Review: DER LEUCHTTURM (2019)

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BEWERTUNGEN:
Redaktion: 8.0

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7.7/10 (11)

Darsteller: Willem Dafoe, Robert Pattinson
Regie: Robert Eggers
Drehbuch: Robert Eggers, Max Eggers
Länge: 105 min
Land:
Genre: , , , ,
Veröffentlichung: 09. April 2020 (Heimkino)
Verleih/ Vertrieb: Universal
FSK: ab 16

Robert Eggers ist der Mann, der THE WITCH drehte.
Wer denkt, dass damit sein Hunger nach atmosphärischem, slow-burn Arthouse-Horror gesättigt wurde, sollte erst gar nicht weiterlesen und auf gar keinen Fall DER LEUCHTTURM ansehen.
Eggers Zweitwerk ist nämlich von allem noch mehr.
Noch ruhiger, noch mysteriöser, noch farbarmer, noch weniger Personen….und noch besser (?).

der leuchtturm kritik

Wovon handelt DER LEUCHTTURM?
Ende des 19. Jahrhunderts werden zwei Leuchtturmwärter von einem Schiff auf eine abgelegene Insel vor Neuengland gebracht, wo sie für die nächsten vier Wochen ihre Arbeit verrichten sollen.
Der ältere, Thomas Wake, ist der Erfahrene und bestimmt von Anfang an die Regeln, die sich der jüngere Ephraim Winslow aufgrund zunehmender Schikane nicht lange gefallen lässt.
Immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen den Männern und dann bleibt die Wachablösung nach den vier Wochen aus….

Was zunächst wie eine Standardstory für einen Thriller klingt, hebt sich schon auf den ersten Blick durch zwei Stilmittel ab.
Zum einen wurde der Film komplett in Schwarz-Weiß gedreht, zum anderen im Bildverhältnis 1,19:1, was also nahezu quadratisch ist. Beides sind Verweise auf die Frühzeit des Films und es wird klar, dass Eggers die Authentizität, die er mit THE WITCH etablierte, auch in DER LEUCHTTURM wichtig ist.

Zurück zu den Anfängen

Das setzt sich in Kostümen, Sprache und sogar der Mimik fort, die man so nur in alten Filmen oder Filmen wie O BROTHER, WHERE ART THOU? kennt, die ähnlich vorgingen.
Auch der schwere, oft klassische Score von Mark Korvin (auch THE WITCH), der sich mit schräg-penetranten Tönen wie einem Nebelhorn mischt, wirkt mindestens 50 Jahre alt und atypisch fürs 21. Jahrhundert.

the-lighthouse- der leuchtturm

Getragen wird der Film natürlich von den beiden Hauptdarstellern Willem Dafoe und Robert Pattinson und während Dafoe seit Jahrzehnten über jeden Zweifel erhaben ist (dass er trotz vier Nominierungen nie einen Oscar gewann, zählt zu den großen Ungerechtigkeiten unserer Zeit), beweist auch Pattinson einmal mehr, wozu er in der Lage ist.
Wer ihn immer noch als lächerlichen TWILIGHT-Vampir sieht, hat wohl schon Filme wie THE ROVER verpasst, spätestens mit DER LEUCHTTURM tritt er aber aus dem Schatten dieses Images.

Zuweilen erhält man den Eindruck, dass die Männer overacting betreiben, dies ist aber ebenfalls dem back-to-the-roots-Ansatz des Werkes geschuldet, der die beiden wie Theaterschauspieler agieren lässt und womit DER LEUCHTTURM an Frühwerke des Films wie etwa DAS CABINET DES DR. CALIGARI erinnert.
Wie angesprochen bietet die Story Dafoe und Pattinson viel Raum. In zahlreichen Gesprächen, manchmal aber auch nur minutenlangen Oneshot-Monologen erfahren wir mehr über sie und erleben, wie sie sich streiten, versuchen miteinander klarzukommen, sich in den Armen liegen, mit der Axt aufeinander losgehen oder zusammen tanzen.
Zuweilen wirken die Männer wie ein altes Ehepaar, was unter anderem in einer grotesken Szene zeigt, in der Pattinson Dafoes Kochkünste bemängelt, was diesen sichtlich trifft. Das geht soweit, dass sich in manchen Szenen latent homoerotische Untertöne erkennen lassen.

Social Distancing at its best

Spätestens, wenn die Axt zum Einsatz kommt, sind gewisse SHINING-Referenzen augenscheinlich, denn auch den Leuchtturmwärtern macht die Isolation zu schaffen. Dass auf der Insel die Essensvorräte verderben, weil das Dach undicht ist, aber dafür genügend Alkohol zur Verfügung steht, bessert die angespannte Lage nur zeitweilig.

Dass Wind und Wetter dem Dach des Gebäudes zusetzen, darf gerne als Analogie verstanden werden, denn im gleichen Maße wie Wasser in die ohnehin marode Unterkunft eindringt (die letzte halbe Stunde stehen die Protagonisten fast durchgängig im Regen), verschlechtert sich auch das persönliche Oberstübchen und der Wahnsinn greift um sich.

Anzeichen dafür zeigen sich allerdings schon früh, denn Thomas Wake berichtet von einem früheren Kollegen, der verrückt wurde und Winslow, der offenbar einige Geheimnisse hat,  wird immer wieder von eigenartigen Alpträumen und/oder Visionen geplagt.
Dass der Film uns diese schrägen Szenen zeigt, dann aber oft ohne Übergang zum normalen Tagesablauf der Kollegen überspringt, trägt zur weiteren Verwirrung bei, denn als Zuschauer lassen sich diese umso schwerer einordnen.

Willem Dafoe ist der König der Meere

Schwer einzuordnen sind auch manche Gespräche und nicht immer ist klar, was davon für das Verständnis der Story wichtig ist, was die Charakterisierung vorantreibt und was nur Palaver zweier Suffköppe ist, wodurch es mitunter schwer fällt am Ball zu bleiben und der Film ein paar Längen zeigt.
Gleichzeitig bietet DER LEUCHTTURM aber immer wieder neue Entwicklungen und Überraschungen, zu denen auch einzelne humoristische Einlagen gehören (Stichwort: Nachttopf).

Während man THE WITCH noch gut folgen konnte, ist der DER LEUCHTTURM mehr Kunst (übrigens untermalt von einer oscar-nominierten Kameraarbeit). Soll heißen, fast jede Einstellung ist ein Gemälde, fast jeder Dialog schwappt vor schauspielerischem Talent über, nur verstehen lässt sich das alles nicht immer auf den ersten Blick.der leuchtturm kritik

Analyse zu DER LEUCHTTURM

Daher hier ein paar Analyse-Ansätze (hier sind SPOILER zu finden):
Im Vorfeld war zu lesen, dass sich der Leuchtturm in lovecraftsche Gefilde begibt. Ganz ist das nicht von der Hand zu weisen und spätestens, wenn Tentakel auftauchen, werden sich viele darin bestätigt sehen. Aber nicht jeder Oktopus ist ein Produkt H.P. Lovecrafts und in der Anlage der Geschichte, bei der es um Vergangenheitsbewältigung und schlechtes Gewissen geht, ist als weiterer klassischer Einfluss auf jeden Fall auch Edgar Allen Poe zu nennen.

Darüber hinaus hilft es, wenn man zur Sichtung ein paar Grundlagen der griechischen Mythologie kennt.
Dass in der Geschichte Meerjungfrauen bzw. Sirenen auftauchen erinnert natürlich direkt an die Odysseus-Saga, es finden sich aber auch subtilere Botschaften:

Dafoes Figur lebt nicht nur auf dem kleinen Eiland im Ozean, besitzt eine nautische Vergangenheit und sieht mit vollem Haar und dichtem Bart aus wie ein klassisches Gemälde des Meeresgottes Poseidon. Thomas Wake ist der Chef der beiden, er beansprucht die Nachtschicht für sich (und damit das Licht des Leuchtturms), er lässt Winslow die Drecksarbeit machen, er ist gewissermaßen der König der Meere.

Winslows Charakter steht hingegen für Prometheus. Er gehört ebenfalls zum Göttergeschlecht, ist aber eben kein Gott. Er versucht aber selbst Zeus zu überlisten und stiehlt ihm das Feuer.  Die Analogie zum Leuchtturm/dem Leuchtfeuer ist offensichtlich und genau das tut Winslow, der sich nach anfänglicher Unterwürfigkeit rasch als rebellische Figur zeigt, in den Schlussminuten.
Auch das was darauf folgt, erinnert an Prometheus Schicksal. Während dieser dazu verdammt wurde, dass ein Adler seine Leber frisst, sind es in Winslows Fall Möwen, die seine Eingeweide verspeisen.

Den Möwen kommt darüber hinaus eine ganz eigene Bedeutung zu. Thomas Wake erklärt Winslow, dass man ihnen nicht schaden dürfe, da es Unglück bringe. In einer überaus drastischen Szene tötet dieser dennoch einen der Vögel, die immer dann aufzutauchen scheinen, wenn dieser sich an seine Vergangenheit erinnert.
Hier werden dann erneut Assoziationen zu Poes DER RABE wach, wo ebenfalls ein Vogel für den verklärten Geisteszustand des Protagonisten stand.
In jedem Fall scheint sich die Befürchtung, dass es Unglück bringe eine Möwe zu töten, zu bewahrheiten, denn spätestens ab dann gehen die Dinge den Bach hinab.

Fazit:
DER LEUCHTTURM steckt voller entdeckenswerter Details und bietet Schauspiel vom Feinsten.
Bestes Arthousekino!

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