Die indische Filmindustrie zählt zu den größten weltweit, in Europa assoziiert man mit Bollywood allerdings meist mit überlangen, bonbonfarbenen Filmen mit klebrig-süßer Story und viel Singsang.
KILL zeigt, dass es auch anders geht. Nomen ist dabei Omen, denn es wird gekillt.
Wovon handelt KILL?
Amrit liebt Tulika und die ihn, doch sie wurde gerade von ihrem Vater, einem mächtigen und reichen Mann, mit einem anderen verlobt.
Um der Geliebten nahe zu sein, nehmen Elitesoldat Amrit und Kollege Viresh, den gleichen Zug wie Tulika, aber der wird von brutalen Banditen überfallen.
Es braucht nicht mehr, um zu wissen, worum es geht. Bruce Willis war damals zufällig an Weihnachten im Nakatomi Plaza, Harrison Ford zeigte sich an Bord der Air Force One widerstandsfähig, Steven Seagal wehrte als Schiffskoch einen Terroranschlag ab und die Reihe derartiger Filme ist lange.
In KILL ist es also Amrit, der eingreifen muss.
Das klingt nach viel Action und genau die gibt es. Die beiden Soldaten wissen sich gegen die 40 Angreifer zu wehren, die natürlich vor allem personell überlegen sind, aber auch Messer und vereinzelt Schußwaffen mitbringen.
Nun kann man Action relativ familienfreundlich gestalten und man kann es machen wie KILL, der es nicht durch die FSK schaffte und letztlich mit der SPIO / Keine schwere Jugendgefährdung ausgezeichnet wurde.
Das ist per se kein Qualitätssiegel und anfangs dem Film auch gar nicht anzumerken, der zum einen milde startet und zum anderen, immer wenn er sinnvolle Zusammenhänge nahebringen möchte, krachend scheitert.
Action hui, Story pfui
Dass Amrit beispielsweise so gar nichts von der Zwangsverlobung weiß, diese direkt prunkvoll abgehalten wird, Tulika das aber entspannt betrachtet und man in diesen einführenden 20 Minuten immer das Gefühl hat, dass gleich jemand zu tanzen beginnt, mag Teil der (Kino-)Kultur oder schlechtes Storytelling sein. In jedem Fall hätte man die Geschichte auch gleich im Zug beginnen können, wo der Verlobte dann persönlich kein Thema mehr ist und samt Ring ausgetauscht wird.
Das will nicht zusammenpassen und von Zuschauer zu Zuschauer kann ich nur die Empfehlung aussprechen, dem auch keine Beachtung zu schenken.
Bemerkenswert ist auch, dass die Figurenzeichnung zwar ähnlich eindimensional vonstatten geht, die bösen aber nicht als evil Masterminds dargestellt werden, die die Welt erobern oder zumindest eine ganze Stadt in die Luft sprengen wollen, sondern als eine offenbar familiär verbundene Bande, die dementsprechend auch um ihre Verluste weint.
Als sich die Räuber zu erkennen geben, gibt es dann zwar schnell Hiebe, anfangs allerdings noch auf FSK 16 – Niveau. Erst nachdem sich Amrit, der wie jeder andere im Laufe der 105 Minuten gewaltig einstecken muss, warmgemacht hat und bald auch einen guten Grund hat, wird aus Bud Spencer–artigem Gehaue blutig-brutale Action, die man in der Nähe von THE RAID oder THE NIGHT COMES FOR US verorten kann.
Wenn man bei dem Vergleich bleibt, fällt auch im Falle von KILL auf, dass Kondition und Müdigkeit oder Schmerzen nur selten eine Rolle spielen. Sprich: Menschen, die nach dem Stoßen an der Bettkante binnen 5 Minuten einen blauen Fleck kriegen, werden nicht verstehen, wie man 20 Mal gegen ein Stahlteil geschmettert werden kann, ohne ein paar Blessuren davonzutragen.
das darf man kritisch hinterfragen, muss dann aber auch einsehen, dass KILL vielleicht keine Doku ist, sondern natürlich einen Larger than life – Faktor eingebaut hat.
Die Gewalt ist roh und blutig
Was dem Streifen dafür glücklicherweise fehlt, sind aufgeblasene Explosionen oder Comic-Fights, die nur in Marvel Filmen Sinn machen. Nö, hier gibt’s meist auf ganz traditionelle Weise auf die Fresse.
Auch in Sachen Location hält man es einfach und beschränkt sich nach den ersten Minuten auf den fahrenden Zug. Der wird in voller Länge ausgenutzt, das bedeutet aber auch, dass sich auf dem beengten schlauchartigen Raum Elemente wiederholen und man als Zuschauer durch einen Wechsel der Kameraachse manchmal die Orientierung verliert.
Zudem haben Werken wie TRAIN TO BUSAN kurze Bahnhofsaufenthalte gut getan, um mal frische Luft zu schnappen, sich die Beine zu vertreten oder was anderes zu sehen.
Fazit zu KILL
Immer wenn mit gängigen Sehgewohnheiten gebrochen wird, kann das Fluch und Segen sein. KILL spart sich einige abgenutzte Tropes des US-Actionfilms, setzt dafür aber hier und da auf Zeitlupenkitsch und die schiere Anzahl der Pollunderträger ist auch ungewohnt.
Die Rahmenhandlung ist zum Vergessen und wirkt so, als habe man diese Regisseur Nikhil Nagesh Bhat vorgeschrieben „noch irgendwas mit Liebe“ einzubauen, obwohl der mehr Spaß an Gekloppe hat. Die Kämpfe und die damit einhergehende Brutalität sind dann aber sehenswert.
Es ist zu lesen, dass das Hindi-Kino der 70er viel Action zu bieten hatte. Das dürfte an den meisten Europäern vorbeigegangen sein. Wenn KILL aber die Renaissance einläutet und man künftig Bollywood auch mit hartem Genrekino verbindet, hat er viel richtig gemacht. Das Drehbuch und auch die Inszenierung dürften dennoch stimmiger sein.
Übrigens: auch wenn KILL merklich nicht gänzlich auf Tatsachen beruht, so ist er zumindest von einer heldenhaften Feelgood-Story inspiriert