„Bist du ein Serienkiller?“ ist das erste, was wir in STRANGE DARLING hören. Damit und den folgenden Bildern, die keine Zeit vergeuden, ist schnell klar, wohin die Reise geht.
Nur, dass der Film längst nicht so gradlinig erzählt wird, wie man meinen könnte. Das zeigt sich schon daran, dass wir Kapitel 3 in die blutige Story einsteigen.
Wovon handelt STRANGE DARLING?
Eine junge Frau flieht vor einem männlichen Verfolger. Nachdem dieser ihr Auto beschießt, entkommt sie vorerst in die Wälder, doch der Typ bleibt ihr auf den Fersen.
In den kommenden 90 Minuten erfahren wir, was zu diesen Ereignissen führte…und wohin sie noch führen.
STRANGE DARLING enthält einige ungewöhnliche Ansätze. Nicht nur werden die insgesamt 6 Kapitel in der Reihenfolge 3, 5, 1, 4, 2 und 6 vorgetragen, was beispielsweise an die Zeitsprünge in PULP FICTION erinnert, auch die beiden Hauptfiguren laufen nur unter „The Demon“ und „The Lady“. Und diese haben zumindest im chronologischen Sinne zunächst Lust aufeinander, was zu einem anfänglich einvernehmlichen, aber nichtsdestotrotz rauen Techtelmechtel in einem Motelzimmer führt.
Viel mehr sollte man im Vorfeld dann auch nicht über die Geschichte wissen, den Trailer zu sehen ist in diesem Fall allerdings nicht schädlich, da dieser wenig verrät.
Gedreht wurde auf 35mm Film und durch ansprechende Kameraarbeit und Sound wird schon mal ein audiovisuelles Erlebnis geboten. Dabei wechseln sich ruhige Gesprächssequenzen und körperbetontes Katz- und Mausspiel ab und auch die unterschiedlichen Locations, die vom kühlen Blau im inneren eines Autos bis zur Farbenpracht der Wälder reichen, tragen ihren Teil bei. Man hat nicht selten den Eindruck, dass uns die jeweilige Kolorierung etwas sagen will.
Die Lady wird gespielt von Willa Fitzgerald, die bislang meist im TV- und Serienbereich unterwegs war, aber nach SCREAM (Serie) und DER UNTERGANG DES HAUSES USHER auch keine ganz unbekannte ist.
Gegenstück Demon ist Kyle Gallner, der wiederum seit längerem im Genre unterwegs ist (u.a. SCREAM 5, SMILE oder THE PASSENGER) und optisch sowie spielerisch viel Wiedererkennungswert besitzt.
Die Erzählweise macht den Unterschied
STRANGE DARLING scheut sich zu keinem Zeitpunkt vor Gewalt, er scheut sich aber beispielsweise auch nicht vor Szenen, wie jene in denen ein älteres Hippie-Paar in aller Ruhe sein Frühstück zubereitet.
Hier kommt dann wieder die Erzählweise mit den ungeordneten Kapiteln ins Spiel, die nicht nur gewisse Wendungen verschleiert, sondern auch dazu beiträgt, dass sich die zwischen Vollgas und Vollbremse vorgetragenen Bausteine die Waage halten.
Anders formuliert: wenn irgendwann jemand auf die Idee kommt, die Chapter in chronologisch korrekter Folge zu sehen, wird er zunächst viel Gerede, viel Geflirte und etwas Gefummel durchleben, bevor die zweite Filmhälfte Tempo macht.
Dann wird man womöglich auch feststellen, dass selbst die moderate Laufzeit von etwa anderthalb Stunden bequem gestrafft werden könnte.
Diese Kritik sollte jedoch gar nicht als besonders harsch empfunden werden, denn STRANGE DARLING wird nun mal nicht linear erzählt und Autor-Regisseur JT Mullner beweist, wie man mit einem kleinen Kniff mehr machen kann.
STRANGE DARLING ist erst Mullners zweiter Langfilm und der erste seit 2016. Manche Unerfahrenheit ist ihm daher anzumerken, aber auch ein Geschick diese zu kaschieren.
Gefallen und Missfallen wird individuell wohl auch davon abhängen, welcher Bedeutung man den Wendungen im Film beimisst, allerdings ist dies kein Streifen, der von „dem einen“ Twist lebt, der deinen Schädel bersten lässt.
Übrigens: die am Anfang eingeblendete Behauptung, dass man es hier mit einer True Crime – Geschichte zu tun habe, darf man sich getrost ins Märchenbuch kleben.
Fazit zu STRANGE DARLING
STRANGE DARLING ist anzumerken, dass er mit Liebe und Fürsorge entstand, dass er Figuren und Zuschauer ernst nimmt und sich vom oft genutzten Schablonen-Bausatz angenehm abhebt. Das macht ihn zu einem sehenswerten Thriller, der allerdings auch mit einigen versteckten Schwächen leben muss.
Hier kannst du dir STRANGE DARLING ansehen