CUCKOO ist der zweite Film von Tilman Singer. Bei wem es nun nicht sofort klingelt, Singer ist der Regisseur von LUZ.
Wenn das immer noch keine Erinnerungen weckt, mag es daran liegen, dass ihr LUZ nicht gesehen habt…oder der schräge Abschlussfilm aus Singers Studentenzeit eure Gehirnwindungen durchgebrutzelt hat. Entwarnung für eure grauen Zellen können wir für CUCKOO nicht geben, denn der festigt die Handschrift des Regisseurs.
Wovon handelt CUCKOO?
Die 17jährige Gretchen bezieht mit ihrer Familie ein Resort in den deutschen Alpen. Da es für die junge Amerikanerin nicht viel zu tun gibt, wird sie von Herrn König, dem Chef ihres Vaters an der Rezeption eingesetzt. Dort stellt sie nicht nur fest, dass hier offenbar eine Menge eigenartiger Menschen absteigen, sondern wird bald auch von einer Frau verfolgt. Obendrein erleidet ihre jüngere Stiefschwester Anfälle. Aber wie hängt all das zusammen?
Das Schöne an Filmkritiken ist, dass man schlau daherreden kann, ohne den Inhalt in Gänze verstanden zu haben, aber wem sollen wir was vormachen? CUCKOO ist komplex und wer ihn im Kino sehen will, sollte über ein Abo-Modell nachdenken, denn beim ersten oder zweiten Durchlauf könnte das ein oder andere Detail verloren gehen.
In CUCKOO gibt es einiges zu entdecken
Dies ist die Art Film, über die wir stundenlang referieren könnten, aber trotzdem eine persönliche Sichtung nötig ist. Es ist auch ein Film, der ein dezentes Foreshadowing betreibt und früh kleine Dinge versteckt, die später noch einmal relevant werden.
Dabei stellt sich die Frage, ob der Autor (ebenfalls Tilman Singer) nicht das Element der Willkür pflegt und einiges, was er auffährt, gar keine Rolle spielt. Anderes spielt hingegen definitiv eine Rolle, wird aber nur vage umrissen, klärt sich spät oder bleibt Interpretationen überlassen.
Wir verraten wohl nicht zu viel, wenn wir preisgeben, dass der Filmtitel, der auf Deutsch natürlich „Kuckuck“ bedeutet, eine Bedeutung hat. So wähnt man sich schnell auf einer heißen Fährte, wenn man sich Gretchens Familienkonstellation betrachtet, aber was hat das damit zu tun, dass die Locations gänzlich aus der Zeit gefallen sind, Gäste in die Lobby kotzen oder immer wieder anfallartige Deja-Vus auftreten?
Zumindest der Look bzw. die zeitliche Zuordnung scheint eine Vorliebe des Regisseurs zu sein. Während schon LUZ in einer Umgebung spielte, die an das worst of 60er und 70er erinnerte, wirft uns auch CUCKOO in Kulissen, die wenigstens vor 50 Jahren modern waren. Gleichzeitig wird aber in Euros bezahlt und Smartphones genutzt.
CUCKOO ist übrigens eine deutsch-amerikanische Koproduktion, was bedeutet, dass der O-Ton des Films vorrangig englisch ist. Dafür hat man dann aber auch internationale Namen in den Cast geladen. Dan Stevens (THE GUEST, THE RENTAL) spielt Herrn König, Marton Csokas (THE EQUALIZER, VOICE FROM THE STONE) Gretchens Vater.
Trotzdem ist das Schauspiel nicht immer auf den Punkt bzw. weist größere Qualitätsschwankungen auf. Wer ihre Sache aber gut macht ist Hauptfigur Gretchen bzw. Hunter Schafer (DIE TRIBUTE VON PANEM – THE BALLAD OF SONGBIRDS AND SNAKES).
Genre-übergreifender Wahnsinn
Sucht man nun eine Schublade für den Film, ist Mindfuck das erste Wort, das einem einfällt, Mystery auch und ein paar Szenen warten mit lupenreinem Horror auf.
Das ist immer dann der Fall, wenn die blonde Frau im Trenchcoat auftaucht. Die wirkt in ihrer Erscheinung zunächst nicht weniger skurril als der Rest des Films, wird aber effizient in Szene gesetzt und ist für einige Schauder gut.
Aber CUCKOO stoppt hier nicht, sondern macht aus der, wie es anfänglich scheint, persönlichen Geschichte, eine größere Sache, bei der gegen Ende sogar automatische Waffen zum Einsatz kommen.
Der Trailer schafft es einerseits die Neugierde noch zu steigern, indem er die Vielseitigkeit und Individualität des Werkes hervorhebt, macht aber leider auch den Fehler zu viel von den plakativen Gruselelementen preiszugeben. Daher sollte man möglichst unvorbelastet einsteigen.
Unvoreingenommen sollte man aber ohnehin herangehen, denn CUCKOO ist ein wildes Erlebnis und das nicht nur, weil er sich wenig um Genres kümmert.
Ein Vergleich mit David Lynchs Schaffen ist nicht weit entfernt, aber der wirkte selbst in surrealen Momenten immer schlüssiger, wohingegen bei Tilman Singers Film mehr als einmal die Frage aufpoppt, ob etwas die Story weiterbringt, nur der Stimmung dient oder schlichtweg Nonsens ist.
Fazit zu CUCKOO
Es ist schön zu sehen, dass jemand solche Filme macht und deutsche Filmförderinstitute das unterstützen. Es stellt sich allerdings die Frage, wer ihn sehen will. Leichtes Fastfood a la Blumhouse schmeckt anders und dazu kommt der Faktor des Deutschen, was einige auch ohne Begründung abschrecken wird. Ein kommerzieller Erfolg ist daher mindestens fraglich.
Das außenvorgelassen gibt es viel zu entdecken und eine außergewöhnliche Story, aber auch das Gefühl, dass CUCKOO nicht immer fokussiert ist.
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