betreut, mag 70 Jahre später verklärtes Wunschdenken sein, mehr aber auch nicht.
Dass Storm Reids Rolle im Film zwar quasi nutzlos ist, aber als einzige schwarze Figur „irgendwie“ dabei sein muss (tatsächlich reist sie heimlich mit), war sicher Auflage vom Politically Correctness-Beauftragten, ist aber rassistischer als die Figur zu streichen.
Bleibt die Frage, ob THE NUN II besser ist als THE NUN.
Insgesamt weder besser noch schlechter, aber während Teil 1 versuchte auf neblige Friedhöfe im Stile alter Hammer Studio – Streifen zu setzen (Referenzen, die beim Zielpublikum altersbedingt ins Leere laufen dürften), liefert THE NUN II gegen Ende den schon erwähnten Bombast.
Fazit zu THE NUN II
Die Frage, ob man THE NUN II ansehen sollte, kann man sich leicht beantworten: Fans der CONJURING-Welt dürften kaum komplett enttäuscht werden, wer sich aber vorher schon an den Annabelles und Valaks sattgesehen hatte, wird keine neue Liebe entflammen können.
Hier kannst du THE NUN II sehen
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