Review: HERETIC (2024)

heretic kritik
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Redaktion: 7.0

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7.8/10 (4)

Darsteller: Chloe East, Sophie Thatcher, Hugh Grant
Regie: Scott Beck, Bryan Wood
Drehbuch: Scott Beck, Bryan Wood
Länge: 110 min
Land:
Genre: , ,
Veröffentlichung: 26. Dezember 2024 (Kino)
Verleih/ Vertrieb: Plaion Pictures
FSK: ab 16

Es klingelt an der Tür, in Panik hüpft man mit einem Bein in der Hose zur Gegensprechanlage um den Postboten anzuflehen, nicht direkt wieder zu verschwinden, nur um eine sanfte Stimme sagen zu hören: „Möchten Sie mehr über unseren Herrn und Retter Jesus Christus erfahren?“ Für den freundlichen Mr. Reed (Hugh Grant) wäre das allerdings keine Enttäuschung. Im Gegenteil: Er interessiert sich so sehr für Religion, dass er sogar um einen solchen Hausbesuch bittet.

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Wovon handelt HERETIC?

Schwester Paxton (Chloe East) und Schwester Barnes (Sophie Thatcher) sind zwei liebenswerte Frauen, die einen ganz normalen Tag der Missionierung für ihre Mormonen-Kirche hinter sich haben. Die Goldene Gans namens Mr.Reed, die sogar Eigeninteresse an der mormonischen Glaubenslehre zu haben scheint, heben sich die beiden bis zum Schluss ihrer Tour auf. Nachdem sie den netten Herrn kennenlernen und auf einen frisch gebackenen Kuchen seiner Frau eingeladen werden, legen sie ein paar Sicherheitsmaßnahmen ihrer Kirche etwas liberaler aus und betreten Mr. Reeds Haus. Schnell wird jedoch klar: Hier gibt es keine Ehefrau, keinen Kuchen und auch Reeds religiöses Interesse ist nicht das, was die Frauen sich erhofft haben. Oh, und die Haustür lässt sich übrigens auch nicht mehr öffnen.

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Auch Pornodarsteller haben eine Seele

Bereits in der ersten Szene von HERETIC werden wir wirklich clever auf diesen Film vorbereitet. Wir dürfen ein lockeres Gespräch unter den Glaubensschwestern auf einer Parkbank belauschen. Die quirlige, etwas naive Schwester Paxton beschreibt eine Art Erweckungsmoment, den sie während des Schauens eines Amateur-Pornos hatte. Jetzt ist uns klar: Wir werden hier ein bisschen zwischen den Zeilen lesen müssen. Und vielleicht finden wir dann sogar in so etwas profanem wie einem Horrorfilm die ganz großen Antworten.

Ganz nebenbei wachsen uns hier die Charaktere aber schon ans Herz. Scott Beck und Bryan Wood (A QUIET PLACE), die Drehbuch und Regie zu verantworten haben, schaffen es hier von Anfang an nahbare Charaktere zu entwerfen. Die Dialoge der beiden Frauen bekommen mit pointierten Szenen und kleinen Bildmontagen gerade den richtigen Unterbau um uns emotional einzufangen. Die Selbstzweifel von Schwester Paxton, die noch nie jemanden missionieren konnte und sich an Mr. Reeds Türe um Kopf und Kragen redet, wurden im Kinosaal von meiner Nebensitzerin mit einem herzlichen „Kein Wunder, dass die noch nie jemanden konvertiert hat, ey“ kommentiert. Man schämt sich fast so, als wäre man dabei.

The cake is a lie!

An dieser Stelle muss die durchgehend starke schauspielerische Leistung erwähnt werden. Gerade Hugh Grant brilliert hier in seiner Rolle als undurchsichtiger und bis zuletzt charmanter, aber eben sadistischer älterer Herr, der die beiden Frauen mit religionskritischen Fragen und, naja…, Freiheitsberaubung über den Rand ihrer geistigen und körperlichen Gesundheit hinaustreiben möchte. Aber auch Chloe East (THE FABELMANS) und Sophie Thatcher (YELLOWJACKETS) kaufen wir wirklich jede Unsicherheit, jedes humorvolle Überspielen und jeden Wutausbruch ab. Das gilt zumindest für die erste Hälfte des Films.

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Denn inhaltlich geht HERETIC nach einem grandiosen, gar Nietzsche-esquen Höhepunkt des Storywritings (allein dafür lohnt sich HERETIC) leider etwas die Luft aus. Der Film schwächelt dann ab dem Moment, an dem der erste „unglaubliche“ Twist kommt und wir Zeugen eines Wunders werden. Das größte Wunder ist hierbei, dass der Film es schafft immer konventioneller zu werden, je mehr Wendungen und Enthüllungen er uns präsentiert. HERETIC rutscht in der zweiten Hälfte des Films auf seiner eigenen Genre-Banane aus und so haben wir es auf einmal mit einigen Jump-Scares zu tun, die vorher eben gekonnt vermieden wurden – was fundamental zur erdrückenden Atmosphäre des Films beigetragen hatte.

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Außerdem bekommt Mr. Reed dann eigentlich keinen Fuß mehr in die geistige Tür der Protagonistinnen und das lässt deren mühsam aufgebaute Charaktertiefe leicht abebben. Ähnlich wie Barnes und Paxton bekommen auch wir Zuschauer später mehr Selbstvertrauen und beginnen, die charismatischen Worte und Pläne von Mr. Reed zu hinterfragen. Diese neugewonnene Skepsis färbt leider auch auf die Handlung des Films ab und so tauchen wir nicht mehr ganz so tief in die Story ein, wie wir gerne würden. HERETIC nimmt uns die immersive Pressluft-Tauchflasche weg und tauscht sie gegen ein Schnorchel-Set. Das macht zwar auch Spaß, aber die Antworten, die uns der Film versprochen hat, werden wir an der Oberfläche vermutlich nicht finden.

Fazit zu HERETIC

HERETIC ist ein dicht gewobenes Kammerspiel, das mit wirklich guten schauspielerischen Leistungen über die recht lange Laufzeit von 110min eine durchgehend spannende Atmosphäre erzeugt. Twists ab der zweiten Hälfte des Films führen gefährlich nah an erzählerische Sackgassen aus denen der Film gerade so entkommen kann, indem er sich in die Uneindeutigkeit rettet. Das führt zu einem etwas unbefriedigenden Gefühl nach dem Film, das einen allerdings trotzdem nachdenklich zurücklässt. Und das ist kein ganz schlechter Zustand, gerade wenn das Thema des Films der Glaube ist. Und der ist bekanntermaßen einfach was man daraus macht.

 

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