„Die machen nur noch Remakes“, „Denen fällt nichts mehr Neues ein“…Zugegeben, der Eindruck kann entstehen. Die Aussage kommt aber oft von Leuten, die eigentlich gar keine Lust auf „andere“ Filme haben und nicht beim Fantasy Filmfest im Saal sitzen.
Dort bzw. beim Ableger Fantasy Filmfest Nights lassen sich Filme wie IRATI finden, die nicht nur spanische vor-mittelalterliche Folklore mit moderner Fiktion mischen, sondern ungewöhnlicherweise in baskischer Sprache gedreht wurden.
Wovon handelt IRATI?
In den Pyrenäen des 8. Jahrhunderts kommt es zu einer blutigen Schlacht. Der junge Eneko verliert dabei seinen Vater, einen baskischen Stammeshäuptling, und verlässt für Jahre sein Volk. Als erwachsener Krieger kehrt er zurück und sucht die verschwundene Leiche seines Vaters. Doch dafür muss er mit Hilfe der geheimnisvollen Irati in sagenumwobene Höhlen absteigen und gegen Menschen und Monster kämpfen.
Was IRATI auszeichnet: er wirkt echt.
Die fantastisch gefilmten Landschaften, wurden nicht in einem Billigland, sondern tatsächlich in den wilden Ecken der Pyrenäen eingefangen. Die Sets und Kostüme wirken liebevoll gestaltet, die übernatürlichen Wesen sind nicht frei erfunden, sondern der baskischen Sagenwelt entnommen und natürlich trägt auch die baskische Sprache ihren Teil dazu bei.
Eine Lehrstunde in Sachen Geschichte, Sagenwelt und Filmemachen
Überhaupt wurden nur ca. 60 Filme teils oder vollständig auf Baskisch gedreht, wobei der bekannteste sicher ERREMENTARI: DER SCHMIED UND DER TEUFEL ist. Der läuft in Deutschland zwar mit Synchro, stammt aber wie IRATI von Regisseur Paul Urkijo Alijo, der auch im aktuellen Werk seine Handschrift zeigt.
Fun fact: die meisten der Filme in baskischer Sprache entstanden in den letzten 15 Jahren. Fast scheint es, als ob sich da innerhalb Spaniens eine eigene kleine Szene aufbaut.
IRATI ist trotz aller fantastischen Elemente authentisch
Ähnlich wie Mel Gibsons APOCALYPTO oder DIE PASSION CHRISTI verleiht die für mitteleuropäische Ohren fremdartige Sprache dem Film Authentizität. Optisch wähnt man sich zuweilen in der Nähe von THE NORTHMAN und ähnlich brutal geht es auch zu, aber auch einen Ticken fantastischer.
Eine besondere Bedeutung kommt in IRATI die Frage von Glauben und Religion zu. Keine Sorge, liebe Atheisten, wir erleben hier keine Lobesrede auf die eine oder andere Glaubensrichtung, es ist aber historischer Fakt, dass sich die Region in der damaligen Zeit in einem Spannungsfeld aus aufkeimendem Christentum, Islam und heidnischen Glauben bewegte.
Sympathisch wird im Film vor allem jene Glaubenswelt dargestellt „in der alles existiert, was einen Namen hat“. Dies ist die Welt Iratis; eine Welt, mit der der katholische Eneko hadert.
Fakt ist übrigens auch, dass es die Schlacht, die wir am Anfang des Films erleben, wirklich gab und als Schlacht von Roncesvalles in den Geschichtsbüchern steht. Wie frei sich IRATI dann aber doch wieder von der Historie macht, sieht man spätestens, wenn es plötzlich gewaltige Felsen aus dem Himmel regnet.
An dieser stelle mag man einen weiteren Vergleich ziehen, nämlich zu 300. Beide Filme basieren auf Graphic Novels, beide mischen Fakt und Fiktion.
IRATI setzt allerdings auf weniger Testosteron und ist vielseitiger. Mystery, Action, Abenteuer, Drama, Fantasy, Geschichte und etwas Liebe gibt es auch.
Nun mag man erwidern, dass diese Vielseitigkeit eben zu viel ist (wobei das alles organisch inszeniert wirkt) oder es nervt Untertitel zu lesen oder ein paar der Effekte sichtlich am Computer entstanden.
Alles vertretbare Kritikpunkte, unterm Strich ist IRATI aber fantastisches Kino im eigentlichen Sinne.